Wim Wenders Film über Papst Franziskus

Ein gütiges Lächeln und schöne Worte

Seit gestern kann man Wim Wenders’ neuesten Dokumentarfilm "Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes" im Kino sehen. Es ist eine weitgehend unkritische Verherrlichung seiner Heiligkeit und der Art und Weise, wie er den Menschen ins Gewissen redet.

Selbstverschuldete Katastrophen – Hunger, Kriege, Artensterben – auf all unsere heutigen Probleme, die unseren Planeten zu zerstören drohen und unter denen die Menschheit leidet, habe einer eine Antwort, und die habe er schon vor 800 Jahren gehabt: Der heilige Franziskus von Assisi sei ein Revolutionär gewesen, der das Wohl aller im Sinn hatte. So beginnt Wim Wenders‘ Dokumentarfilm über den Papst. Leitet über zum Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, der im Jahr 2013 zum obersten Hirten der katholischen Kirche ernannt wurde. Man begleitet den argentinischen Bischof von Rom als Zuschauer auf seinen Reisen um die Welt, sieht stimmungsvolle Bilder, wie er von Menschenmassen bejubelt wird, wie er Menschen die Hand gibt, sie diese küssen und er ihnen mit seinem Finger ein Kreuz auf die Stirn malt. Er macht das, was ein Papst so macht: Er tröstet die Notleidenden, besucht die Ausgestoßenen, redet den anderen Mächtigen ins Gewissen. Nicht wenige rührt er zu Tränen. In einer Rede vor dem US-Kongress erntet er Standing Ovations für die Forderung, den Waffenhandel zu stoppen.

Filmplakat
Filmplakat

Zwischendurch darf der Pontifex Maximus im persönlichen Interview seine Gedanken über die Welt darlegen, oft in blumigen Vergleichen. Immer wieder prangert er die weltweite Ungleichheit, Ausgrenzung und die Umweltzerstörung durch die Wegwerfgesellschaft an. "Wir sollten überlegen, ob wir nicht alle ein bisschen ärmer werden könnten", sagt der Kapitalismuskritiker, der selbst dem erfolgreichsten Konzern der Geschichte vorsteht. Auch andere erstaunliche Dinge sagt er, dass man Frauen integrieren müsse, man nicht auskomme ohne ihren Rat und ihre Führung (wo sind dann die Priesterinnen?, fragt man sich unwillkürlich). Oder dass man nie die Haltung einnehmen dürfe, bekehren zu wollen. Interessant. Auf die Frage, warum Unschuldige leiden müssen, gibt er die üblichen Antworten: "Sehen Sie das Kind Gottes an, das da am Kreuz hängt." Außerdem respektiere Gott die Freiheit des Menschen.

Migration und Überbevölkerung werden thematisiert, ohne den Beitrag der Kirche durch ihr Verhütungsverbot zu erwähnen. Der legendäre Satz Bergoglios, gute Katholiken müssten sich nicht wie die Karnickel vermehren, kommt im Film nicht vor. Man sieht den Bischof von Rom im Gedenken an die Opfer im Ground Zero, "dem Symbol gegen religiösen Fanatismus", "vereint mit anderen Gottesmenschen". Auch darüber hinaus wird sein Bemühen um interreligiösen Dialog gezeigt. Schließlich seien alle Menschen Brüder und letztlich Kinder Abrahams, das könne niemand bestreiten. Die Liebe Gottes sei das Band, das alle Menschen verbinde. Dass es eine Perspektive jenseits von Religion geben kann, kommt in diesem Zusammenhang nur so vor: Selbst wenn jemand Atheist sei, liebe ihn Gott. Was hätte sein Stellvertreter auch sonst sagen sollen.

Papst Franziskus ist zweifellos eine charismatische Persönlichkeit. Er verkörpert den gütig lächelnden, alles verzeihenden Christen perfekt. Ihm würde man durchaus zutrauen, dass er tatsächlich auch die andere Wange hinhält. Eine humorvolle Bemerkung zwischendurch rundet die sympathische Ausstrahlung ab. Diesem Charme ist der Regisseur offensichtlich erlegen. Der Film vermittelt dem Zuschauer, dass nur dieser alte Mann in seinen weißen Kleidern mit seinem Docht-Hütchen die Welt retten kann. Der Heiland, der alle Menschen dazu bringt, sich zu lieben und alles miteinander zu teilen. Mehr als die meisten seiner Vorgänger habe Franziskus seine Kirche vorangebracht, konstatiert ihm Sprecher Wim Wenders.

"Ein Mann seines Wortes" ist der Untertitel der Dokumentation, was durchaus gut passt: denn außer blumigen Worten kommt wenig vom Oberhirten. Er gibt sich als völlig machtloser Mensch, der allen nur gut zureden kann. Aber er, der ja nebenbei auch der Herrscher eines märchenhaft reichen absolutistischen Staates ist, könnte ja seinen Sonntagsreden vom Paradies auch konkrete Taten folgen lassen: Wo sind die zahlreichen Immobilien der Kirche, die den Armen und Geflüchteten kostenlos zur Verfügung gestellt werden? Wo sind die öffentlichen Bekanntgaben, dass der Vatikan selbst aus jenen Geschäften aussteigt, die die "Schöpfung" zerstören? Wo sind die Rückzahlungen an die Menschen auf Franziskus’ Heimatkontinent, die immer noch unter den Folgen des von der Kirche unterstützten Kolonialismus leiden? Außer kleinen Symboltaten hat der Mann aus Rom da nicht viel vorzuweisen.

Ja, er kritisiert seine eigene Kurie, sie sei krank. Eitelkeit, Raffgier, sich für unentbehrlich zu halten und eine Trauermiene attestiert ihr Bergoglio unter anderem. In einer Kirche, die ihre Hoffnung darauf setze, reich zu sein, sei Jesus nicht zu Hause. Aber worin äußert sich der konkrete Wille zur Veränderung dieses Zustands, außer darin, dass der Papst selbst im bescheidenen Gästehaus lebt und sich in einem kleinen Auto kutschieren lässt? Eine neutrale oder gar kritische Auseinandersetzung ist dieser Film nicht. Er zeugt von der eigenen Überzeugung des Regisseurs, dass die christliche Botschaft und speziell ihre Umsetzung durch Franz von Assisi die Welt zum Positiven verändern kann. Welche Katastrophen das Christentum auch schon hervorgebracht hat, wird ausgeblendet.