Corona und das Ende der Wunderheiler

Wo sind eigentlich all die Wunderheiler verschiedenster religiöser Kulte, während die Welt versucht, ein Heilmittel gegen Covid-19 zu finden? Warum können sie dem Coranavirus nicht im Namen von Jesus oder Allah befehlen, keinen Menschen zu infizieren? Haben sie vielleicht die Arbeit niedergelegt und aufgehört, Wunder zu wirken? Oder – wesentlich besser: Erleben wir gerade das Ende des Wunderheilungs-Business?

Hat der Ausbruch der Coronapandemie zum Ende der Wunderheilungen in Nigeria, Afrika und der ganzen Welt geführt? Eine wichtige Frage, denn christliche und islamische Wunderheilungsversprechen haben dort stark um sich gegriffen. Inklusive der Versprechen, Menschen heilen zu können, die an allen möglichen Krankheiten leiden, die Blinden, die Lahmen oder die HIV/AIDS-Kranken. Wunderheilungen sind ein riesiges Geschäft. Überraschenderweise sind Wunderheiler in Folge der Coronakrise sehr still geworden, unwirklich still. Bevor die WHO das Coronavirus zur Pandemie erklärte, sagte ein nigerianischer Wunderheiler, dass er nach China gehen und das Virus spirituell zerstören würde. Seit das Virus in Nigeria auftauchte, hat von diesem göttlichen Propheten erstaunlicherweise niemand mehr etwas gehört. Wahrscheinlich hat er sich für Selbst-Isolation und Social Distancing entschieden, um nicht angesteckt zu werden. Aber nicht nur er, auch andere bekannte Wunderheiler in Nigeria und ganz Afrika sind sehr still geworden und verzichten darauf, direkt oder indirekt zu behaupten, infizierte Meschen heilen zu können. Warum? Was ist passiert? Liegt es daran, dass Wunderheilungen nicht mehr funktionieren? Oder dass Wunderheilungen beim Coronavirus nicht angewendet werden können? Von T. B. Joshua bis zu Enoch Adeboye, Rev. Oyedepo, Pastor Mboro und Shepherd Bushiri sind die berühmten Wunderheiler in den Untergrund gegangen, unfähig, infizierte Menschen in ihren Kirchen und Kult-Zentren zu versammeln, um sie zu erlösen. Stattdessen leisten sie dem Verbot religiöser Zusammenkünfte Folge. Was also ist mit ihren bejubelten Wunderheilungskräften geschehen?

Heilungsversprechen waren schon immer Teil von Religionen. Sie sind einer der Mechanismen, die von Religionen genutzt werden, um sich selbst zu legitimieren, eine Anhängerschaft zu gewinnen und diese bei der Stange zu halten. Behauptet wird dabei, dass die religiösen Heilkräfte von der Gottheit selbst stammten und einen Menschen als Instrument nutzten, um durch ihn hindurchzuströmen, durch einen Propheten, Boten, Priester, Rabbi, Imam, Guru und so weiter, der diesen Strom bei Kranken und Schwachen zur Anwendung bringt. Wenn sie eine ganz besondere Beziehung mit dem Göttlichen haben, bezeichnet man solche religiösen Persönlichkeiten als heilig und glaubt, dass sie die Fähigkeit besitzen, jede Krankheit verschwinden zu lassen. An dieser Stelle sei bemerkt, dass Religionen bekanntlich eine sehr spezielle Form des Heilens anbieten, eine wundersame Art des Heilens. Diese Art des Heilens widerspricht der Intuition, es ist ein Heilen, das dem gesunden Menschenverstand trotzt. Den Hauptdarstellern der verschiedenen Religionen werden heilerische Fähigkeiten nachgesagt und zu ihren Lebzeiten heilten sie Menschen von den verschiedensten Gebrechen. Gläubige sind der Meinung, dass diese Propheten noch immer Menschen heilen können, wo immer sie sich gerade auch befinden mögen. Die heilsamen Fähigkeiten der göttlichen Boten und Inkarnationen sind also nicht verschwunden und werden dies auch niemals tun.

Religiöse Heilkräfte wurden weitergegeben oder übertragen an ihre Nachfolger, die nachfolgenden Repräsentanten des Göttlichen oder ihre Boten. Jede Religion ist also ein System der Wunderheilung. Jede religiöse Versammlungsstätte ist eine Glaubens-Klinik und jeder religiöse Führer ein Glaubens-Doktor. Religiöse Heilungssysteme existieren und werden aktiv betrieben in traditionellen, christlichen, islamischen oder gemischten Denkrichtungen. Auch Hinduismus, Konfuzianismus, Judentum oder Bahaismus sind voll davon.

