Die Kontrolle der natürlichen Fruchtbarkeit mit der "Pille" ist eine der wichtigsten kulturellen Errungenschaften unserer Zeit. Die Einführung vor nunmehr 60 Jahren war ein Meilenstein für das Selbstbestimmungsrecht. Frauen sollten aber über die Anwendung im Langzyklus informiert werden. Dies würde die Wirksamkeit verbessern. "Pill scare", die Ablehnung der hormonellen Verhütung, führt zur Zunahme von ungewollten Schwangerschaften.
Frauen könnten in den rund 30 Jahren ihrer Fruchtbarkeit theoretisch bis zu 12 bis 15 Kinder bekommen, wünschen sich aber meist nur ein bis zwei. Erstmals in der Menschheitsgeschichte können Frauen mit der "magic pill", wie die Krankenschwester Margret Sanger ihre Vision in den 1950er Jahren bezeichnete, ihre Fruchtbarkeit den eigenen Wünschen anpassen und damit ihr Leben selbst bestimmen. "Heute gibt es über 60 verschiedenen Präparate, so dass die meisten Frauen eines finden, welches sie gut vertragen. Neben der wirksamen Verhütung ermöglicht die Pille für viele Frauen auch eine Besserung anderer Beschwerden. Nicht nur unreine Haut, sondern auch zahlreiche Menstruationsbeschwerden werden durch die Pille verbessert oder ganz vermieden. So ist nachvollziehbar, dass die Pille mit großem Abstand (34 Prozent) die häufigste von Frauen angewendete Verhütungsmethode ist, gefolgt von der Hormonspirale (sechs Prozent)", erklärt der Wiener Gynäkologe und Verhütungsexperte DDr. Christian Fiala.
Seit einigen Jahren ist jedoch eine zunehmende Ablehnung hormoneller Verhütung zu beobachten. Diese Kritik an der Pille ist nicht neu, sondern wurde bereits mit ihrer Einführung laut. Aber während Frauen in den ersten Pillen-Generationen noch wussten, dass natürliche Verhütung zu zahlreichen ungewollten Schwangerschaften führt, ist dieses Bewusstsein für die natürliche Fruchtbarkeit in den letzten Jahrzehnten zunehmend verloren gegangen. Mittlerweile glaubt ein Fünftel der Frauen, dass sie ganz ohne Verhütung ohnehin nur null bis drei Kinder bekommen würde. Die Folge: viele ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen als Folge des "pill scare".
Langzyklus forcieren
Auch 60 Jahre nach der Einführung der Pille bleibt für Fiala aber noch einiges zu tun, damit Frauen sich besser schützen können. So sollte mehr über die Einnahme der Pille im sogenannten "Langzyklus" informiert werden, die durchgängige Einnahme der Pille ohne die einwöchige Pause nach drei Wochen. "Biologisch betrachtet haben Frauen mit der Einnahme der Pille keinen Eisprung und folglich auch keinen Zyklus. Deshalb benötigen sie auch keine künstlich ausgelöste monatliche Blutung. Dieses Einnahmeschema 21+7 wurde vor 60 Jahren lediglich aus Marketinggründen eingeführt, um die Akzeptanz der Pille in der damals sehr konservativen Gesellschaft zu erhöhen", erklärt der Mediziner. Allerdings reduziert diese siebentägige Einnahmepause Monat für Monat die Wirksamkeit der Pille signifikant. Es reicht, die Pille einmal im Jahr für eine Woche abzusetzen, um die Schleimhaut der Gebärmutter auszuscheiden.
Unverständlich ist für Fiala auch, dass Österreich als eines der wenigen Länder in West-Europa selbst nach 60 Jahren noch immer keine Kostenübernahme wirksamer Verhütungsmittel anbietet, sondern die Kosten ausschließlich Frauen aufbürdet. Dies ist sozial ungerecht und wohl einer einflussreichen konservativ-klerikalen Lobby geschuldet. Wie der Verhütungsreport zeigt, könnten allein durch eine Kostenübernahme von hochwirksamen Verhütungsmitteln die Zahl der Abtreibungen in Österreich von derzeit rund 30.000 jährlich um ein Drittel beziehungsweise 10.000 gesenkt werden.
