Bonobo Bili im Zoo Wuppertal übel zugerichtet

Vom Leiden eines kleinen Affen

Einen Image-Supergau erlebte Ende Januar 2019 der Wuppertaler Zoo: Bilder von einem blutenden und offenkundig schwer traumatisierten Bonobo machten im Netz die Runde. Der 10-jährige Bili war wenige Wochen zuvor vom Frankfurter Zoo zu "Zuchtzwecken" nach Wuppertal verschubt worden. Wissend um die Probleme, die solcher Transfer in aller Regel mit sich bringt, wurde Bili übergangslos in die Wuppertaler Bonobogruppe gesteckt, die ihrerseits in einem viel zu beengten Betonbunker zusammengesperrt ist. Bili wurde von den anderen Bonobos heftig attackiert, letztlich wurde ihm ein halbes Ohr abgebissen.

Es erhob sich ungeahnter Protest gegen die Verantwortlichen des Zoos. Zigtausende von mails überfluteten die Mailboxen nicht nur des Zoos, sondern auch der Stadtverwaltung und des zuständigen Veterinäramtes. Eine Online-Petition, Bili in ein Primatenrefugium nach Südengland zu verbringen, zeitigte in kürzester Zeit mehr als 65.000 Unterschriften: das Wales Ape & Monkey Sanctuary (WAMS), spezialisiert auf die Rehabilitation beschlagnahmter oder abgegebener Affen aus Zirkussen, Zoos, Pharmalaboren oder privater Haltung, hatte sich anerboten, Bili sofort aufzunehmen. (Auch wenn im WAMS keine weiteren Bonobos leben, müsste Bili dort keineswegs isoliert gehalten werden: es wäre eine Vergesellschaftung mit anderen Menschenaffen, ehemaligen Zirkus- oder Laborschimpansen etwa, denkbar.)

Sämtliche Medien des Landes, von BILD und Kölner Express über Berliner Kurier, Rheinische Post und Focus hin zu Mittel-, West- und Süddeutscher Zeitung, schrieben über den Fall. Selbst im Ausland wurde darüber gesprochen, Zeitungen in England, Frankreich, Italien, Tschechien, Österreich oder der Schweiz berichteten großaufgemacht über die Leiden des kleinen Affen: eine in dieser Form noch nie dagewesene Welle des Protestes überrollte den Wuppertaler Zoo.

Irreführende Stellungnahme

In einer ersten Stellungnahme behauptete der Zoo, Bonobo Bili habe in seiner Herkunftsgruppe im Frankfurter Zoo "aus genetischen Gründen nach dem Erreichen der Geschlechtsreife leider nicht länger bleiben" können. Er sei insofern "auf Empfehlung der Spezialistengruppe der Europäischen Zoogemeinschaft und des Europäischen Erhaltungszuchtprogrammes" Ende 2018 in den Wuppertaler Zoo verbracht worden "mit dem Ziel, ihn in die hier existierende Gruppe zu integrieren".

Die Stellungnahme des Zoos war indes grob irreführend: Bili musste nicht "aus genetischen Gründen" aus seiner Frankfurter Bezugsgruppe herausgenommen werden: Er kam, gebürtig im britischen Twycross Zoo – seine Mutter hatte ihn nicht angenommen –, im Alter von drei Monaten in den Zoo Frankfurt, wo er mit Hilfe einer Ammenmütter aufgezogen und erfolgreich in die dortige Gruppe integriert wurde, in der er die folgenden 10 Jahre anstandslos lebte. Er kam also von einer völlig fremden Blutlinie, zudem hätte man ihn problemfrei, temporär zumindest, sterilisieren können, wenn er nicht ins Frankfurter "Zuchtprogramm" gepasst hätte. Tatsächlich aber wurde Bili aus der Frankfurter Gruppe herausgenommen, weil man in Wuppertal ein neues "Zuchtmännchen" haben wollte. Deshalb und nur deshalb wurde er dorthin verschubt, unter Inkaufnahme all der Risiken, die das für ihn bedeutete: Einen erwachsenen Bonobomann einfach in eine gemischtgeschlechtliche andere Gruppe zu stecken, ist bekanntlich mit großen Problemen behaftet, deren sich der Zoo Wuppertal ganz offenbar nicht bewusst war; oder die er billigend – und zum Nachteil Bilis – in Kauf nahm. In späteren Stellungnahmen des Zoos wurden die angeblich "genetischen Gründe" für die Herausnahme Bilis aus seiner Frankfurter Gruppe nicht mehr angeführt.

Die Proteste ebbten nicht ab. Das zuständige Veterinäramt wurde aufgefordert, im Rahmen seiner gesetzlichen Beschützergarantenstellung umgehend zu intervenieren, um Leib und Leben des Tieres zu schützen. Zudem wurden Strafanzeigen gegen den Zoo, die Stadt (als Trägerin des Zoos) und das Veterinäramt wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz erstattet. Die Zahl der Unterzeichner der online-Petition bewegte sich auf 150.000 zu. Am 27. Januar 2019 organisierten Tierfreunde vor Ort eine eigene Mahnwache vor dem Zoo, über die in verschiedenen Radio- und TV-Sendungen ausführlich berichtet wurde (unter anderem Brisant, SternTV, hr-Fernsehen, n-tv).

Normale Rangordnungskämpfe?

