In der aktuellen Ausgabe der Deutschen Hebammenzeitschrift geht es im Titelthema unter anderem um die medizinisch nicht indizierte Beschneidung von männlichen Neugeborenen. Außerdem gibt es ein Interview zur Diskussion um Paragraph 219a: Das Werbungsverbot für Schwangerschaftsabbrüche.
Die aktuelle Januarausgabe der Deutschen Hebammenzeitschrift setzt sich mit vielen Facetten des Titelthemas "Recht auf körperliche Unversehrtheit" auseinander. In einem Artikel zum Thema Beschneidung informiert der Kinderarzt Dr. Stephan H. Nolte über die Funktionen der Vorhaut, die Seltenheit tatsächlicher medizinischer Indikationen für Vorhautamputationen sowie die von Gewalt und Sexualfeindlichkeit geprägte ältere und neuere Geschichte der Vorhautamputation an Jungen. Kritisch setzt er sich mit der Problematik des Paragraphen 1631d BGB auseinander, jenes Paragraphen, der die Vorhautbeschneidung aus religiösen Gründen ermöglicht. Dabei kommen auch Vereine zu Wort, die sich dagegen einsetzen: intaktiv e. V. – Eine Stimme für genitale Selbstbestimmung und MOGiS e. V. – Eine Stimme für Betroffene.
Ebenfalls thematisiert werden die Rechte intergeschlechtlicher Menschen: Tinou Ponzer, Vize-Obmensch des Vereins Intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) berichtet darüber, dass etwa 1,7 Prozent der Menschen intergeschlechtlich – das heißt mit Geschlechtsmerkmalen, die weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zugeordnet werden können – geboren werden. Der*die Autor*in klärt über die Rechte dieser Menschen und den Nachholbedarf an entpathologisierendem Wissen bei Medizinern und medizinischem Personal auf. Als besonders wesentlich wird dabei der Schutz vor fremdbestimmten Geschlechtszuweisungen und unnötigen operativen Eingriffen und Amputationen an den Genitalien der betroffenen Menschen hervorgehoben.
Die Frauenärztin Nora Szász, die sich vor Gericht wegen Paragraph 219a StGB – das Werbungsverbot für Schwangerschaftsabbrüche – verantworten muss, weil sie Patientinnen auf ihrer Internetseite informiert, diese durchzuführen, appelliert in einem Interview, den Frauen zu vertrauen. Sie fragt, ob das Gesetz anno 1933 Frauen nicht das freie Informationsrecht abspreche, um auf dieser Grundlage eine Entscheidung treffen zu können.
Einen Überblick über die Inhalte des Hefts und eine Leseprobe gibt es hier.
11 Kommentare
Kommentare
Klaus Bernd am Permanenter Link
Es ist wichtiger denn je, dass sich zum Thema Beschneidung kompetente Stimmen zu Wort melden; wird doch die Kritik an der Beschneidung von den höchsten Stellen der r.k.K.
Mit Kritik an der Beschneidung stellt man sich aber nicht gegen „die Juden“, sondern man stellt sich auf die Seite der human und fortschrittlich denkenden Juden, die – wie die Urchristen – die physische Verstümmelung durch einen symbolischen Akt ersetzen wollen. Dagegen stellt sich die katholische Kirche ibs. in Person von Reinhard Kardinal Marx auf die Seite der verknöcherten Traditionalisten, die nur wollen, dass alles so bleibt wie es ist.
Dabei ist die theologische Begründung einfach nur absurd. Der gerade erst von Gott – mit Vorhaut - geschaffene Mensch soll gleich mal vom Menschen verstümmelt werden, um einen Bund mit eben diesem Schöpfer zu schließen ? Betrachtet man das noch dazu vor dem Hintergrund, dass diese Kleriker stets das Lob Gottes als weisen Schöpfer im Munde führen ! Wissenschaftlern und Medizinern bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit vorwerfen, sie wollten Gott spielen, wenn sie menschliche Leiden lindern wollen ! Es kann einen angesichts des Einflusses dieser verqueren Denke schon die Verzweiflung übermannen.