Auch dass Frauen alle drei Monate ein neues Rezept für die Pille benötigen sei medizinisch nicht nachvollziehbar. Besonders in Zeiten langer Warteschlangen bei Gynäkologen führt diese zu einem unnötigen Stress bei Frauen und erhöht die Zahl der ungewollten Schwangerschaften. Um Frauen einen niederschwelligeren Zugang zur Pille zu ermöglichen, wurde nun die internationale OCs OTC Working Group (The Oral Contraceptives Over-the-Counter Working Group) eingesetzt.
Mehr Informationen unter: verhuetungsreport.at/2015/verhuetung-auf-krankenschein
5 Kommentare
Kommentare
sitha Berg am Permanenter Link
Aus meiner Erfahrung ist für Frauen die beste Verhütungsmethode Sex mit sterilisierten Männern.
Christian Fiala am Permanenter Link
Ja richtig. Ist auch für den Mann das Beste.
Das ist halt so eine Sache mit Vertrauen, für beide Seiten. Nicht nur Boris Becker und den Samen-Mund-Raub.
Deshalb zeigen entsprechende Umfragen, dass etwa 80% der Männer und der Frauen sich mit einer Methode schützen werden, wenn es einmal eine wirksame reversible Methode für Männer geben wird.
M.S. am Permanenter Link
In Deutschland war zu Zeiten der Praxisgebühr die Situation besonders absurd. Die Praxisgebühr war eingeführt worden, damit man sich gut überlegen sollte, ob man mit seinem Problem wirklich zum Arzt musste.
Es ist übrigens nichtmal nötig, einmal im Jahr eine Blutung zu provozieren. Je nach Zusammensetzung der Pille baut sich die Gebärmutterschleimhaut überhaupt nicht auf.
E. Vogt am Permanenter Link
lieber jakob, die PILLE war für euch eine riesige Errungenschaft, die Einführung der Pille für den Mann hat nicht geklappt, das wäre für uns Frauen eine riesige Errungenschaft und Erleichterung gewesen.
Ich habe nach der Geburt meines ersten Kindes einen Monat lang die Pille genommen und mir täglich die Seele aus dem Leib gekotzt. Und so wie mir ist es vielen tausenden von Frauen ergangen.
Nein ich habe nie abgetrieben und trotzdem nur 2 Kinder bekommen, dem Himmel sei Dank. Trotzdem hätte ich mir SEHR gewünscht, ihr hättet auch endlich die Verantwortung für die Planung für oder gegen ein Kind selbst übernommen. lg eva
Dr. Christian Fiala am Permanenter Link
Zwei Menschen haben Sex und einer hat die Kontrolle. Bis 1960 war dies bei den Männern mit Kondom und rechtzeitig Herausziehen. Mit der Pille und Spiralen haben Frauen die Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit erlangt.
Leider haben Männer derzeit keine Kontrolle über ihre Spermien und sind abhängig davon, dass die Partnerin wirksam verhütet. Das finden die allermeisten Männer nicht witzig. Siehe http://verhuetungsreport.at/2019/fuer-den-mann
Leider, leider ist es bisher biologisch noch nicht gelungen eine wirksame reversible Methode für Männer zu entwickeln. Weil die biologische Hürden deutlich höher ist: einen Eisprung pro Monat zu unterdrücken ist einfacher als 100 Millionen Spermien pro Tag. Noch dazu ist eine Eizelle nur 12 Stunden befruchtungsfähig, während Spermien ca 3 Monate überleben können.
Es wird fleißig an einer Methode für Männer geforscht. Mehr Info dazu auf www.ic-mc.info
Und es wird eines Tages eine Methode für Männer geben. Dann stellt sich für Frauen die Frage ob sie ihrem Partner vertrauen, dass er das regelmäßig anwendet und erst absetzt, wenn sie es möchte. Wir werden sehen.