Pakistan

Gefängnisstrafe für Professor wegen Blasphemie

Wieder wurde in Pakistan ein Professor der Gotteslästerung beschuldigt und eingesperrt. Die "Vergehen", die in dem von der Scharia geprägten Land für eine Verurteilung ausreichen, würden es in Europa in keine Lokalzeitung schaffen. Dort sind hingegen landesweite Ausschreitungen und eine Lynchjustiz bei vermeintlich "zu harmlosen" Urteilen keine Seltenheit. Diese Handhabung hat einschneidende Folgen für weite Teile des gesellschaftlichen Zusammenlebens.

In den meisten Staaten gibt es einige Gesetze, die nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden können. So gab es in Deutschland bis zur "Causa Böhmermann" die Möglichkeit, wegen "Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten", also der sogenannten Majestätsbeleidigung, strafrechtlich verfolgt zu werden. In Hessen stand bis 2018 sogar noch die Todesstrafe in der Verfassung. Nur werden diese Relikte der Geschichte in aller Regel nicht mehr angewandt oder aber von einem darüberstehenden Gesetz außer Kraft gesetzt. Bundesrecht bricht bekanntlich Länderrecht und Europarecht bricht Bundesrecht. Sehr selten kommen diese Überbleibsel – wie im Fall Böhmermann – noch ein letztes Mal zum Tragen, nur um kurz darauf abgeschafft zu werden. Und fast die gesamte hiesige Gesellschaft vertritt seit langem die Norm, wonach solche Gesetze keine Anwendung mehr finden sollten.

Anders sieht das in einigen der sehr stark religiös geprägten Staaten aus. Unter anderem in Pakistan werden sämtliche Gesetze vor ihrer Verabschiedung geprüft, ob diese mit den "Vorschriften des Islams" übereinstimmen. Dies führt dazu, dass auch heute noch Gotteslästerung, Ehebruch oder Drogendelikte mit langjährigen Gefängnisstrafen geahndet und unter Umständen sogar mit dem Tode bestraft werden. Diese Handhabung wird von einer Mehrheit nicht als unzeitgemäß, sondern als gute Sitte angesehen. Die pakistanischen Kleriker ersticken jeden Vorstoß, diese Gesetze außer Kraft zu setzen, bereits im Keim. Immer wieder kommt es innerhalb der pakistanischen Bevölkerung zur Bildung von Lynchmobs, wenn ein Urteil als "zu milde" wahrgenommen wird. Dadurch wird ein Klima der Angst geschaffen, in welchem auch die Richter*innen sich ganz genau überlegen, ob sie sich im Zweifelsfall zur Zielscheibe machen wollen.

Wie absurd die Lage ist, zeigt sich an den konkreten "Verbrechen", wegen derer Menschen viele Jahre ihres Lebens unter übelsten Bedingungen im Gefängnis verbringen müssen. Die Christin Asia Bibi verbrachte acht Jahre hinter Gittern, weil sie zwei muslimischen Kolleginnen Wasser anbot und anschließend der Blasphemie beschuldigt wurde – Musliminnen dürften, so deren Aussage, keine Gefäße von als "unrein" geltenden Christ*innen annehmen. Das Ehepaar Shagufta Kausar und Shafqat Emmanuel soll angeblich den islamischen Propheten beleidigende Textnachrichten an den örtlichen Imam geschickt haben und sitzt seit sechs Jahren im Gefängnis. Seit knapp sieben Jahren sitzt Junaid Hafeez, ein Professor der Bahauddin-Zakariya-Universität, in Untersuchungshaft. Sechs Jahre davon in Einzelhaft, da er andernfalls von anderen Insassen mit hoher Wahrscheinlichkeit ermordet wird. Ihm wird vorgeworfen, auf Facebook antiislamische Vorstellungen verbreitet zu haben. Der erste Anwalt, den er sich für den Gerichtsprozess nahm, wurde 2014 in seiner eigenen Kanzlei erschossen. Mit Sajid Soomro ist vor wenigen Wochen ein weiterer Professor den pakistanischen Gesetzen zum Opfer gefallen. Dem an der Shah-Abdul-Latif-Universität Lehrenden wird vorgeworfen, durch kritische Äußerungen und Texte über den religiösen Glauben, das Konzept des Himmels und die Polygamie den Straftatbestand der Gotteslästerung zu erfüllen.

Selbst harmloseste verbale Kritik kann in Pakistan folglich zur Festnahme, zu landesweiter Empörung und zu einer Bestrafung führen. Diese Handhabung hat fatale Konsequenzen für viele Bereiche des Lebens wie etwa Kunst, Kultur und Wissenschaft. Wenn sich Menschen aus Angst vor dem Staat ohne wirkliche Not massiv einschränken, dann bleiben Innovation und Kreativität meist auf der Strecke – sehr zum Leid der eigenen Bevölkerung. Eine Besserung der Umstände ist aktuell nicht in Sicht. Und selbst wenn die Blasphemiegesetze in Pakistan eines Tages aufgehoben werden, bleibt noch immer das gravierende Problem von Lynchmorden und den staatlichen Strukturen, die den Prozess der Säkularisierung weitestgehend verhindern.

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