Die beiden Sozialwissenschaftlerinnen Katrin Götz-Votteler und Simone Hespers legen mit "Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben" eine Einführung zum Thema vor. Darin werden abstrakte Erläuterungen anhand konkreter Fallbeispiele erläutert und unterschiedliche Ausflüge in verschiedene Wissenschaftsdisziplinen unternommen.
Nicht nur die Aufklärung schrieb dem Menschen eine Vernunftfähigkeit zu. Gerade in modernen Gesellschaften lässt sich indessen die immer stärkere Neigung zu den gefühlten Wahrheiten feststellen. Die Argumentation mit Fakten und Rationalität findet sich nicht immer auf der Siegerseite. Dafür stehen Begriffe wie "Fake News", "Populismus" oder "Verschwörungstheorien".
Was es mit all dem auf sich hat, wollen Katrin Götz-Votteler und Simone Hespers thematisieren. Beide arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen am Zentralinstitut für Wissenschaftsreflexion und Schlüsselqualifikationen an der Universität Erlangen-Nürnberg. Ihr Buch dazu trägt den Titel "Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben". Es ist aus Erfahrungen mit Seminaren zum Thema hervorgegangen. Darin wurden auch regelmäßig Grenzen der eigenen Wissenschaftsdisziplin überschritten. Die Autorinnen haben von daher ihr Buch als eine Einleitung mit vielen Erklärungen konzipiert.
Am Beginn steht die Feststellung, dass man doch eigentlich meint, in einer Wissensgesellschaft zu leben. Gleichzeitig kursieren falsche Bilder und Tatsachenbehauptungen, die trotz gegenteiliger Absichten in ihrer Wirkung kaum noch eingefangen werden können. Man müsse daher von einem "postfaktischen Denken" sprechen, was sich insbesondere an "Fake News" und "Verschwörungstheorien" zeige. Ersteres meine nicht allgemein Falschmeldungen, sondern eben bewusste Täuschungsabsichten. Darüber hinaus geht es um Formen, Verbreitungsweisen und Zielgruppen. Verschwörungstheorien müssten darüber hinaus von wissenschaftlichen Theorien unterschieden werden. Sie seien nicht durch eine Prüfung an der Realität widerlegbar. Es handele sich bei beidem auch nicht um ein neues Phänomen, seit Jahrhunderten könnten entsprechende Vorkommnisse ausgemacht werden. Die Aktualität erscheine nur als Eindruck, weil das Gemeinte eben in besonderer Weise so große Verbreitung gefunden habe.
Götz-Votteler und Hespers verweisen dazu auf gesellschaftliche Veränderungen, die mit technischen Entwicklungen, politischen Umbrüchen und einer gesellschaftlichen Vertrauenskrise zusammenhängen. Unweigerlich muss es bei diesem Thema auch um Donald Trump gehen. Es wird anhand von Fotos dokumentiert, wie von ihm die Wahrheit verfälscht wurde. Bekanntlich stammt die Bezeichnung "alternative Fakten" von einer Mitarbeiterin des Präsidenten. Wie die Arbeit mit solchen Fake News in der Praxis funktioniert, wird dann an vielen Beispielen bezogen sowohl auf digitale Medien wie traditionelle Massenmedien gezeigt. Welche Bedeutung dabei Framing und Narrative haben, steht danach im Zentrum. Die letzten Kapitel sind der Macht der Bilder, dem Populismus als Nutzer und Umgangsweisen mit postfaktischem Denken gewidmet. Am Ende finden sich noch Hinweise auf weiterführende Literatur und – besonders wichtig – auf Websites zum Faktencheck, welche die kritische Prüfung vieler gefühlter Wahrheiten erleichtern.
Die Einschätzung des Werkes ist wohl vom Vorwissen abhängig. Wer sich schon näher mit den Fake News und ihren Hintergründen aus wissenschaftlicher Perspektive beschäftigt hat, dem sagt das Buch wohl wenig Neues. Es ist indessen als Einführung zum Thema empfehlenswert. Denn allgemeine Aussagen gehen mit konkreten Beispielen einher, Arbeitsgriffe aus den unterschiedlichen Disziplinen werden erläutert und hervorgehoben, und dann gibt es noch viele Hinweise für die Ursachenanalyse. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Ausführungen über die Gefahren für eine offene Gesellschaft, denn deren Grundlagen sind durch Falschinformationen und Manipulationen möglichen Verwerfungen ausgesetzt. Dass damit grundlegen Folgen einhergehen, zeigen nicht nur die politischen Entwicklungen in Großbritannien und den USA. Der Kontext von Fake News und Populismus zeigt weit verbreitete Wirkung. Um die allgemeine Anerkennung der Regeln des öffentlichen Vernunftgebrauchs steht es daher nicht gut.
Katrin Götz-Votteler/Simone Hespers, Alternative Wirklichkeiten? Wie Fake News und Verschwörungstheorien funktionieren und warum sie Aktualität haben, Bielefeld 2019 (transcript-Verlag), 211 S., 19,99 Euro
5 Kommentare
Kommentare
Peter Müller am Permanenter Link
Wie sich die Zeiten ändern. Vor Trump galt jeder, der an den Aussagen eines amerikanischen Präsidenten zweifelte, als "Verschwörungstheoretiker". Heute ist man jedoch einer, wenn man Trump glaubt.
Martin Mair am Permanenter Link
Seltsamerweise wird die alltägliche Desinformation bzw. Manipulation durch die kapitalistischen und staatlichen Medien nicht als "Fake News" bezeichnet, obwohl das mitunter auch gerechtfertigt wäre.
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Ich habe das hier rezensierte Buch nicht gelesen, aber ich denke man kann meine hier wiedergegebene Meinung gerne diskutieren, kritisieren oder auch bejubeln:
Die meisten FakeNews entlarven sich nach einer gewissen Zeit von selbst. Im Fall von Donald Trump braucht man doch gar nicht mehr hinhören, all seine Ankündigungen lösten sich doch in Luft auf oder wie soll ich denn jetzt seinen Vorstoß zur Diplomatie mit Nordkorea verstehen? Ist doch bis jetzt nichts bei rumgekommen. Dies nur als ein Beispiel von vielen. FakeNews entlarven sich immer nach kurzer Zeit von selbst. Wichtig ist, dass man sich immer aus seriösen Quellen informiert, zu denen ich auch den hpd zähle. Häufig erkennt man durch logisches Nachdenken, das Stellen passender Fragen wie nach der Herkunft der News, den Adressaten aber auch wer hat den Nutzen durch diese News?
Also immer den großen Vorbildern der Politik nacheifern, wie zum Beispiel Helmut Kohl oder Angela Merkel, je dicker die Krise desto herzhafter das Schweigen und das stoische Aussitzen. Die ganz elegante Form ist es, dann schnell noch eine neue Sau , durchs Dorf schicken (z.B. Tempolimit) und alle sind abgelenkt, das eigentliche Thema ist dann vergessen.
Manfred H. am Permanenter Link
"Ein überzeugendes Beispiel für Verschwörungstheorien lieferten uns die Vorstände der Autoindustrie mit dem Abgasskandal und der eingesetzten Schummel-Software.
Das ist ein Beispiel für eine Verschwörung. Da Sie den Unterschied zwischen einer Verschwörung und einer Verschwörungstheorie nicht kennen, wäre das Buch vielleicht doch etwas für Sie.
Wolfgang am Permanenter Link
Mit dem Jesus vor 2000 Jahren fing doch das ganze schon mit Fake News an!! Vernunft hat nicht geherrscht. Eher die Dummheit, bis heute. Amen.