Die christliche Bloggerin Elizabeth Esther nimmt Medizin gegen ihre bipolare Störung - und wird zur Atheistin. Dann aber kommt der Hautausschlag...
In einer ihrer gesunden, klaren Phasen schreibt Elizabeth Esther es in Großbuchstaben in ihren Blog, als wäre es ein ewiger Erinnerungszettel, eine Einsicht, die nicht verloren gehen soll:
Die Leute werden dir sagen, sie wissen, dass ihr Glaube wahr ist. Aber was sie meinen ist: Sie glauben, dass ihr Glaube wahr ist.
Elizabeth ist gläubige Christin, sie ist als Kind in einem evangelikalen Kult aufgewachsen und hat darüber ihr erstes Buch geschrieben. Der christliche Glaube ist ihr treu geblieben. Sie geht jeden Sonntag zur Messe, ihr Gott hat ihr über viele Schwierigkeiten hinweg geholfen. Eine ihrer Sorgen ist ihre Gesundheit: Elizabeth ist bipolar, manisch-depressiv, und auch wenn ihre manischen Phasen ihr helfen, die Wohnung sauber zu halten, so hat sie doch angefangen, Medikamente zu nehmen, um ihre wilden Stimmungsumschwünge unter Kontrolle zu bekommen.
Das klappt auch ganz gut. Doch es treten massive Nebeneffekte auf: Elizabeth hat kaum noch Zugang zu ihren Emotionen, fühlt sich weniger lebendig, erstens. An beiden Beinen tritt ein Ausschlag auf, der in seltenen Fällen zum Tode führen kann, zweitens. Und drittens: Elizabeth Esther wird Atheistin. Sie liest Biographien von Menschen, die ihren Glauben verloren haben, beschäftigt sich mit Neurowissenschaften, verarbeitet alles in ihrem Blog: Sie versteht sehr gut, dass Gott ein Produkt unseres Gehirns ist. "Neurowissenschaftler sagen: Dem Gehirn ist es egal, ob die Dinge, die es sieht, wirklich echt sind. Stattdessen will es nur wissen, ob sie beim Überleben eine Hilfe sind." Zudem vertiefe sich der Glaube durch die mit ihm einhergehenden Rituale, denn diese stärken bestimmte neuronale Verschaltungen. Glaube, wie sportliche Leistung, ist eine Sache des Trainings.
Elizabeth lässt den tiefen Einblick zu, den viele Religiöse verweigern, den Einblick in die zuunterst sitzende Unsicherheit ihres Glaubens. Sie sagt: Ihr Glaube habe ihr Erlebnisse der bedingungslosen Liebe beschert, vollständigen Frieden und die Versicherung, dass alles in Ordnung sei: "Selbst wenn mein Gehirn das alles heraufbeschwört, ich vertraue darauf und glaube daran." Sie kommt zu einer verblüffend ehrlichen Unterscheidung, einem doppelten Denken, das den Glauben an eine Gottheit in einer realistischen, nicht-märchenhaften Welt ermöglicht: "Ich weiß immer noch nicht, ob Gott wirklich-wirklich ist. Für mich ist er wirklich. Aber IST Gott wirklich? Ich weiß es nicht."
Ihr Glaube schwindet. Die Gefühle bleiben abgestumpft. Der Ausschlag wird nicht besser. Sie berät sich mit ihrem Arzt. Und setzt die Medikamente wieder ab. Wenige Wochen später vermeldet sie in ihrem Blog:
Ihr Glaube sei wieder da.
Die Medikamente schienen, so sagt sie, die Gott-Rezeptoren in ihrem Gehirn abgeschaltet zu haben. Sie habe sich sehr, sehr klein und sehr allein im Universum gefühlt. Jetzt bete sie wieder, das Gebet und der Glaube würden sie nähren und am Leben erhalten, die Frage nach wahr oder falsch sie nicht mehr kümmern.
