BERLIN (hpd) Nun liegt ein dritter Entwurf eines Gesetzes zur Suizidbegleitung vor. Suizidgefährdeten Menschen ein würdiges Lebensende, die letztendliche Entscheidung und Selbstbestimmung darüber, was sie für würdevoll halten zu belassen ist Grundanliegen des Gesetzes. Der Hilfe zur Selbsttötung wird darin Straffreiheit attestiert.
"Mehr Fürsorge statt Strafrecht", mit dieser Prämisse stellen die Abgeordneten Renate Künast, Dr. Petra Sitte und Kai Gehring den Gesetzentwurf in einer Pressekonferenz vor, der bereits von weiteren 33 Mitgliedern des Bundestages mitgezeichnet wurde. Als Gast wurde die Pressekonferenz von dem Strafrechtler Prof. Dr. Reinhard Merkel begleitet.
Dass die Menschen sich für aktive Sterbehilfe aussprechen, ihr Lebensende als selbstbestimmt betrachten und sagen, da soll der Staat sich raushalten, schilderte Renate Künast in ihrem Vortrag - auch religiös gebundene Menschen sprechen sich dafür aus. "Unser Entwurf ist derjenige, der der Bevölkerungsauffassung und der jetzigen, existierenden Rechtslage am nächsten ist." Auch braucht es kein Strafgesetzbuch, kein weiteres Gesetz, weil es keine Tatsachen gibt, die angeführt werden, dass es bisher Fehlentwicklungen gäbe. Suizid ist straffrei und "seit Schaffung des Strafgesetzbuches im Jahr 1871 ist es legal, Menschen beim Suizid Hilfe zu leisten", der seine freie und selbstbestimmte Entscheidung ist. Die Hilfe zum Suizid an sich ist in diesem Gesetzentwurf nicht rechtswidrig.
Auch für Organisationen soll die Beihilfe straffrei bleiben, wenn drei Bedingungen erfüllt sind:
- Sicherstellung der freiverantwortlichen Entscheidung des Sterbewilligen,
- ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch mit einem Arzt,
- die Dokumentation der notwendigen Handlung.
Für Ärzte abweichend von der aktuellen Situation wäre bei Annahme des Gesetzes, dass es ihnen freisteht, Helfer zur Selbsttötung zu sein oder dieses abzulehnen.
"Ich sitze hier für mich als Privatperson", waren die ersten Worte von Reinhard Merkel. Der Professor für Strafrecht führt fort: Dieser Gesetzentwurf ist der einzige, der mit den Grundrechten der Menschen übereinstimmt. Es gibt mehr als 150 Strafrechts-Experten in Deutschland. Sie sind kontrovers in ihren politischen, weltanschaulichen, religiösen Auffassungen, da besteht keine Homogenität. In einem Punkt jedoch sei Einigkeit, das Strafrecht möge aus dieser Sphäre weitestgehend herausgehalten bleiben.
Er spricht zu den theoretischen und ethischen Fundamenten des Strafrechts. Der selbstbestimmte Tod kann nur dann Straftatbestand sein, wenn es eine Rechtspflicht zum Leben gäbe. Nach diesen Worten greift Merkel ruhig und gelassen zum Wasserglas, dann führt er fort, dass es ebenso wenig einen Zwang zum Leben gäbe. Suizid, das ist hier der Haupttatbestand und der habe keine strafrechtliche Relevanz. So könne die sich nachziehende Beihilfe ebenfalls keine Straftat sein. Auch die organisierte Form der Sterbehilfe macht da keine Ausnahme. Geld zu nehmen, das ist eine andere Sache.
Anderen Menschen die Selbstbestimmung an ihrem Tod absprechen zu wollen bezeichnet Merkel als zutiefst unmoralische Anmaßung. Es gibt in Deutschland einige Hunderttausend Suizidversuche. Auch bekannt ist, dass es dabei Menschen, geschätzt sind es sogar 80 Prozent, die den Wunsch haben, wieder ins Leben zurückzukommen. Doch die Ärzte "mauern", diese Menschen durch kompetente Beratung herauszufinden und ihnen zu helfen. Diese kann über eine humane Suizidpräventation und ein geordnetes Verfahren möglich werden. Der betroffene Mensch kann sicher sein, wenn er am Ende wirklich nicht mehr kann, dann wird ihm beim Sterben geholfen.
