Die Toten kommen nach Berlin

BERLIN. (hpd/press) Gemäß Mitteilung des Künstlerkollektivs Zentrum für Politische Schönheit ist es der wahrgewordene Alptraum der deutschen Bundesregierung: In den kommenden Tagen werden Menschen, die auf dem Weg in ein neues Leben an den Außengrenzen der Europäischen Union ertrunken oder verdurstet sind, nach Berlin kommen.

Es geht um die Sprengung der Abschottung des europäischen Mitgefühls. Gemeinsam mit den Angehörigen wurden die menschenunwürdigen Grabstätten geöffnet und die Toten exhumiert. Sie sind jetzt auf dem Weg nach Deutschland. Die Angehörigen haben entschieden, was dort geschehen soll.

Diese Aktion soll Europa in einen Einwanderungskontinent zurückverwandeln. Der jeweilige Zeitpunkt und Ort der Bestattung wird aus naheliegenden Gründen nur kurzfristig bekanntgeben.

Die ersten beiden Toten wurden heute um 10 Uhr im Friedhof Berlin-Gatow bestattet. Es handelte sich dabei um eine muslimische Beerdigung einer Mutter mit ihrem zweijährigen Kind, die aufgrund der Abriegelung Europas im Mittelmeer ertrunken sind. Die Liste der geladenen Gäste wurde im Internet publiziert.

Ein erstes Foto von der Beisetzung wurde bereits auf Twitter veröffentlicht.

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Das Zentrum für politische Schönheit wurde 2008 von dem Aktionskünstler Philipp Ruch gegründete und versteht sich als "Sturmtrupp des aggressiven Humanismus". Das Kollektiv hat bereits mit zwei aufsehenerregenden Aktionen Furore gemacht. Auf einer gefälschten Webseite suchte das Familienministerium im Mai letzten Jahres 55.000 Pflegefamilien für syrische Kinder und pünktlich zum Jubiläum des Mauerfalls entführte es die Gedenkkreuze der Mauertoten und brachte sie an die EU-Außengrenze.

Auf der Webseite heißt es weiter: "Europas Grenzen sind militärisch abgeriegelt. Sie sind jetzt die tödlichsten Grenzen der Welt. Jahr für Jahr sterben Tausende Menschen beim Versuch, sie zu überwinden. Europa hat den Einwanderern den Krieg erklärt – ein Krieg, dem ausschließlich Zivilisten zum Opfer fallen: am Evros, auf dem Mittelmeer und sogar in Nordafrika. Die Opfer dieses Krieges werden massenhaft im Hinterland südeuropäischer Staaten verscharrt. Sie tragen keine Namen. Ihre Angehörigen werden nicht ermittelt. Niemand schenkt ihnen Blumen.
Das Zentrum für Politische Schönheit ändert das jetzt. Die Toten Einwanderer Europas kommen in den nächsten Tagen von den EU-Außengrenzen in die Schaltzentrale des europäischen Abwehrregimes: in die deutsche Hauptstadt – direkt vors Bundeskanzleramt. In einer großangelegten Aktion werden Menschen, die auf dem Weg in ein neues Leben vor wenigen Wochen getötet wurden, direkt zu ihren bürokratischen Mördern gebracht. Wir organisieren die Beerdigungen der Opfer der militärischen Abschottung – im Herzen Europas."

Am Sonntag, 21. Juni soll ein Marsch der Entschlossen Tote bis zum Kanzleramt bringen. Angeführt von einem Bagger soll einer der bedeutendsten Plätze der Bundesrepublik in ein Friedhofsfeld verwandelt werden, auf dem die Opfer der militärischen Abriegelung Europas direkt vor den Augen der politischen Entscheidungsträger bestattet werden. Ihre letzte Ruhestätte soll somit zu unser politischen Unruhestätte werden.

Die gestern erfolgte Ankündigung des "Zentrums für Politische Schönheit" hat medial viel Aufmerksamkeit erregt. Die tageszeitung (TAZ) berichtete als erste über die Hintergründe der Kunstaktion: "In Berlin sei es einfach, auf das Schließen der Grenzen zu beharren. Denn anders als in Italien, Spanien oder Griechenland kommen hier keine Leichen an. Das will das Zentrum für Politische Schönheit nun ändern."

SPIEGEL-ONLINE schreibt dazu: "Ist diese Aktion … krass und pietätlos, Leichen quer durch Europa zu fahren, um sie in Berlin als künstlerischen Coup zu beerdigen? Oder ist die Politik krass und pietätlos, die ganz bewusst entschieden hat, das Rettungsprogramm Mare Nostrum durch das Abschottungsprogramm Triton zu ersetzen? … Braucht es, anders gesagt, solche Aktionen, die in gewisser Weise sogar in Leerstellen des Journalismus stoßen und Arbeit machen, für die andere zu faul oder zu feige sind?"

Diese Frage lässt sich leicht beantworten: So heftig und kontrovers, wie die Reaktionen auf diese Aktion ausfallen, braucht es solche Aktionen.


Unter Verwendung eines Artikels von Pressenza.