Brasilien: Bolsonaros Versäumnisse in der Corona-Krise

Seinen Wahlkampf hatte Brasiliens aktueller Präsident Jair Bolsonaro ganz auf religiöse und konservative Wahlgruppen zugeschnitten. Die Verachtung von Minderheiten und Umweltschutz ging ihm leicht von den Lippen. Sein Fokus lagen auf Wirtschaft und Religion. Das wird ihm aktuell zum Verhängnis. Die Bedrohung durch Covid-19 spielt Bolsonaro noch immer herunter, unbequeme Entscheidungen überlässt er anderen. Macher, wie Gesundheitsminister Mandetta, erhalten das Vertrauen der Menschen, während Bolsonaro die Gunst vieler verliert.

Mit knapp 30.000 bestätigten Infizierten und über tausend an Covid-19 Verstorbenen ist auch Brasilien von der Corona-Krise betroffen. Anstatt das Virus ernst zu nehmen und wichtige Lehren aus der Situation anderer Länder zu ziehen, hatte Präsident Jair Bolsonaro die Gefahr lange heruntergespielt. Noch Ende März hatte er bekundet, als ehemaliger Athlet keine Angst vor dem Virus zu haben. Als er dem US-amerikanischen Präsidenten Trump nacheiferte und das Medikament Hydroxychloroquin als Heilmittel gegen Covid-19 anpries, wurde es selbst sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Youtube zu bunt. Sie löschten seine Videos und Kurznachrichten voller Fake News zur vermeintlichen Harmlosigkeit für unter 60-Jährige und einfachen Heilbarkeit von Covid-19.

Als Macher und Hardliner gegen Minderheiten und Kriminalität angetreten überließ Bolsonaro die unbequemen Entscheidungen bezüglich eines Vorgehens in der Pandemie seinem Gesundheitsminister Luiz Mandetta und den Gouverneuren der Bundesstaaten. Die von Mandetta und den Gouverneuren verhängten Ausgangs- und Kontaktsperren hielt Bolsonaro nicht ein, sondern badete regelmäßig in Menschenmengen. Seine Werbekampagne, in der unter dem Motto "Brasilien darf nicht stillstehen" dazu aufgerufen wurde, die Anweisungen zu ignorieren und arbeiten zu gehen, wurde kurz vor ihrem Start gerichtlich untersagt. Ein Versuch, Mandetta zu entlassen und gegen eine Bolsonaro genehmere Operson auszutauschen, scheiterte ebenfalls im letzten Moment. Das Verhalten des Präsidenten kostet ihn nicht nur Rückhalt im Kabinett, sondern auch in der Bevölkerung. Allein religiöse und streng konservative Hardliner, die teilweise sogar die Existenz von Covid-19 leugnen, versuchen ihren Wunschpräsidenten zu erhalten.

Ein Schutzprogramm, welches umgerechnet etwa drei Milliarden Euro an Notleidende ausschüttet, wurde vom Kabinett aufgelegt, vom Präsidenten zwar nicht torpediert, jedoch auch nicht forciert. Auch auf den Straßen Brasiliens wird an dem Präsidenten vorbeiregiert.

Nachdem Bolsonaro sich im Wahlkampf noch als Kämpfer gegen Gang- und andere Kriminalität dargestellt hatte, übernehmen gerade diese Gangs nun Aufgaben, die eigentlich staatlichen Behörden unterstehen. So verteilten sie beispielsweise Einweghandschuhe an ihre Straßendealer, schlossen Umschlagplätze oder verhängten eigenmächtig Ausgangssperren, die sie bei Verstoß gewohnt brutal zu ahnden gedenken.

Nach all den Versäumnissen steht ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro im Raum.


Nachtrag der Redaktion: Nach aktuellen Medienmeldungen hat Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro den Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta entlassen.

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