Tod einer 13-Jährigen durch naives Gottvertrauen

Gestern wurden in Österreich evangelikale Eltern wegen Vernachlässigung verurteilt. Ihre Tochter verstarb an einer chronischen Krankheit, da die Eltern dem Mädchen die Behandlung verweigerten. Sie gingen davon aus, dass es allein "Gottes Wille" sei, ob das Kind überleben würde.

Am Landesgericht Krems (Niederösterreich) startete am gestrigen Mittwoch ein ungewöhnlicher Mord-Prozess. Ein Ehepaar aus Deutschland (der 39-Jährige wurde in Usbekistan geboren, seine Partnerin in Kasachstan), das der sogenannten "Kirche Gottes" (Church of God) angehört, lebt mit seinen sechs Kindern seit sieben Jahre im Bezirk Krems. Keines der Kinder besuchte bisher eine Schule oder wurde ärztlich untersucht bzezwiehungsweise behandelt. Eines der Mädchen, welches an chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung litt, wurde zwar ärztlich untersucht, aber trotz behördlicher Aufforderung nicht behandelt. Da die 13-Jährige an den Folgen dieser Krankheit verstarb, muss sich das Ehepaar nun wegen Mord durch Unterlassung vor Gericht verantworten.

Bereits im Juni 2017 wurde die Familie von der Bezirkshauptmannschaft Krems auf den schlechten Gesundheitszustand des Mädchens hingewiesen. Aufgrund des Engagements einer Sozialarbeiterin konnte die Einweisung des todkranken Mädchens in ein Spital erreicht werden. Da der lebensbedrohliche Zustand der Patientin dort diagnostiziert werden konnte, erfolgte die Überstellung in das Sozialmedizinische Zentrum Ost nach Wien. Bereits nach einer Woche drängten die Eltern – trotz der Warnungen der behandelnden Ärzte – auf die Entlassung und übernahmen ihre Tochter in die häusliche Pflege. Trotz der Schmerzen und der offensichtlichen Symptome sowie der permanenten Verschlechterung des Gesundheitszustandes wurde dem Mädchen jegliche Behandlung verweigert. Als die gesundheitliche Situation im September 2019 das baldige Sterben des Kindes offensichtlich machte, führten die beiden Eltern mit der Tochter ein Gespräch, in welchem sie dieser ihr bevorstehendes Lebensende verkündeten. Bereits am folgenden Tag erwachte die 13-Jährige nicht mehr aus dem diabetischen Koma. Die Eltern beobachteten das langsame Sterben ihres Kindes und unterließen die medizinische Versorgung "aus religiösen Gründen".

"Wenn Gott es so will, dass sie stirbt, dann soll man von außen nicht eingreifen", sagte der 39-Jährige laut Anklage einer Zeugin. In der Evolution setzte sich "nach Gottes Wille der Stärkere durch". Die Strategie der Verteidigung besteht darin, den Sachverhalt so darzustellen, dass die Nichthinzuziehung eines Arztes der Wunsch der Sterbenden gewesen sei. Unabhängig von dieser Frage wird es für die Schuldfeststellung aber entscheidend sein, inwieweit die 13-Jährige dahingehend von ihren Eltern manipuliert wurde. Das Strafmaß für Mord durch Unterlassung und das Quälen und Vernachlässigen einer unmündigen Person bewegt sich zwischen 10 Jahren bis lebenslänglich.

Diese Verteidigungsstrategie wurde schon mittwochnachmittags vom beschuldigten Vater umgesetzt. Der Angeklagte schwächte die oben genannte Intention dahingehend ab, dass er und seine Frau angesichts des schlechten Gesundheitszustands der Tochter gebetet, gefastet und "auf Gott vertraut" und gehofft hätten, "dass Gott ihr hilft". Sein religiöses Verständnis erklärte der 39-Jährige wie folgt: "Wir glauben auch daran, dass Gott Tote auferwecken kann." Generell würden er und seine Frau lieber auf Gott als auf die Medizin setzen, denn: "Gott heilt jede Krankheit." Die meisten Ärzte seien ungläubig und daher keine Diener Gottes. Ins Spital zu gehen, sei ein Zeichen eines schwachen Glaubens. Dennoch habe er seiner Tochter angeboten, ins Spital zu gehen, diese aber habe das im Vertrauen auf Gott abgelehnt mit der Begründung "wenn Gott sie nicht heilt, will sie in den Himmel". Diesen Respekt gegenüber dem Willen seiner Tochter bereue er nun, allerdings über Tage hinweg zuzuschauen, wie das eigene Kind stirbt, könne man nur, wenn einem Gott helfe. In Hinkunft würde er anders handeln.

Auch die 35 Jahre alte Mutter betonte, dass sie aus jetziger Sicht einen Arzt rufen würde. Sie habe aber erwartet, dass Gott sie gesund macht. Angesichts des Ablebens ihrer Tochter sei sie enttäuscht von Gott.

Bei der "Kirche Gottes", handelt es sich um eine evangelikale Religionsgemeinschaft, welche durch strikte Bibeltreue und konservative Moralvorstellungen sowie den Glauben an Wunderheilungen gekennzeichnet ist. Diese Bezeichnung stellt allerdings den Sammelbegriff mehrerer, zum Teil auch theologisch durchaus unterschiedlicher, Freikirchen dar. Selbst wenn der Prozess ergeben sollte, dass das Ehepaar seine diesbezüglichen fundamentalistischen Überzeugungen auf der Lehre dieser Gemeinschaft gründete, sei hier ausdrücklich vor Verallgemeinerungen gewarnt.


Nachtrag am 13.02.2020: Am Mittwochabend wurde das Ehepaar (noch nicht rechtskräftig) wegen gröblicher Vernachlässigung einer unmündigen Person mit Todesfolge zu fünf Jahren Haft verurteilt. Die Verurteilung erfolgte nicht wegen Mord durch Unterlassung, weil dieser Straftatbestand von vier Laienrichtern bejaht und von ebenso vielen verneint wurde. Daher wurde ex lege zugunsten der Angeklagten entschieden. Hinsichtlich des Vorwurfes der gröblichen Vernachlässigung einer unmündigen Person mit Todesfolge votierten alle acht Geschworenen mit Ja.

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