Elizabeth Esther, so scheint es, hat sich entschieden. Es ist ihr Leben. Ist, was man freien Willen nennen mag. Respekt gebührt ihr, denn sie hat eine Offenheit gezeigt, den Kampfgläubige nie zulassen, da ihre Super-Überzeugtheit nur den tief sitzenden Zweifel verbirgt, den jeder Glaube bei denkenden Menschen mit sich führen muss. Dass man auch mit Glauben und bipolarer Störung die entscheidenden Dinge klar kriegen kann, zeigt sie dann, als ein Atheist aus den unendlichen Weiten des Internets auf ihrer Seite auftaucht und knapp kommentiert: "Religion ist eine Geisteskrankheit, und wenn du aufhörst, deine Medikamente zu nehmen, hast du einen Rückfall. Klingt einleuchtend."
Elizabeth setzt sich hin und antwortet dem Fundamentalbescheidwisser freundlich und offen: Ja, vielleicht sei Religion eine Geisteskrankheit. Sie wisse das nicht. Es sei ihr auch egal. Ihr Glaube verschaffe ihr ein echtes Glück in ihrem Leben, mache sie zu einem besseren Menschen: "Und wenn Fremde aus dem Internet abfällige Kommentare auf meinem Blog hinterlassen, hilft sie mir, es nicht zu persönlich zu nehmen."
Der Punkt geht an sie. Für toleranten und respektvollen Umgang. Und wenn Religion, wie in ihrem Fall, nichts als eine allgemeine Freundlichkeit und Gelassenheit auf dem Erdenrund verbreitete, wäre auch nicht viel gegen sie zu sagen.
16 Kommentare
Kommentare
René am Permanenter Link
Nette kleine Annekdote. :o)
Rene Goeckel am Permanenter Link
Das erinnert schmerzhaft an die verfilmte Geschichte von dem Psychater Oliver Sacks mit dem Titel "Zeit des Erwachens".
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Und wenn Religion, wie in ihrem Fall, nichts als eine allgemeine Freundlichkeit und Gelassenheit auf dem Erdenrund verbreitete, wäre auch nicht viel gegen sie zu sagen."
Dann wäre nichts - absolut nichts - dagegen zu sagen. Leider wurde Religion zu einem anderen Zweck erfunden. Und dieser Zweck produzierte viel Leid. Nur, weil Religion heute im rechtsstaatlichen Christentum von vielen Zwängen befreit wurde, kann Elizabeth ihre eigene Patchwork-Religion leben und dabei glücklich sein.
Bei einem Placebo ist auch egal, warum es wirkt, Hauptsache es wirkt. Ist der Glaube jedoch nur dazu da (und diese Fälle gibt es auch), die durch den Glaube projizierte Schlechtigkeit der eigenen Person (geborener Sünder) zu kompensieren (durch Anerkennung von Jesus Christus), dann ist das ein Nullsummenspiel und abzulehnen...
Thomas am Permanenter Link
"Bei einem Placebo ist auch egal, warum es wirkt, Hauptsache es wirkt."
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Maximilian am Permanenter Link
Es gibt einen berühmten, 140 Jahre alten, Aufsatz des Philosophen und Mathematikers William K. Clifford namens "The Ethics of Belief".
Thomas am Permanenter Link
Vielen Dank für den Hinweis auf diesen interessanten Aufsatz! Ich habe ihn auch gleich gelesen und scheine in Clifford einen Bruder im Geiste gefunden zu haben.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ach, lasst doch der Liz ihre Lust...
Kay Krause am Permanenter Link
Zum Artikel von Klaus Ungerer: Letzter Satz, ........Wenn Religion...... nichts als eine allgemeine Freundlichkeit und Gelassenheit auf dem Erdenrund verbreitete, wäre auch nicht viel gegen sie zu sagen.
Von einer gewissen Gelassenheit bzw. Verbreitung von Freundlichkeit ist da leider nichts zu spüren, und darauf werden wir wohl auch noch lange warten müssen!
Klaus-Dieter Wagner am Permanenter Link
Sehr geehrte Damen und Herren,
was so alles im Gehirn abläuft!? Da verliert jemand den Glauben durch Medikamente und findet ihn nach Absetzung der Drogen wieder. Fragt sich bloß, wie ist er vorher darein (ins Gehirn) gekommen? Führt Hautausschlag etwas zum Verlust des Glaubens? Oder war es vielleicht eine bewusstseinsverändernde Droge?