A.S. am Permanenter Link
@ Klaus Bernd: Haben Sie schon mal in Erwägung gezogen, dass wir Säkulare einer interkonfessionellen Allianz machtgeiler Kleriker gegenüber stehen könnten, die aus der Freiheit zur Religion ein "Supermenschenrech
Hans Trutnau am Permanenter Link
Nein, anders herum:
Michael am Permanenter Link
Das "Fest der Beschneidung des Herrn" gibt es immer noch. Es ist der 1.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Weiter so!
Für mich gibt es noch viel zu viele Zeitschriften, die z.B. Verspätungen bei der Bahn anprangern, aber Menschen einen lebenslangen Verlust zuzufügen wird irgendwie achselzuckend hingenommen.
Welcher Informationen bedarf es noch, den unsinnigen 1631d BGB SOFORT aufzuheben? Es ist alles bekannt, alles gesagt. Dass die Vertreter der Kirchenrepublik nicht von selbst ihren Arsch im Interesse der Kinder hochkriegen, ist ja irgendwie zu erwarten. Bei den Kirchen wird trotz fortgesetzter und nicht aufgearbeiteter Missbräuche auch nicht aufgeräumt. Von wegen Wächteramt...
Also müssen sich die Bürger rühren: Austreten, anders wählen, protestieren, Petitionen unterschreiben, Bundestagsabgeordnete anschreiben, Leserbriefe etc. Und die mutigen (?) Journalisten sollten endlich dieses Thema auf die Tagesordnung setzen - bis Kinder in diesem Land vor willkürlicher Genitalverstümmelung geschützt sind. Das kann doch nicht so schwer sein...!
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Das Wort zum Freitag – Das Recht auf unversehrte Genitalien
https://www.pastafari.eu/2019/01/4650/
Hans Trutnau am Permanenter Link
Sehr schön geschrieben, Rüdiger!
Lesens- und verbreitenswert.
Andrea Pirstinger am Permanenter Link
Und ich wünsche mir und allen, daß ihr endlich dieses unsägliche Wort "Beschneidung" in diesem Kontext in die Mülltonne verbannt und statt dessen ausschließlich das zutreffende Wort GENITALVERSTÜMMELUNG nutz
Werter Bernd Kammermeier:
ich weiß, daß du in der Vergangenheit auch öfter "Beschneidung" geschrieben hast.
Daß du jetzt hier das einzig zutreffende Wort in deutscher Sprache nutzt ist PRIMA.
Bleib' bitte dabei.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Liebe Andrea,
das mit den Begriffen ist so ein Sache. Ich habe mit Betroffenen gesprochen, die waren über den Begriff "Genitalverstümmelung" gar nicht glücklich, weil sie sich dann "verstümmelt" fühlen. "Vorhautamputation" war so ein eine Notlösung.
Dabei ist und bleibt es eine Genitalverstümmelung, da sind wir uns völlig einig. Ich denke, man sollte das nach Gefühl so oder so schreiben - wichtig ist klarzumachen, dass es sich um einen barbarischen Akt handelt, den Eltern wissentlich an ihren Kindern verüben/beauftragen. Wir dürfen Kinder nicht mehr körperlich züchtigen - warum sollten wir ihnen dann einen Teil ihres Genitals abschneiden dürfen? Vor allem, da letzteres lebenslange Folgen nach sich zieht...
Peggy Seehafer am Permanenter Link
Die betroffenen Männer wie Frauen fühlen sich durch den Begriff Verstümmelung stigmatisiert, was zu einer erneuten Traumatisierung führt.
Sven F am Permanenter Link
Hut ab vor der Hebammen-Zeitschrift!
Sonst tut die sich ja eher als Sprachrohr der Homöopathie hervor...