Kommentar

Rassismus ist auch in Deutschland ein riesiges Problem

Horst Seehofer möchte rassistische Tendenzen bei der Polizei nicht wissenschaftlich untersuchen lassen. Diese Haltung ist Symptom eines tiefliegenden Problems unserer Gesellschaft, für das es neben diesem viele weitere Anzeichen gibt. Rassismus ist auch heute noch allgegenwärtig und wird gelegentlich sogar von jenen gestützt, die offiziell dagegen vorgehen möchten. Ein Kommentar von Constantin Huber.

Es gibt Menschen, die wollen einfach partout keine strukturelle Benachteiligung sehen. Sei es beim Thema der Gleichberechtigung von Mann und Frau, bei der Integration von Immigranten oder aber beim jüngst medial breit aufgefächerten Thema der Gleichbehandlung von Menschen unterschiedlicher Hautfarben – um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Beweggründe dafür können vielfältig sein. In Frage kommt etwa eine beschönigende Weltsicht, bei der die negativen Seiten unserer Gesellschaft geflissentlich ausgeklammert werden. Zuspitzen ließe sich diese Ansicht auf die Phrase, wonach "nicht sein kann, was nicht sein darf". Eine weitere Ursache ist, dass sich ein Teil dieser Menschen von bestimmten Gruppen insofern bedroht fühlt, als dass sie es als Gefahr betrachten, wenn Marginalisierte danach streben, nicht lediglich auf dem Papier, sondern auch real in der Gesellschaft die gleichen Rechte und Möglichkeiten wie alle anderen zu erhalten. Auch gibt es Menschen, die zwar durchaus gewillt wären, Missstände zu beheben, aber aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen im Leben schlicht (noch) nicht fähig sind, diese vollumfänglich kognitiv zu erfassen.

In einigen Fällen mag das ganz individuell eine Entschuldigung für bestimmtes Verhalten sein. In keinem Fall aber kann dies rechtfertigen, dass all jene progressiven Kräfte gehemmt werden, die dazu beitragen, dass langwierig erstrittene Normen (Frauen und Männer sollten gleichberechtigt sein, die Hautfarbe sollte im sozialen Leben keinen Unterschied machen und so weiter) aufgeweicht werden. Sämtliche Einstellungen, die nicht fähig oder willens sind, strukturelle Benachteiligungen zu erkennen, eint, dass sie in der Konsequenz dazu führen, dass es Menschen systematisch schlechter geht als unbedingt notwendig.

Politiker wie Friedrich Merz und Paul Ziemiak oder Kabarettisten wie Dieter Nuhr und Vince Ebert zeigen eindrücklich, wo hier das Problem liegt: in der vermeintlich "gemäßigten Mitte" der Gesellschaft werden Denkmuster bedient, die auch den äußersten rechten Rand stärken. Wenn Herr Merz und Herr Ziemiak behaupten, dass sie innerhalb der deutschen Polizei keinen strukturellen Rassismus erkennen könnten, wenn den Nationalsozialismus relativierende oder rassistische Bräuche verharmlosende Sätze von Herrn Nuhr reichweitenstark verbreitet werden oder Herr Ebert die Problematik kleinredet, indem er schreibt, dass er selbst noch nie Rassismus in seinem Umfeld erlebt habe, dann führt das vor allem zu einem: einer Manifestierung der Ausgrenzung von Marginalisierten und einem unnötig langen Überleben von Denkmustern, die besser heute denn morgen auf die ideologische Müllhalde der Geschichte verbannt werden sollten.

Wer sich seiner weißen Privilegien und der daraus resultierenden Missstände nicht bewusst werden mag, muss sich nicht wundern, wenn er oder sie in einigen Jahren die Welt nicht mehr versteht, weil ein Großteil der Gesellschaft anders denkt.

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