Wir wissen es nicht. Fest steht, dass uns unser Gehirn und die bio-chemischen Prozesse alles "vorgaukeln" können. Wozu brauchen wir da noch ein imaginäres höheres Wesen?
Der Aberglauben ist nicht auszurotten!
Vielleicht sollte die Dame es einmal mit dem rationalen Verstand versuchen. Vielleicht gibt es ja dafür auch eine Droge. Arme Menschheit, die sich immer wieder der Drogen oder eines höheren Wesens bedienen müssen um das scheinbar "Unerklärbare" zur erklären, oder mit der Angst umzugehen. Und dann kommt noch die Scheinrationalisierung hinzu,"ich kapsele mich ein, lasse nichts an mich heran, auch keine Kritik, da ich ja sowieso recht habe."
Beste Grüße
K.D.W.
Manfred Schleyer am Permanenter Link
"... und der Betrunkene ist glücklicher als der Nüchterne!!
Wer hat das zuerst gesagt oder geschrieben?
Thomas am Permanenter Link
"Elizabeth setzt sich hin und antwortet dem Fundamentalbescheidwisser freundlich und offen: Ja, vielleicht sei Religion eine Geisteskrankheit. Sie wisse das nicht."
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"Es sei ihr auch egal."
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Verweigerung geistiger Hygiene macht Menschen gefährlich...
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"Ihr Glaube verschaffe ihr ein echtes Glück in ihrem Leben,"
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Der typische Egoismus der Religioten: Hauptsache, mir geht's gut in meinem Wahn. Daß ich damit Teil der Weltkultur des Irrationalismus bin, die Leiden und Sterben über Abermilliarden empfindungsfähiger Wesen bringt, ist mir grad scheißegal.
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"mache sie zu einem besseren Menschen:"
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Nö, ETHIK und MORALITÄT machen zu einem "besseren Menschen", aber die kann es logischerweise nur in ABWESENHEIT von Religion geben.
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"Und wenn Fremde aus dem Internet abfällige Kommentare auf meinem Blog hinterlassen, hilft sie mir, es nicht zu persönlich zu nehmen."
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Keine Überraschung: wie alle Wahnvorstellungen sind auch religiöse Überzeugungen gegen jede Kritik immunisiert. Schließlich ist "Glaubensgewißheit" eine der höchsten religiösen "Tugenden".
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"Der Punkt geht an sie. Für toleranten und respektvollen Umgang."
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Zu dieser Einschätzung kann man nur gelangen, wenn man Toleranz und Respekt mit Ignoranz verwechselt. Da Elizabeth der objektiven und zutreffenden Feststellung des "Fundamentalbescheidwissers" nur subjektives Gelaber entgegengesetzt hat, geht "der Punkt" eindeutig an IHN.
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"Und wenn Religion, wie in ihrem Fall, nichts als eine allgemeine Freundlichkeit und Gelassenheit auf dem Erdenrund verbreitete, wäre auch nicht viel gegen sie zu sagen."
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...und wenn Gift nichts als Gesundheit und Wohlbefinden brächte, könnte man es in den täglichen Speiseplan aufnehmen. Warum nur ist so schwer zu begreifen, daß es keinen "harmlosen" Irrationalismus gibt? Evidenzwidriges Glauben und die mit ihm verbundene geistige Disposition führen in gleich doppelter Hinsicht zu einem anti-ethischen Dammbruch, denn falsche Vorstellungen von der Wirklichkeit be- und verhindern ihre erfolgreiche Veränderung zum Wohle leidensfähiger Wesen, und aus Falschem abgeleitete Normativität ist niemals ethisch, weil sie ALLE MÖGLICHEN Verhaltensweisen hervorbringen kann - von selbstzerstörerisch-altruistischen "Wohltaten" bis hin zu den monströsesten Verbrechen. Wer sich an den Verheerungen des Irrationalismus nicht mitschuldig machen will, muß gegen ALL seine Erscheinungsformen vorgehen - auch jene, die bei gedankenloser Betrachtung unschädlich erscheinen.
Sim am Permanenter Link
Lieber Thomas
Die Ressourcen die uns zur Weltverbesserung zur Verfügung stehen sind aber begrenzt und damit ergibt sich, wenn man rational sein will, zwangsläufig die Maxime, diese Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Es ist schlicht ineffizient sich an einer Frau die zwischen Glauben und Unglauben schwankt in dieser Form abzuarbeiten wenn es gleichzeitig echte und gefährliche Fanatiker in Hülle und Fülle gibt.
