Gestern veröffentlichte das Onlineportal "Migazin" einen Artikel, der die Initiative Pro Neutralitätsgesetz angreift und im gleichen Atemzug die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) diskreditieren will. Allerdings unterlaufen der Autorin dabei einige grundlegende Fehler.
In dem gestern veröffentlichten Artikel polemisiert das Vorstandsmitglied des "Aktionsbündnisses muslimischer Frauen in Deutschland e. V.", Gabriele Boos-Niazy, gleich am Anfang gegen Seyran Ateş. Die Anwältin vertritt den Senat Berlin in den anhängigen Verfahren, in denen es um das Kopftuchverbot für Lehrerinnen geht. Schon dieser Teil ist wenig von Sachkenntnis getragen. Hier geht es einzig um eine Diskreditierung von Frau Ateş.
Doch was möchte man erwarten von einer Autorin, die bereits im zweiten Satz ihres Artikels den grundlegenden Fehler begeht, die Initiative Pro Neutralitätsgesetz als "atheistisches Netzwerk" zu bezeichnen? Das ist zwar grundlegend falsch, denn auch Christen, Juden und Muslime haben für die Beibehaltung des Berliner Neutralitätsgesetzes unterschrieben, es macht aber die Polemik gegen die Initiative leichter.
Anschließend schießt sich Frau Boos-Niazy auf die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ein. Ihr unterstellt sie eine einseitige Weltsicht auf den Islam und Religionen im Allgemeinen. Insbesondere das Rechtsgutachten des Verwaltungsrechtlers Dr. Gerhard Czermak, ("Das Berliner Neutralitätsgesetz kann in Kraft bleiben") scheint ihr schwer zu schaffen zu machen. Denn mit allen Mitteln versucht sie, Dr. Czermak, dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw), der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), dem Humanistischen Pressedienst (hpd) und der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) unlauteres Handeln zu unterstellen.
Der Vorstandssprecher der gbs, Michael Schmidt-Salomon, hat daraufbei Facebook reagiert. Er schrieb:
Eine gbs-Verschwörung? – Das Berliner Neutralitätsgesetz schreibt vor, dass sich VertreterInnen des Staates (LehrerInnen, RichterInnen, PolizistInnen etc.) weltanschaulich neutral kleiden, also auf offensichtliche religiöse oder weltanschauliche Symbole verzichten sollten (etwa auf ein Kopftuch oder ein Nietzsche- Shirt mit der Aufschrift "Gott ist tot!").
Seit einiger Zeit versuchen religiöse Kräfte, dieses Gesetz zu kippen. Gabriele Boos-Niazy (Vorstandsmitglied des "Aktionsbündnisses muslimischer Frauen in Deutschland e.V.") hat hierzu nun im "MiGAZIN" ("Migration in Germany") einen Artikel veröffentlicht, der nicht nur die verfassungsrechtlichen Grundlagen schief darstellt (tatsächlich wäre ein EINSEITIGES Verbot des Kopftuchs verfassungswidrig – nicht aber ein Verbot ALLER religiösen und weltanschaulichen Symbole im Staatsdienst!), sondern auch den Eindruck erweckt, die Initiative "Pro Neutralitätsgesetz" sei ein Produkt des weit gefächerten Netzwerkes der Giordano-Bruno-Stiftung. Dies jedoch ist falsch:
Tatsächlich steht hinter der Initiative "Pro Neutralitätsgesetz" ein breites Spektrum von Persönlichkeiten. Die gbs hat diese Initiative keineswegs initiiert, sondern ist erst später dem Unterstützerkreis beigetreten.
Wir halten diese Klarstellung für notwendig, denn: Auch wenn es uns freut, dass unsere gesellschaftspolitischen Aktivitäten zunehmend wahrgenommen werden, so haben wir nicht vor, uns mit "fremden Federn" zu schmücken. Der Verdienst, die Initiative auf die Beine gestellt zu haben, liegt nicht bei uns, sondern bei den AktivistInnen um den Berliner Rechtsanwalt Walter Otte (Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne).
Manche Argumente im Artikel von Frau Boos-Niazy sind sicherlich zu diskutieren; über die beiden sich widersprechenden Urteile des Bundesverfassungsgerichts zum Beispiel. Oder darüber, welche Auswirkungen die strikte Durchsetzung des Neutralitätsgebot des Staates hätte; ja vielleicht sogar, was Neutralität des Staates überhaupt bedeutet. Aber dabei sollten sich beide Seiten auf Argumente stützen. Und nicht auf Falschaussagen und Unterstellungen.
