Kommentar

Nehmt die Finger aus den Ohren!

Der Deutsche Wetterdienst warnt vor einem weiteren Dürresommer und bereits jetzt herrscht – nach einem extrem trockenen Winter – in einigen Gebieten Deutschlands höchste Waldbrandgefahr. Doch viele Menschen wollen diese Hinweise auf den beginnenden Klimawandel nicht wahrhaben. Ein Kommentar von Jan Hegenberg.

Die Reaktionen auf die Meldung des Deutschen Wetterdienstes, dass eine ähnliche Dürre wie letztes Jahr im Jahr 2019 noch mal verheerender wäre, sind schon bizarr. Dutzende Hobby-Meteorologen tummeln sich in den Kommentaren und erklären warum nicht sein kann, was in ihren Augen nicht sein darf. Es habe früher schon Dürren gegeben und man könne das gar nicht genau sagen und in anderen Ländern sei es auch heiß.

Manche Leute akzeptieren die Gefahr durch eine globale Erwärmung wohl erst, wenn das Kilo Kartoffeln 20 Euro kostet. Es erinnert ein bisschen ans Zaubereiministerium, das die Wiederauferstehung von Lord Voldemort mit angestrengtem Ignorieren zu lösen versuchte.

Dabei sind das ganz nüchterne Feststellungen: Eine ähnliche Dürre wie letztes Jahr würde uns härter treffen, weil die Bodentrockenheit in vielen Regionen heute schon höher ist als im April 2018. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Bodenfeuchte jetzt schon geringer als im Juli 2018, und der Sommer hat nicht mal angefangen, in mehreren Bundesländern gilt die höchste Gefahrenstufe für Waldbrände.

Dennoch erzählen diverse alte Männer mir jetzt, das sei alles kein Problem. Es werden rührselige Geschichten erzählt von den Sommern ihrer Kindheit und wie toll das war und dass damals niemand das schöne Wetter mit Panikmache zerstört hätte. Meist sind es dieselben, die Klimaproteste, Greta Thunberg und generell die jüngere Generation für verwöhnte Idioten halten und denken, ihr bloßes Überleben bis ins Jahr 2019 räumte ihnen irgendeine besondere Kompetenz ein.

Dabei leiden sie offenbar an dramatischem Gedächtnisschwund: Durch die Dürre 2018 wurden die Kartoffeln teurer, das Benzin wurde teurer, der Strom wurde teurer durch runtergeregelte Kraftwerke. Die Wälder sind an vielen Stellen beschädigt, riesige Fichtenbestände sind verloren gegangen. Es fehlen 30 Millionen Tonnen Weizen weltweit. Wie fest muss man den Aluhut in die Stirn ziehen, um das alles ignorieren zu können?

Die Greta Thunbergs dieser Welt sind verwöhnt? Nein, wir sind verwöhnt. Wir, die Generation vor den heutigen Schülern und unsere Eltern. Aufgewachsen im Wirtschaftswunder und dessen Folgejahren. Nie Hunger gelitten, jedes Jahr auf Mallorca, jeden Tag ein Schnitzel, Lebensmotto: The sky is the limit. Ihr wollt irgendwas? Na, dann kauft es doch, irgendwer auf dieser Welt stellt es schon für euch her. Kauft davon, so viel ihr wollt, benutzt es, schmeißt es wieder weg und kauft es noch mal.

Meine Generation und die meiner Eltern ist so gefangen in diesem Denken, dass die Prioritäten komplett verzerrt sind. Wo unser Essen herkommt? Na, aus dem Supermarkt! Wie die Bauern in Brandenburg was aus den vertrockneten Äckern holen sollen? Egal, importieren wir halt was von irgendwo. Im Jahr 2040 wird voraussichtlich die Höchstmenge an Phosphor gefördert werden, ein essentieller Bestandteil von Kunstdünger, ohne den unsere heutige industrielle Landwirtschaft nicht so effektiv funktionieren kann, aber wir können uns gar nicht vorstellen, dass die Nahrung mal knapp werden könnte, weil der Kühlschrank immer voll war.

Sieht jetzt düster aus, aber der Punkt ist: Wir können das noch aufhalten. Es gibt die Technologie und es gibt die Konzepte, es kostet nur Geld und Zeit. Unser Geld, das wir entweder jetzt aufbringen müssen oder das Geld unserer Kinder, mit dem sie CO2 aus der Atmosphäre werden filtern müssen. Aber ist das nicht blöd, jetzt so viel Geld auszugeben? Wir könnten doch auch goldene Uhren damit kaufen und dicke Autos und die tollen bunten Sachen aus der Werbung, wir sind doch längst tot, wenn es so richtig furchtbar wird.

Oder wir benehmen uns endlich wie verantwortungsbewusste Menschen und akzeptieren ein Mindestmaß an Einschränkungen für uns, damit die viel schlimmeren Einschränkungen für die Generationen nach uns nicht ganz so hart ausfallen.

Ein erster Schritt dazu wäre, die Existenz entsetzlicher Dürren anzuerkennen und die Finger aus den Ohren zu nehmen.

PS: Ja, man kann nicht mit Sicherheit sagen, ob die Dürre des letzten Jahres vom Klimawandel ausgelöst wurde, aber die aktuellen Modelle zeigen eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit für Phänomene wie Dürren in Europa, Starkregen in Kuwait oder extreme Kältewellen in den USA, so dass man davon ausgehen muss, dass ein Teil dieser tatsächlich stattgefundenen Phänomene aus der Erwärmung resultiert.

Der Text erschien am 24.04. im Facebook-Blog "Der Graslutscher". Übernahme mit freundlicher Genehmigung des Autors.