Christenverfolgung

Eingerichtet in der Opferrolle

Was treibt Menschen an, sich immer als Opfer zu sehen? Jüngst beklagte Volker Kauder (CDU) wieder einmal eine zunehmende Christenverfolgung in Asien. Und Bischof Michael Bünker schlug in die gleiche Kerbe. Beide irren.

Der BILD-Zeitung sagte Kauder am Wochenende: "Die Ereignisse in Sri Lanka sind bestürzend. Sie sind leider kein Einzelfall. Ich sehe mit großer Besorgnis die wachsende Christenverfolgung im gesamten asiatischen Raum." Nach Angaben von evangelisch.de habe er deshalb "der indischen Botschafterin in Deutschland geschrieben und darauf hingewiesen, dass es nicht hinnehmbar sei, wie sich radikale Hindu-Nationalisten gegen Christen wenden."

Zugegeben: Religiöse Intoleranz ist weltweit ein Problem. Nicht nur in Indien und nicht nur von Muslimen (wie in Sri Lanka) oder Hindus (wie von Kauder angesprochen) ausgehend. Die Gewalt richtet sich jedoch nicht allein gegen Christen – wie Kauder es gern sehen würde – sondern gegen alle Andersgläubige. Nur in Einem sind sich die verschiedenen Religiösen einig: In ihrem Eifer gegen Ungläubige. Hier wird gern auch mal mit Mord und Totschlag gedroht – und nicht nur das. Doch diese Opfer interessieren Kauder wenig. Es würde seiner Weltsicht widersprechen. Für den Christen sind nur Christen wichtig.

Auch der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche, Michael Bünker, wies laut ORF darauf hin, dass Christen die weltweit am meisten verfolgte Religionsgruppe sind und immer wieder unter Gewalt und Verfolgung leiden müssen. Wie gut muss Verdrängung funktionieren, um all das Leid, das christliche Missionare weltweit verbreiteten, zu vergessen?

Bereits im Jahr 2010 wies Michael Schmidt-Salomon darauf hin, dass Religionen immer zwischen "In-Group" und "Out-Group" unterscheiden; ja, dass das den Kern von Religionen ausmacht. Und während die eigene Gruppe verherrlicht wird, wird die andere dämonisiert. So fangen – laut Canetti – Kriege an.

Nun soll hier weder Herrn Kauder noch Bischof Banker unterstellt werden, dass sie Krieg forcieren wollen. Doch mögen die Herren sich doch bitte etwas mit dem Begriff "Christenverfolgung" zurückhalten. Ulrich Pick schrieb für die tagsschau: "Ich würde von 'Christenverfolgung' nur sprechen, wenn Christen wirklich um Leib und Leben fürchten müssen." Und das war – soweit bekannt – nicht das alleinige Ziel der Terroristen von Sri Lanka. Ihnen ging es um das Töten einer großen Anzahl von Menschen. Und so wurden neben drei Kirchen auch drei Hotels und ein Privathaus angegriffen. Unter den mehr als 250 Opfern und den rund 400 durch die Anschläge Verletzten waren Christen; aber eben auch Muslime, Buddhisten, Hindus und vermutlich auch Anders- und Ungläubige. Doch die scheinen Kauder und Banker gleichgültig zu lassen.