Es ist nicht angesagt, anderen Menschen eine Form des Sterbens auferlegen zu wollen, die man für sich selber verwirklichen möchte.
5 Kommentare
Kommentare
Gita Neumann am Permanenter Link
Was dieser Gesetzentwurf vorgibt sein zu wollen (liberal, übereinstimmend mit Bevölkerungsmeinung, fürsorglich statt bestrafend) darf doch nicht naiv einfach geglaubt werden.
Pflichtverletzungen
(1) Wer in organisierter oder geschäftsmäßiger Form Hilfe zur Selbsttötung leistet und dabei
1. entgegen den Voraussetzungen des § 3 handelt,
2. zuvor die Beratungspflicht (§ 7) verletzt oder
3. die Dokumentationspflicht (§ 8) verletzt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Mir fällt auf: Als letzte Woche der Brandt/Griese-Entwurf vorgelegt wurde, hörte ich sofort einen Bericht auf NDR Info, auch Spiegel Online und Zeit Online berichteten noch am gleichen Tag (durchweg positiv).
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Schon Paulus zitiert in Röm. 3, 10-12 aus den Psalmen: Da ist keiner, der gerecht ist, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig ist; da ist keiner, der nach Gott fragt.
Jetzt wissen wir auch, warum Kath.net schreiben kann: „Die Gefahr, dass nahe Verwandte den Todkranken beeinflussten, sei [mindestens ebenso] groß: Gerade bei Angehörigen, die unterhaltspflichtig oder mögliche Erben sind, ist leicht eine eigene Interessenlage denkbar. Der Tod des aufwändig zu pflegenden, zuweilen auch lebensunlustigen Verwandten kann bewusst oder unbewusst auch aus eigenen Interessen angestrebt werden.
Dass der Verwandte eines alten Menschen zunächst einmal ein potenzieller Verbrecher ist, hat seine Ursache offenbar im „christlichen Menschenbild“.
Klarsicht am Permanenter Link
§ 6 lautet:
„(1) Wer als Arzt von einem sterbewilligen Menschen um Hilfe zur Selbsttötung gebeten wird, hat nicht die Pflicht, dieser Bitte zu entsprechen.“
Frage: Wie müsste sich ein solcher Arzt nach seiner Ablehnung verhalten ? Der „Fall“ kann doch damit nicht für ihn erledigt sein ?
„(2) Die Hilfe zur Selbsttötung kann eine ärztliche Aufgabe sein und darf Ärzten nicht untersagt werden.“
Frage: Wenn ein Arzt sie als seine Aufgabe sieht, dann folgt doch daraus eine Dienstleistung, die von der Krankenkasse bezahlt werden müsste ? Oder müsste der „Sterbewillige“ sie als Privatpatient bezahlen ? Müsste in § 6, Abs. 2 nicht stehen, dass hier der § 4, Abs. 1 nicht gilt ?
Nach meiner Auffassung könnten die Befürworter einer selbstbestimmten Selbsttötung (somit auch ich) den Gesetzentwurf akzeptieren. Dass ein für sie „besserer Entwurf“ letztlich als Gesetz in Kraft treten wird, kann mit ziemlicher Sicherheit nicht erwartet werden.
Es grüßt
Klarsicht
Klarsicht am Permanenter Link
Der Eine hat „Pech gehabt“ und für den Anderen ein Blick in eine mögliche Zukunft ?
