Kolumne: Sitte & Anstand

Polens erste Fitness-Kirche gibt nach Polizeibesuch wieder auf

Was hilft in einer Virus-Pandemie mehr: Den Körper fit zu halten? Oder in geschlossenen, eher kühlen Räumen herumzuknien und laut zu singen? In Polen ist diese Frage längst beantwortet. Natürlich ist dem Herumknien und Singen im Kreise weiterer Knie-Enthusiasten der Vorzug zu geben. Aber Polen ist eben auch ein sehr katholisches Land, und in solchen Ländern hilft gegen alles am ehesten der liebe Gott.

Daher befand die Regierung jetzt angesichts hochschnellender Infektionszahlen: Alle Kirchen bleiben offen! Alle Fitness-Studios machen zu.

Dass es schon eine Studie gibt, die im Besuch eines Corona-bewussten Fitness-Studios wenig Gefahr erkennt, derweil regelmäßig Super-Spreader-Events aufpoppen, die auf das gemeinsame Singen in Kirchen zurückgeführt werden – obojętny! (Das heißt "egal" auf Polnisch. Haben wir gerade im Internet gelernt.)

Wer wird sich denn in einem sehr katholischen Land mit Oberboss Gott anlegen, wenn er stattdessen Fitness-Studios schließen kann, dieses westlich-weltliche Getue? Was haben diese Leute überhaupt immer mit ihrem Körper, der verwest doch eh bald, während die gläubigen Seelen, ob nun an Covid oder Gebrechlichkeit verstorben, hochflattern in den Himmel, wo sie anstandslos weiter singen können?

Ein Fitness-Studio in Krakau, das um seine schnöde irdische Existenz fürchtet, hat versuchsweise angekündigt, nun als Kirche weiter operieren zu wollen, die "Kirche der heiligen Gesunderhaltung des Körpers". Darauf kam dann die Polizei zu Besuch. Nun verzichtet man auf allen religiösen Anstrich und geht sittsam der eigenen kleinen Apokalypse entgegen.

Damit alles ansonsten weitergeht wie gehabt und niemand sich zu viele Sorgen machen muss, hat die Regierung schon angekündigt, dass an Allerheiligen alles sein wird wie immer: Die Leute dürfen auch dieses Jahr zu Hunderttausenden und Millionen in die Läden stürmen und Grablichter kaufen und diese Grablichter dann angezündet abstellen auf ihren Friedhöfen, wo an diesem Tag auch die Lebenden sich in Massen tummeln und auch das eine oder andere Virus fröhlich herumflattert, da Gott, der Herr, sich an seiner Existenz erfreut. Gefährlich, das Gedrängel? Das mag man so sehen. Aber wenn es einen dort wirklich erwischen und zersägen sollte, ist man in Polen wenigstens sicher, dass man nächstes Jahr auf dem Friedhof Verwandtenbesuch bekommt.

Unterstützen Sie uns bei Steady!