Indonesien startet Ketzerei-App

Indonesische Strafverfolgungsbehörden haben eine App veröffentlicht, die es nun jedem Handybesitzer ermöglichen soll, "fehlgeleitete" religiöse Aktivitäten mit wenigen Klicks den Strafverfolgungsbehörden zu melden. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die App.

Im mehrheitlich islamischen Indonesien gibt es sechs offiziell anerkannte religiöse Lehren: Islam, Protestantismus, Katholizismus, Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus. Die Förderung von oder Werbung für andere Religionen oder Glaubenssysteme ist verboten. Das gilt auch für den Atheismus.

Obwohl das indonesische Verfassungsgericht nach Klagen von Angehörigen einiger indigener Religionen im vergangenen Jahr geurteilt hatte, dass auch Angehörigen von religiösen Lehren außerhalb des Kanons der in Indonesien offiziell anerkannten Religionen Rechte zustünden, hat sich bislang wenig geändert.

Beispielbild
Screenshot der Smart Pakem App im Google Play Store.

Mit der App "Smart Pakem", die laut Nachrichtenagentur Reuters Ende November von den Strafverfolgungsbehörden der indonesischen Landeshauptstadt Jakarta veröffentlicht wurde, erfährt die Verfolgung nicht genehmer Glaubensrichtungen nun sogar eine weitere Verschärfung. Mit Hilfe dieser App ist es jetzt jedem Handybesitzer möglich, sogenannte "fehlgeleitete" religiöse Aktivitäten mit wenigen Klicks den Strafverfolgungsbehörden zu melden. Eine Liste vermeintlich verdächtiger religiöser Gruppierungen steht zur Auswahl. Hierunter fallen auch islamische Gruppierungen, deren Lehren von der höchsten islamischen Behörde des Landes als abweichlerisch betrachtet und die deshalb als Sekten eingestuft werden.

Die Einführung der App hat im In- und Ausland für Kritik gesorgt. Amiruddin Al-Rahab von der nationalen Menschenrechtskommission Indonesiens befürchtet, dass die App gefährliche Folgen haben und zu sozialer Ausgrenzung führen wird. "Wenn Nachbarn sich gegenseitig bei den Behörden anzeigen, wird es problematisch", sagte Al-Rahab laut der britischen Zeitung Independent.

Einen Schritt weiter ging die britische National Secular Society (NSS). NSS-Geschäftsführer Stephen Evans wandte sich mit einem Brief an den Vize-Präsidenten von Google Südostasien, Rajan Anandan, und forderte das Unternehmen auf, zu überdenken, ob es diese App tatsächlich im Google App Store anbieten wolle. Diese App, so Evans, beschneide die Meinungsfreiheit und sei unvereinbar mit der von Google erklärten Unternehmensphilosophie. Sehr wahrscheinlich werde die App dafür sorgen, so Evans weiter, dass in Indonesien mehr Menschen nach der dortigen Blasphemie-Gesetzgebung verfolgt und verurteilt würden. Laut Human Rights Watch wurden in Indonesien von 2004 bis 2014 125 Menschen wegen Blasphemie verurteilt, seit 2014 waren es weitere 23.