Ein Mensch, dessen Motorik und Geist derart beeinträchtigt sind, dass er sich selbst keine Nahrung mehr zuführen kann, der also auf eine künstliche Ernährung angewiesen ist, wäre zu einer von ihm befürworteten Selbsttötung nicht in der Lage. Dessen Tötung wäre nur dadurch möglich, indem die künstliche Ernährung beendet würde. Das dürfte geschehen, wenn er auch eine solche antizipierte Verfügung in einer Patientenverfügung vorgenommen hat. Auch dann dürfte es geschehen, wenn keine Verfügung vorliegt, es Angehörigen von ihm aber bekannt ist, dass er keine solche Ernährung wünscht.
An einen solchen Patienten hat Herr Prof. Dr. Thomas Fischer, Bundesrichter in Karlsruhe, evtl. gedacht, als er am 28. 04. 2015 in „Welt Online“ schrieb (1): „Patienten, die zu krank oder zu gelähmt oder zu dement sind, um die Tötungshandlung selbst auszuführen, haben halt ,Pech gehabt': Sie müssen bis zum bitteren Ende leiden, weil die ,herrschende Meinung' sich einer ,Täterschaftstheorie' angeschlossen hat, die dies angeblich fordert. So wird aus dem Lebensschutz durch das Strafrecht der Schutz sinnloser Qual und die Verachtung der Selbstbestimmung.“
„Ich selbst spreche mich daher nicht allein für die Beibehaltung und den Ausbau der erlaubten Sterbehilfe aus, sondern für eine Öffnung des strafrechtlichen Verbots der Tötung auf Verlangen (Paragraf 216 Strafgesetzbuch). Selbstverständlich dürfte dies nicht voraussetzungslos und willkürlich erfolgen, sondern muss an prozedurale Regelungen geknüpft sein, wie es etwa in der Schweiz oder in Benelux-Staaten der Fall ist. Aus dortigen Erfahrungen könnte man viel lernen, wenn man wollte.“
Ich stimme Herr Fischer vollumfänglich zu !
Würde der hier behandelte Gesetzentwurf in Kraft treten, so könnten Menschen, die die Absicht haben, sich in bestimmten Fällen (die in einer Patientenverfügung näher bestimmt sein könnten) selbst zu töten und sich dabei helfen zu lassen, evtl. schon prophylaktisch die dafür erforderliche Beratung durch einen Art und zusätzlich durch eine zur Sterbehilfe legitimierte sonstige Person oder Organisation einholen. Darüber, dass das geschehen ist, könnten sie sich entsprechende Unterlagen zu Beweiszwecken aushändigen lassen, die sinnvollerweise einer vorhandenen antizipierten Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung beigefügt werden sollten. In solchen Fällen hätte man es dann zusätzlich mit einer antizipierten Beratung und den damit zusammenhängenden Beratungsunterlagen zu tun. Diese „Prozedur“ könnte man aus Sicherheitsgründen in bestimmten Abständen wiederholen, damit solche Beratung möglichst nahe an dem Zeitpunkt stattgefunden hat, an dem sie konkret gebraucht werden könnte, aber dem Betroffenen wegen seines beeinträchtigten geistigen Zustandes nicht mehr möglich wäre.
Eine frühzeitig in Anspruch genommene prophylaktische/antizipierte Beratung wäre also für Menschen hilfreich, die danach in einen Zustand geraten, in dem es ihnen nicht mehr möglich ist, eine rechtsrelevante Willensbekundung vorzunehmen, aber in der Lage sind, noch selbständig Nahrung zu sich zu nehmen. Die zudem im Besitz einer Patientenverfügung sind, in der sie vorab erklärt haben, dass sie sich eine Selbsttötung wünschen, wenn sie sich in einem derartigen Zustand befinden. Solchen Menschen könnte man die Selbsttötung dadurch ermöglichen, indem man ihnen das tödliche Mittel wie sonstige Nahrung hinstellt, so dass sie es selbst zu sich nehmen können. Auch hier müsste gelten, dass keine entsprechende Patientenverfügung vorliegen muss, wenn Angehörigen es bekannt ist, dass eine Selbsttötung gewollt ist.
Ob die Rechtsprechung wohl „mitspielen“ würde ?
Verweis:
(1) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-04/sterbehilfe-selbstbestimmung-bundestag/komplettansicht
Es grüßt
Klarsicht