Skeptiker 2-2019 erschienen

Die neue Ausgabe der Zeitschrift Skeptiker diskutiert die Debatte um die Gesundheitsgefahr von Feinstaub und Dieselabgasen und geht der Frage nach, wie wirksam Antidepressiva sind. Außerdem berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter von klagemauer.tv über die Ideologien und Absichten des "alternativen Medienportals".

Es kam wie ein Paukenschlag: Anfang des Jahres stellte der Pneumologe Prof. Dr. Dieter Köhler in einem Positionspapier die EU-Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide in Frage. Daraufhin entspann sich eine hitzige Debatte, in der auch vor persönlichen Angriffen nicht zurückgeschreckt wurde. Dabei ist eine differenzierte Betrachtung durchaus aufschlussreich. So bestätigen Studien zwar die Gefährlichkeit von Feinstaub in der Atmosphäre, bei Stickstoffdioxid jedoch zeigt sich eine weniger klare Datenlage und die Effekte sind um Größenordnungen geringer. Gleich zwei Beiträge im aktuellen Skeptiker beschäftigen sich mit der Debatte. So fasst der Physiker Dr. Philippe Leick die Diskussion zusammen und unternimmt im Interview mit Dieter Köhler einen Versuch, die Argumente von dessen Kritikern einzuordnen.

Cover

Auf den ersten Blick mag es vielleicht verwundern, das Thema an prominenter Stelle in dieser Zeitschrift zu finden. Bei näherer Betrachtung erweist sich dies als ebenso konsequent wie wegweisend. Skeptisches Denken ist unabdingbar für eine konstruktive, kritische Diskussion zu umstrittenen Sachthemen, vor allem zu so bedeutenden Problemen wie es die Luftverschmutzung in den Städten darstellt. Denn der komplexe Charakter der Situation erfordert eine differenzierte Betrachtung. Dazu Skeptiker-Autor Philippe Leick: "Die aktuelle Fokussierung auf Stickoxide befriedigt vielleicht unser Bedürfnis nach einfachen Narrativen mit klar verteilten Helden- und Schurkenrollen, die starke Emotionalisierung aufgrund drohender Dieselfahrverbote gefährdet aber die wünschenswerten konstruktiven Diskussionen."

Im zweiten Themenblock greift das Heft die Frage auf, ob Medikamente gegen Depressionen so wirksam sind, wie man glaubt. Immerhin erkrankt durchschnittlich jede vierte Frau und jeder achte Mann im Laufe des Lebens an einer Depression und in der Regel verschreiben Ärzte bei entsprechenden Symptomen genau diese Mittel. Doch es ist umstritten, ob sie wirken wie versprochen. Nun haben sich die Psychologen Dr. Martin Plöderl und Dr. Michael P. Hengartner die Studien zu dieser Frage angeschaut und kommen zu dem Schluss, dass Antidepressiva im Durchschnitt einem Placebo klinisch nicht signifikant überlegen sind, jedoch teils schwerwiegende Nebenwirkungen haben. Darüber hinaus seien die Studienergebnisse zu Gunsten der Medikamente verzerrt, sodass die negativen Effekte den geringen Nutzen offenbar nicht aufwiegen. Gleichwohl ist dies für die Autoren kein Argument gegen die Medikamente, denn bei manchen Patienten bewirken sie tatsächlich eine deutliche Besserung. Jedoch richten Plöderl und Hengartner das Augenmerk auf weniger problematische Alternativen, etwa Psychotherapie und Sport. Und sie verweisen auf die Rolle des therapeutischen Ansprechpartners – fernab vom Schulenstreit in der Psychologie. "Vielleicht braucht es … gar nicht so viel an professioneller Behandlung, aber eine richtige Intervention bzw. den richtigen." Auf jeden Fall betrachten die Autoren ihren Beitrag als Anstoß zu einer notwendigen breiten Fachdiskussion.

"5G ist Gefahr für Leib und Leben", "Der große Betrug mit der globalen Erwärmung", "Ungeimpfte sind gesünder" oder "flache Erde": Mit solchen Storys greift der YouTube-Kanal klagemauer.tv tief in die Verschwörungskiste. Wenn es dann noch um "Leopardenmenschen" in Afrika geht, die sich in Raubkatzen verwandeln können, scheint das Sammelsurium des Skurrilen komplett. Doch dahinter steckt Kalkül. Das Rezept ist so einfach wie perfide, erklärt ein ehemaliger Mitarbeiter. "Angst und Verunsicherung zu schüren und das Vertrauen der Menschen in Politik, Medien und Gesellschaft zu erschüttern." Der Aussteiger hatte bereits beim "Skeptical" im Rahmen der SkepKon in Augsburg anonym über die Praktiken des "alternativen Medienportals" berichtet. Für ein Interview im aktuellen Heft hat sich Skeptiker-Chefredakteur Bernd Harder weiter mit ihm unterhalten.

Hinter klagemauer.tv stecke die "Organische Christus-Generation" (OCG) des Schweizers Ivo Sasek, der sich als "Apostel und Prophet" versteht. Saseks Ziel sei nichts Geringeres als "die Herrschaft Gottes auf Erden zu errichten, mit ihm an der Spitze", so der Aussteiger weiter.

Sasek stilisiere sich als Opfer einer angeblichen Diskriminierung durch die "Mainstream-Medien". Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass sich der klagemauer-Chef bei Veranstaltungen seiner "Anti-Zensur-Koalition" auch die Vernetzung mit vielerlei Verschwörungstheoretikern sucht, darunter Impfverweigerer, Pseudomediziner, und Leugner des Holocausts. Doch das ruft auch Widerstand in den eigenen Reihen hervor: Auch den Mitarbeitern bleiben die inneren Widersprüche der OCG nicht verborgen. So berichtet der Aussteiger im Interview von der Reaktion auf seine Kritik an Auftritten von Holocaust-Leugnern bei AZK-Konferenzen: "Meine kritischen Fragen sind niedergemacht worden (…). Daraus ist für mich der Auftrag erwachsen, (…) über die wahren Absichten und die Ideologie dahinter aufzuklaren."