Letztlich sah der Zoo sich zu einer Pressekonferenz gezwungen, auf der Direktor Dr. Arne Lawrenz betonte, die nicht abstreitbaren Verletzungen Bilis seien Ausdruck ganz normaler und natürlicher Rangordnungskämpfe. Es sei mit solchen Anpassungsschwierigkeiten zu rechnen gewesen, Bilis Eingewöhnung verlaufe insofern genauso wie erwartet. Im Übrigen sehe er "Anzeichen dafür, dass sich Bilis Stellung in der Gruppe verbessert". Zudem wiederholte Lawrenz, was er von Anfang an gesagt hatte: Bili bleibe unter allen Umständen in Wuppertal, er, Lawrenz, wolle ihn eher euthanasieren (=töten), als ihn in das Waliser Primatenrefugium abzugeben.

Foto: © Archiv GAP
Foto: © Archiv GAP

Kurz nach der Pressekonferenz wurde jener Teil des Wuppertaler Menschenaffenhauses, in dem die Bonobos untergebracht sind, für Besucher gesperrt. Niemand sollte die zwangsweise "Integration" Bilis in die Bonobogruppe mehr von außen beobachten können, so dass keine "unschönen" Bilder mehr in die Öffentlichkeit gelangen würden. Die Einrichtung einer Webcam lehnte der Zoo ab. Zugleich begannen selbsternannte Zoolobbyisten auf Facebook- und Instagram, das Engagement der sich um Bilis sorgenden Tierfreunde systematisch zu diffamieren: Da war die Rede von "Hass, Hetze, Beleidigungen und Drohungen gegen den Zoo Wuppertal" (prozoo) oder vom Verbreiten von "Fake-News" und "Lügen", die den Sachverhalt vorsätzlich falsch bzw. heillos übertrieben darstellten. Die Fotos des übel zugerichteten Bonobo seien von Tierrechtlern manipuliert worden, damit die Medien darauf ansprängen. Der Zoo Wuppertal habe nichts falsch gemacht und habe sich keinerlei Vorwürfe gefallen zu lassen (zoos.media). Auch Zoodirektor Lawrenz sprach von Bedrohungen, gar Morddrohungen, denen er ausgesetzt sei, wobei er sich als Beleg auf diesen Facebookeintrag einer erbosten Tierfreundin bezog: "Sperrt doch den asozialen Zoodirektor mit in diesen Käfig, dass die Affen an dem Richtigen ihre Wut auslassen!"

Foto: © Archiv GAP
Foto: © Archiv GAP

Am 3. Februar fand eine weitere Mahnwache vor dem Zoo statt (der am Sonntag, dem 10. Februar eine nächste folgen soll). Die Zahl der Unterzeichner der Online-Petition überschritt mittlerweile die 250.000er-Grenze.

Eskalierende Übergriffe

Obgleich der Zugang zu dem Wuppertaler Bonobo-Gehege für Besucher gesperrt wurde, entstanden am 6. Februar 2019 neue und noch weitaus erschreckendere Bilder (Hinweis der Redaktion: Das bei Facebook veröffentlichte Video zeigt explizite Gewaltszenen!) als sie zwei Wochen davor durch die Medien gegangen waren: Bonobo Bili wurde erneut von der eingesessenen Bonobo-Gruppe heftigst attackiert, dem Vernehmen nach verlor er dabei einen Finger (bzw. einen Zeh) und wurde auch im Genitalbereich schwer verletzt.

Und wieder wusste der Wuppertaler Zoo nichts anderes zu vermelden, als dass "in der vergangenen Woche zahlreiche positive Sozialkontakte zwischen Bili und anderen Gruppenmitgliedern beobachtet werden" konnten. Daneben seien jedoch auch immer wieder die "arttypischen innerartlichen Aggressionen" aufgetreten, die sich vor allem gegen Bili richteten. An der Einschätzung des Zoos habe sich auch nach der neuerlichen Attacke nichts geändert: "Die Bemühungen zur Integration von Bili werden in Verbindung mit Maßnahmen, die eine Abschwächung der Aggressionen zum Ziel haben, weiter fortgesetzt." Koste es, was es wolle.

Ahnungslos oder wider besseres Wissen?

Foto: © Archiv GAP
Foto: © Archiv GAP

Seit der unverantwortlichen Herausnahme aus seiner Bezugsgruppe im Zoo Frankfurt, in die der 10 Jahre alte Bonobo völlig problemfrei integriert war, und dem Transfer nach Wuppertal, ist Bili massivem Mobbing seitens der anderen Wuppertaler Bonobos ausgesetzt, das zu erheblichen Verletzungen des Tieren geführt hat. Das Mobbing stellt keineswegs, wie der Zoo Wuppertal – ahnungslos oder wider besseres Wissen – behauptet, "gänzlich normale und natürliche Rangordnungskämpfe oder Anpassungsschwierigkeiten" dar, vielmehr handelt es sich dabei um ein rein zoospezifisches Problem: Es tritt in dieser Form nur in Zoos, sprich: bei auf engstem Raum zusammengesperrten Bonobos auf, im Freiland, wo die Tiere einander ausweichen können, wurde dergleichen noch nie beobachtet. Ganz im Gegenteil verfügen Bonobos im Freiland über artspezifische Beschwichtigungs- und Konfliktlösungsmöglichkeiten (i.e. sexuelle Interaktionen), die ihnen in Gefangenschaftshaltung weitgehend verloren gehen. Deshalb kann es in Zoos zu derart eskalierenden Gewaltübergriffen kommen.

Bili müsste zu seinem Schutz sofort aus der Wuppertaler Gruppe herausgenommen werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dort "integriert" werden kann, wird immer geringer, hingegen steigt das Risiko, dass er in der dortigen Gruppe zu Tode kommt.