Die Initiative Pro Neutralitätsgesetz lädt heute und in den kommenden Wochen zu öffentlichen Diskussionen darüber ein.
12 Kommentare
Kommentare
annen anne Nerede am Permanenter Link
"Atheistisches Netzwerk" wäre aber auch schön! Wenn es so was mal wirklich gäbe,statt des Flickwerks ohne jegliche Wirkung auf die bestehenden Staats-Kirchen-Strukturen....
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich habe mich durch den kritisierten Beitrag im MiGAZIN gequält.
Man darf ja der Meinung sein, dass man es aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht verstehen muss, für notwendig erachtet, seine Haupthaare vor den Blicken anderer Menschen zu schützen (?). Aber warum dieses Manische dabei?
Ich habe ja auch nichts dagegen - weil im Artikel das kulturelle Kriterium genannt wurde - wenn Anhänger der FKK (Frei Körper KULTUR) sich nackt am FKK-Badestrand tummeln. Aber ich möchte sie so nicht im Gericht mir gegenübersitzen sehen oder als LehrerInnen vor meinen Kindern.
Kultur ist etwas Schönes, wenn sie im richtigen Rahmen geschieht. Der FKK-liebende und praktizierende Richter wird in seinem Inneren immer noch FKK-Anhänger bleiben, auch wenn er in weltanschauungsneutraler Richterrobe den Zeugen, Klägern und Beklagten gegenübertritt. Oder die FKK-liebende Lehrerin, die sich neutral gekleidet vor ihre Schüler stellt.
Es gibt also Fälle, in denen die eigene kulturelle Überzeugung als sichtbarer Ausdruck hinter die beruflichen Gegebenheiten zurücktreten müssen. Nicht jede Kultur oder Weltanschauung kann überall und jederzeit optisch präsent sein.
Warum sollten hier ausgerechnet Musliminnen eine Ausnahme bilden? Mit was haben sie diese Extrawurst verdient? Hängt es mit dem Selbstverständnis islamisch konditionierter Menschen zusammen, dass sie - wie angeblich alle Menschen seit Adam und Eva - als Muslime geboren wurden?
Dieser Unsinn mag im Privatglaube als Spinnerei geduldet werden, Fakt ist jedoch, dass alle Lebewesen der Erde, zu denen auch die Trockennasenaffen der Gattung Homo zählen - völlig ohne jede Beziehung zu wie auch immer gearteten Göttern, Göttinnen oder Halbgöttern geboren werden.
Erst die Erziehung macht aus Menschen Mitglieder in unterschiedlichsten Religionsgemeinschaften, je nach dem, wer die Kinder konditioniert. Von daher allein ist Religion nichts "Gottgegebenes", sondern allein eine kulturelle Errungenschaft aus welchem Stimulus auch immer heraus.
Und wie jede andere Kultur auch hat diese sich in einem Rechtsstaat diesem zu beugen. Jedes Recht steht über kulturellen Ansprüchen/Gepflogenheiten. Da also die religiöse Konditionierung von Kindern willkürlich erfolgt, je nach dem, in welche Richtung die Erziehungsberechtigten tendieren, kann diese Konditionierung über all dort keinen optischen Ausdruck beanspruchen, wo der heterogene Bürger - der ja grundgesetzlich garantiert jede beliebige Weltanschauung haben darf - zwangsweise erscheinen muss.
Das kann vor Gericht sein, ist aber definitiv während der Zeit der Schulpflicht gegeben. Hier kann der Bürger (ob als Zeuge, Kläger, Angeklagter oder SchülerIn) nicht ausweichen, weil er/sie sich dem STAAT gegenüber sieht. Der Staat vollzieht hier hoheitliche Aufgaben (Rechtsprechung oder Unterrichtung), denen der Bürger sich nicht entziehen kann.
Daher MÜSSEN die Vertreter der staatlichen Organe - durch die der Staat sichtbar wird - sich weltanschauungsneutral verhalten. Jede andere Auffassung müsste zu Musterklagen führen, wenn z.B. ein Zeuge vor Gericht geladen wird und sich einer muslimischen Richterin mit Kopftuch gegenübersähe. Er will diese Konfrontation mit dieser Weltanschauung - aus welchem Grund auch immer - nicht haben und müsste dann klagen, um diesem Umstand Abhilfe zu verschaffen. Durch Zeugnisverweigerung kann er sich dem jedenfalls nicht entziehen, dazu zwingt ihn das Gesetz.
Also muss sich der Staatsdiener optisch (nicht innerlich)neutralisieren, denn der Zeuge kann nur gezwungen werden, vor dem Staat/Gericht auszusagen, nicht aber vor einer weltanschaulich definierten Person.
