Schweiz: Massiv mehr Kirchenaustritte

Laut Bericht des öffentlich-rechtlichen schweizerischen Senders SRF erlebt die römisch-katholische Kirche der Schweiz derzeit so viele Kirchenaustritte wie nie zuvor – wegen des Missbrauchsskandals aber auch wegen einer allgemeinen Entfremdung von der Institution Kirche.

Alarmierend sei zum Beispiel die Anzahl der Kirchenaustritte im Kanton Aargau, berichtet der Sender SRF. Ein Drittel mehr Menschen seien dort 2018 aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten als noch im Jahr zuvor. SRF beruft sich in seinem Bericht auf die Kirchenaustrittszahlen, die derzeit von den Kantonalkirchen bekanntgegeben werden.

"Die Missbrauchsfälle könnten der berühmte Tropfen sein, der das Fass zum Überschwappen bringt", so die Erklärung von Theologin und SRF-Religionsredakteurin Judith Wipfler für die erhöhten Austrittszahlen. "Die Priesterskandale und ihre mediale Präsenz geben denjenigen, die ohnehin nichts mehr mit Kirche anfangen können, eine moralisch gute Begründung für den Austritt. Viele wollen nicht mehr zu 'diesem Verein' gehören – selbst wenn der konkrete Ortsverein, die Pfarrei im eigenen Dorf, skandalfrei ist."

Hauptgrund für die Austritte ist nach Theologin Wipfler jedoch die voranschreitende Säkularisierung und dass Traditionen nicht mehr verbindlich weitergegeben werden. So sei die Institution Kirche zunehmend überaltert und sterbe "im wahrsten Wortsinn" aus.

Neu sei allerdings das Phänomen, dass auch Kirchenmitglieder aus Italien und Portugal aus der katholischen Kirche in der Schweiz austreten, so Wipfler. Bisher hätten Einwanderer aus streng katholischen Regionen die Erosion der Mitgliedszahlen der katholischen Kirche in der Schweiz verlangsamt. Doch offenbar entfremde sich durch Kirchenskandale in Südeuropa nun auch diese einst so treue Gruppe von der Kirche.

Die Kirchenaustrittszahlen sind während der vergangenen Jahre in der Schweiz nicht nur bei der römisch-katholischen Kirche gestiegen. Auch die evangelisch-reformierten Gemeinden verlieren seit Jahren zunehmend Mitglieder.

Der Kirchenaustrittstrend in der Schweiz weist somit in dieselbe Richtung wie jener in Österreich und Deutschland. In Österreich verzeichnete die römisch-katholische Kirche 2018 ein Austrittsplus von 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr und auch in Deutschland zeichnet sich ein massiver Anstieg der Austritte ab. Obwohl die offiziellen Kirchenaustrittszahlen des Vorjahres in Deutschland erst im Sommer bekanntgegeben werden, haben dies Stichproben diverser Medien ergeben. Laut Kölner Stadt-Anzeiger traten 2018 beispielsweise in Nordrhein-Westfalen rund 22 Prozent mehr Menschen aus der evangelischen und römisch-katholischen Kirche aus als im Jahr zuvor.