Die Frage ist nun: Warum haben sich diese religiösen Heilfertigkeiten als unfähig und unwirksam erwiesen im Angesicht von Covid-19? Warum werden Wunderheiler nicht in die Bekämpfung  des Coronavirus einbezogen?

Wunderheilungen werden oft betrachtet als eine Demonstration übernatürlicher Güte oder als Bestätigung der transzendentalen Kräfte der Götter, Geister oder Ahnen. Also was ist mit den vermeintlichen Fähigkeiten dieser supermenschlichen Akteure passiert? Existieren diese Gottheiten oder sind sie Hirngespinste und komplexe kulturelle Einbildungen? Warum ist es den Wunderheilungsfähigkeiten nicht gelungen, sich zu manifestieren, während die Welt darum ringt, die Pandemie in Schach zu halten?

Traditionelle Wunderheiler behaupten, ihre Kräfte von den Geistern der Ahnen zu erhalten. Man bereitet Heilmittel, die von den Vorfahren entdeckt, erprobt und weitergegeben wurden an die von ihnen auserwählten Menschen. Was ist mit diesen Heilmethoden geschehen? Warum haben sie sich nicht weiterentwickelt zu einem Heilmittel gegen das Coronavirus? Sind traditionelle Wunderheiler vielleicht auch auf der Suche nach einem Heilmittel gegen Covid-19? Ist vielleicht die Kommunikation gestört zwischen den Ahnen und ihren irdischen Bevollmächtigten? Wenn nun aber die traditionellen religiösen Heiler kein magisches Heilmittel gegen das Virus haben, was sagt uns das über das System der traditionellen religiösen Heilung? Ist es Betrug? Ist es eine Masche, die selbsternannte Heiler anwenden, um verzweifelte und leichtgläubige Menschen übers Ohr zu hauen und auszunehmen?

Auch christliche und islamische Wunderheiler behaupten lautstark, dass sie unheilbare Krankheiten heilen und Wunder vollbringen könnten. Wo also sind die Wunder-Händler jetzt, wo das Coronavirus die Welt verwüstet? Christliche Heiler wie T. B. Joshua und Shepherd Bushiri haben mit Wunderheilungen ein Vermögen verdient. Mit der Bibel predigen sie im Namen Jesu zu den Kranken. Christliche Wunderheiler behaupten, dass sie Menschen heilen können, indem sie ihre Hände ausstrecken und in Zungen sprechen, indem sie Weihwasser anwenden, heiliges Öl und heilige Taschentücher. Sie behaupten, dass sie Dämonen austreiben, die für die verschiedenen Krankheiten verantwortlich sind. Wunderheiler bringen Kranke dazu, empfohlene, evidenzbasierte medizinische Behandlungen abzubrechen, um sich Wunderheilungsritualen zu unterziehen. Sie verkünden, dass der christliche Gott der ultimative Heiler sei, dass Dr. Jesus besser sei als jeder irdische Arzt. Auch islamische Mallams und Marabuts machen solche Wunderheilungsversprechen. Sie rufen Allah an, rezitieren Verse aus dem Koran und vollziehen Rituale, von denen sie behaupten, sie könnten Kranke heilen.

Wo also sind all die Wunderheiler verschiedenster religiöser Kulte, während die Welt versucht, ein Heilmittel gegen Covid-19 zu finden? Warum können sie dem Coranavirus nicht im Namen von Jesus oder Allah befehlen, sich aufzulösen und niemals irgendjemanden zu infizieren, so wie sie es in ihren üblichen Wunderheilungs-Sessions tun? Haben sie vielleicht die Arbeit niedergelegt und aufgehört, Wunder zu wirken? Haben sie die mit den Göttern abgestimmten Heilungen eingestellt? Oder befinden sich Wunderheiler, ebenso wie die Wissenschaftler, gerade in ihren Laboren, um göttliche Heilungen zu testen? Oder – wesentlich besser: Erleben wir gerade das Ende des Wunderheilungs-Business?

Der Text erschien zuerst auf Englisch bei www.saharareporters.com. Übernahme und Übersetzung mit freundlicher Genehmigung des Autors. Übersetzung: Daniela Wakonigg.

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