Diese Musterprozesse (die man analog auf die Schule übertragen kann) könnte man sich ersparen, wenn Musliminnen ein wenig flexibler wären und nicht jedem vor Augen führen müssen, dass sie die Fahne des Islamismus auf dem Kopf tragen wollen...
Alexander Micha... am Permanenter Link
Bernd,
ich meine, dass wesentliche, scheinbare Argument im Artikel könnte gewesen sein, dass "Säkularismus eine Ideologie/eine Weltanschauung" sei, mit Verweis auf den Westen und den Kapitalismus.
Ich habe das Argument allerdings nicht verstanden. Aber vielleicht müsste der verwendete Begriff der Ideologie geklärt werden, und das, was eine Weltanschauung sein könnte.
Säkularismus steht nach meiner Lesart des Artikels als Alternative zu Religionen zur Disposition, meine ich. Der religiöse Charakter von Säkularismus erschließst sich mir allerdings nicht. Bei Eingottreligionen geht es um Eingeisterglauben und Dogmatismus (z.B. Du darfst keine weitere Geister danaben haben). Bei Säkularismus geht es darum, dass man Geisterglauben und Dogmatismus in Vereinsheimen und in den eigenen vier Wänden auslebt - und nicht andere damit belästigt. Oder?
Gruß
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Hallo Alex,
"Bei Säkularismus geht es darum, dass man Geisterglauben und Dogmatismus in Vereinsheimen und in den eigenen vier Wänden auslebt - und nicht andere damit belästigt. Oder?"
Ja, so ist es. Das ist eines der üblichen Vorurteile Gläubiger, dass sie die Welt nur zwischen unterschiedlich gearteten Religionen sehen können. Das ist begrenzt nachvollziehbar, weil Gläubige in dem Moment, in dem sie zugäben, es gäbe auch eine "gottlose" Welt, gleichzeitig die Grundlage ihrer Religion verlören.
Es macht ja auch keinen Sinn, sich die Hand zu geben und zu sagen (aus Sicht eines Gläubigen): "Ich weiß ja, dass Gott existiert und die Welt geschaffen hat. Aber ich finde es auch okay, wenn Gott nicht existiert und die Natur die Welt geschaffen hat." Das wäre schizophren.
Daher waren Atheisten in der Weltgeschichte immer der letzte Dreck, da es sicher viele "Götter" geben kann (oder andere Definitionen eines "Gottes"), aber auf keinen Fall die gleichberechtigten Alternativen "Gott" und "kein Gott". Das schließt sich gegenseitig völlig aus.
Daher wird selbst der Säkularismus ideologisch bekämpft, weil er ja die weltanschauliche Freiheit "Gott" oder "kein Gott" zulässt. Wenn man den Säkularismus als Glaube sieht oder gar als bewusste Ideologie, um bestimmte Ziele durchzusetzen, dann können Gläubige dies in ihr Weltbild einbauen. Ein ernsthafter Gläubiger wird nie in einer Welt leben wollen, die die völlige Wahlfreiheit bzgl. Geisterglauben zulässt...
Lea H. am Permanenter Link
Kann man denn von einem Religiösen - egal, ob muslimisch, christlich oder sonstwas - wirklich Argumente erwarten?
Das verbietet denen doch ihr G l a u b e ...
Roland Weber am Permanenter Link
Um es zum xten Male zu wiederholen: Das Kopftuch ist kein verpflichtendes Gebot des Koran! Das beweist auch die jüngere Geschichte in islamischen Ländern, die "Kopftuch-frei" war.
Zu recht wird nun auch gefordert, dass zumindest keine unmündigen Mädchen (Kinder) von ihren Eltern zum Tragen eines Kopftuches gezwungen werden dürfen.
Man kann niemanden zwingen, sich zu integrieren, aber die Toleranz sollte endlich enden, wenn damit ausschließlich Politik gemacht wird.
Ulf am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Weber,
dies stimmt so nicht! Beschäftigen sie sich bitte tiefgreifender mit der Geschichte v.a. aber den Quellen des Islams. Insbesondere legen ich ihnen den heiligen Quran mit den Geboten der Verse 59 Sure 33 "al-Ahsaab" (die Verbündeten) und 31 der Sure 24 "Das Licht" (An-Nür) nahe. Wir könnten uns dann in Haarspalterei begeben, aber hier ist bereits recht deutlich, was und wie es gemeint ist.