Ja so mancher Atheist ist vielleicht rationaler wenn es um die Frage nach der Existenz eines Gottes geht, aber das ist nur ein Aspekt in dem dieser rationaler ist, es kann zig Aspekte (z.B. politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche Überzeugungen) geben in denen besagter Atheist irrationaler ist, so dass in Summe ein Atheist irrationaler sein kann als ein säkularer Gläubiger.
Ich glaube, dass es einen durch und durch rationalen Menschen gar nicht geben kann. Selbst wenn wir uns noch so sehr anstrengen, wir haben eine ganze Menge Annahmen in unserem Leben getroffen die wir nicht jeden Tag hinterfragen und wofür auch schlicht die Zeit fehlen würde. Man müsste nämlich konstant die ganze Natur der Existenz und des Seins hinterfragen bevor man auch nur den kleinen Zeh bewegt und selbst ihn nicht zu bewegen ist schon eine Entscheidung die unter gegebenen Umständen irrational sein kann.
Thomas am Permanenter Link
Hallo Sim,
wie es scheint, ist mein Anliegen nicht ganz deutlich geworden. Hätte ich mich an Elizabeth "abarbeiten" wollen, wäre das auf ihrem Blog geschehen. Statt dessen bin ich hier ein weiteres Mal dem ebenso verbreiteten wie folgenschweren Irrtum entgegengetreten, es gebe so etwas wie harmlosen oder gar respektablen Irrationalismus. Elizabeth macht in der Tat keinen "fanatischen" Eindruck, aber sie ist trotzdem gefährlich, weil sie irrationales Denken verbreitet, indem sie Menschen verblödet oder in ihrem Wahn bestärkt, die dann ihrerseits Menschen verblöden oder in ihrem Wahn bestärken usw. usf.. Milliarden "geistiger Virenschleudern" wie sie tragen zum Fortbestand der erwähnten Weltkultur des Irrationalismus bei, und deshalb ist es unangebracht, ihr Treiben zu bagatellisieren. Übrigens weiß ich nach langjähriger Erfahrung, daß es durchaus nicht zu viel verlangt ist, das analytische Denken stetig zu schärfen und den wissenschaftlichen Kenntnisstand hinreichend aktuell zu halten, um ethischen Erfordernissen jederzeit und immer besser gerecht werden zu können. Es geht mir um den Rationalismus als konsequente Geisteshaltung, die falsches Denken verhindern und so schädlichem Tun oder Unterlassen vorbeugen soll. Sie kann nur wirksam sein, wenn sie keine willkürlichen Ausnahmen duldet, und: sie ist erlernbar - je früher, umso besser, aber auch noch in fortgeschrittenem Alter.
Werner Rupp am Permanenter Link
Den humanistischen Pressedienst zu lesen ist eine Beleidigung für meinen Intellekt; soviel Stuss, wie da erzählt wird, gibt es sonst nirgends. Auch die Kommentare sind entsprechend.
Petra Pausch am Permanenter Link
Schön, dass wir mal wieder über Sie lachen dürfen, Herr Rupp. Wer oder was zwingt Sie denn zum Lesen des hpd? Die Stimme im Hinterkopf? Die sollten Sie ignorieren :-)
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Den humanistischen Pressedienst zu lesen ist eine Beleidigung für meinen Intellekt;"
Sie beleidigen also Ihren Intellekt, indem Sie den hpd lesen? Also beleidigen Sie ihn selbst? Warum nur?
Wenn ich die Bibel lese, fühle ich mich als gottlos glücklicher Mensch auch beleidigt. Wenn ich also im Buch der Bücher schmökere, was hin und wieder vorkommt, wenn es mir zu gut geht, dann weiß ich, was auf mich zukommt. Da wird mein Intellekt zwar auch beleidigt, aber ich mache das ja freiwillig, also beschwere ich mich nicht. Das kriegen Sie mit Ihrem Intellekt in Bezug auf den hpd auch hin, da bin ich ganz zuversichtlich...