Offener Brief an Justizminister Heiko Maas

BERLIN. (hpd) Der deutsche Justizminister Heiko Maas hat auf Spiegel-Online einen Gastbeitrag mit dem Titel "Islam in Deutschland: Gleiche Freiheit heißt gleiche Verantwortung" veröffentlicht. Das Mitglied des Bundesvorstands der Partei der Humanisten und Sprecher für Demokratie Stefan Schmitz antwortet darauf mit einem Offenen Brief.

Sehr geehrter Herr Bundesjustizminister Heiko Maas,

in Ihrem Gastbeitrag auf Spiegel Online diskutieren Sie die Frage, was Staat und Gesellschaft ändern müssen, um Gleichberechtigung unter den Religionen erreichen zu können.

Erstaunlich und erschreckend ist Ihre Vorstellung von orthodoxen Religionen, die Sie als Vielfalt für die Gesellschaft wahrnehmen. Sie zeichnen ein interessantes, aber leider realitätsfremdes Bild der religiösen Pluralität in unserem Land, wenn sie den Aufschwung evangelikaler Tendenzen als Bereicherung einer bunten Landschaft skizzieren. Inwiefern machen Evangelikale die deutsche Gesellschaft bunter? Durch ihre offen gelebte und zur Schau gestellte Homophobie? Durch ihre Art, Sex vor der Ehe zu "verteufeln"? Oder durch generell anti-pluralistische Tendenzen?

Apropos "Homophobie" und "Ehe": Wie Religionen eine bunte Gesellschaft mitunter prägen, konnte ja in letzter Zeit wieder ausgiebig betrachtet werden. Da schwadroniert ein Vertreter des Vatikans von einer "Niederlage für die Menschheit", nur weil in Irland im Zuge eines demokratischen Referendums endlich die gleichgeschlechtliche Ehe rechtlich gleichgestellt wurde. Nun mögen Sie erwidern, dass der Vatikan nun wirklich kein Ort für pluralistische Gedanken sei. Aber auch hierzulande äußern sich religiöse Politiker bedenklich. Wie etwa die saarländische, christdemokratische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer auf menschenverachtende Art und Weise, wenn sie befürchtet, dass nach der Gleichstellung der "Homo-Ehe" auch bald die Forderung nach einer möglichen Heirat unter engen Verwandten gefordert werden könnte.

Sie deuten die immer wieder aufkommenden Forderungen nach einem laizistischen Staat als eine Abwehrreaktion auf den Islam. Dabei schätzen Sie die Situation komplett falsch ein. Die von Ihnen beschriebenen religionspolitischen Konflikte, wie etwa das Kreuz im Klassenzimmer, die rituelle Beschneidung von Jungen, die Bezuschussung von Kirchentagen oder die "Kopftuchdebatte" sind oftmals Ausdruck eines gesellschaftlichen Bedürfnisses, das Verhältnis von Staat und Religion neu und modern zu bestimmen und die sogenannte "hinkende Trennung" zu überwinden!

Sie mögen es wenig überzeugend finden, wenn man argumentiert, dass das Zurückdrängen von Religion weg aus dem öffentlichen Raum und hinein ins Private die Toleranz fördert. Von einer "Verbannung" kann allerdings keine Rede sein! Es geht um die Herstellung von Gleichberechtigung verschiedener Religionen und Weltanschauungen, die mit dem deutschen Staatskirchenrecht, das in seinem Ursprung auf die beiden großen Kirchen gemünzt wurde, nicht umzusetzen ist! Bei diesen laizistischen Bestrebungen kann von einer Abwehrreaktion auf den Islam keine Rede sein. Es ist doch sogar so, dass durch die speziellen Anforderungen im Grundgesetz, ganz praktisch "nicht-kirchliche" Religionsgemeinschaften, also auch der Islam, diskriminiert werden. Die meisten Angebote, die die Verfassung anbietet, können nur von organisierten Gemeinschaften genutzt werden. Warum also die Muslime auffordern, eine Organisationsform ähnlich der Kirchen aufzubauen, anstatt das Staatskirchenrecht generell zu hinterfragen?

Zu Recht betonen Sie die negative Religionsfreiheit, die jedem Bürger das Recht gibt, nichts zu glauben und dadurch auch keine Nachteile zu erfahren. Aber gerade diese Nachteile gibt es für nichtreligiöse Menschen in Deutschland zuhauf. Sie sind finanzieller Art, denn unabhängig von der Religionszugehörigkeit werden Würdenträger, die öffentlich Homosexualität als Sünde geißeln, aus allgemeinen Steuergeldern bezahlt. Sie sind auch rechtlicher Art, denn Menschen, die beispielsweise im Gesundheitswesen oder in der Erziehung arbeiten, erleben unter Umständen massive Repressionen, wenn sie ihr Leben nicht nach den religiösen Grundsätzen des Arbeitgebers bzw. Trägers ausrichten. Sie fordern "Bereitschaft zum Dialog" und doch grenzen Sie in ihrer Argumentation ein Drittel der deutschen Gesellschaft aus. Es handelt sich dabei um genau die Menschen, die Sie eingangs fast beiläufig erwähnen. Warum spielen Konfessionslose in der so wichtigen Richtungsdiskussion über das Verhältnis von Staat zu Religion keine Rolle?

Das von Ihnen angesprochene "Zwei-Klassen-Regime" besteht doch nicht durch eine Diskriminierung von Muslimen. Wer das Kopftuch in Klassenzimmern verbietet, der muss auch die Kreuze abhängen. Der springende Punkt sind oftmals die Privilegien christlicher Organisationen, die sich auch im Recht manifestieren. Das eigentliche "Zwei-Klassen-Regime" besteht in Deutschland in der Ungleichbehandlung von nichtreligiösen Menschen. Anstatt einer weiteren Religionsgemeinschaft Privilegien zu verschaffen, für die die Allgemeinheit aufkommen muss, wäre es endlich an der Zeit, ein aufgeklärtes Verhältnis zwischen Staat und Religionen zu bilden!

Die Partei der Humanisten fordert die Auflösung sämtlicher finanzieller, öffentlicher und rechtlicher Verflechtungen. Religion soll Privatsache sein und von Staat und Politik auch so behandelt werden. Gleiche Freiheit heißt gleiche Verantwortung, da haben Sie Recht. Gleichberechtigung hingegen entsteht nur durch die Abschaffung von Privilegien, nicht durch deren Ausweitung.

Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Schmitz
Sprecher für Demokratie – Partei der Humanisten