Desweiteren finden wir recht viele und direkte Aussagen in den Hadithen (für Muslime, neben dem Quran die zweite wichtige Quelle für ein Gottgerechtes Leben. Siehe hier beispielsweise kitāb as-Libas von Abu Dawud Sulaiman ibn al-Asch'ath, kurz Abu Dawud (Abû Dâwûd, Sunan, Libâs, 34) und auch in der wichtigsten Sammlung von Al -Bukhari werden sie schnell fündig.
Fakt ist, die weitgehende Trennung der Frauen von den Männern und die Verschleierung (mehr als zum Zwecke des Sonnenschutzes) finden wir bereits in frühislamischer Zeit. Ich gebe ihnen recht, dass es jüngst kopftuchfreie Perioden verbunden mit Modernisierungsbewegungen beipielsweise in der Türkei und im Iran gab. Aber nicht wegen, sondern trotz des Islams, denn wie wir sehen, verschwinden diese liberalen Anzeichen mit der Revitalisierung der Religion als gesamtgesellschaftliche Kraft...
Grüße
Roland Weber am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr "Ulf",
Eines steht jedoch immer fest: Je mehr man religöse Aussagen in das Blickfeld rückt, desto fragwürdiger und absurder werden die Argumente - das gilt für alle Religionen.
Mit besten Grüßen
Roland Weber
Ulf am Permanenter Link
Sehr geehrter Mitforist Roland Weber,
hier bin ich nahezu vollumfänglich bei Ihnen, mit Ausnahme des "Nebenkriegsschauplatzes Kopftuch". Aus Sicht missionarischer Muslime und ihrer wissentlichen oder unwissentlichen Apologeten ist die Implementierung der Verschleierung/Kopftuch in alle gesellschaftliche Ebenen ein Hauptthema!
Gerade heute wird in Berlin erneut eine Einklagung in Schulen verhandelt und seien sie gewiss, diese Anschläge gegen das Neutralitätsgebot (und ja auch gegen das Grundgesetz--->Schutz individueller Freiheit des Glaubens, kein Schutz kollektiver Glaubenszwänge) werden weiter gehen und der Widerstand der Gerichte bröckelt mittlerweile bedenklich.
Nehmen sie bitte meine oben aufgeführte Gegendarstellung daher nicht als persönliche Kritik oder Besserwisserei wahr, sondern vielmehr als exemplarische Beantwortung einer Aussage, die ich hier leider häufig lesen muss.
Fazit bleibt: Es gibt die Aufforderung im Qur´an und in mehreren Hathiden, als persönliche Aussagen des Proheten Mohammed, zu einer expliziten religiösen Kleiderordnung für Mädchen und Frauen. Das diese im gelebten Islam unterschiedlich ausfallen, von Kopftuch über Niqab bis zur Burka ist kein Gegenbeweis, sondern unterliegt der Tatsache, dass vorgeblich "klare Worte" eines transzendenten Wesens und seines selbstermächtigten Propheten offensichtlich einer, dennoch möglichen, Exegese seiner jeweiligen Jünger unterliegen.
Viele Grüße
Thomas Baader am Permanenter Link
Man möge mir die Deutlichkeit verzeihen, aber es ist nun mal sehr treffend formuliert, wenn man sagt, dass das "Migazin" das zentrale Medium des Jammermigrantentums in Deutschland ist: Hier wird die Opferrol
Ich habe vor Jahren einmal versucht, dort einen Artikel kritisch zu kommentieren, der von einem Gastautor der "Islamischen Zeitung" verfasst worden war. Ich wies daraufhin, dass der Gründer der der "Islamischen Zeitung" wegen antisemitischer Äußerungen vor Gericht gestanden hatte. Der Kommentar wurde damals nicht freigeschaltet.
Theodor Friede am Permanenter Link
Ich kann Ihr Kommentar voll und ganz bestätigen. Da das Migazin aus höchstdubiosen Quellen finanziert wird, darf man sich auch nicht über die propagandaähnlichen Themenauswahl wundern.
Die größten Lügen auf dieser Seite werden aber von Artikeln ohne Angabe von Autoren verbreitet.
Die Kommentarfunktion dient hauptsächlich dazu, dass Migranten sich in ihrer Ablehnung ggü. dem deutschen Staat bestätigen können, da ist es natürlich nicht hilfreich, wenn Sie mit ihren Fakten dazwischen funken ;)
Rede- und Meinungsfreiheit sind beim Migazin nicht bekannt, man kennt dort lediglich Artikel 4 des GG. und auf die anderen 145 Artikel würde man gerne verzichten...
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Ist die Dame irgendwie bekannt?
Ich kannte bisher weder sie noch ihre Organisation.
Nun hat sie Beachtung, die sie nicht verdient.
Schön, dass ich das nicht entscheiden muss. :)