Heute tritt im Kampf gegen die rasant zunehmenden Corona-Infektionen der neue "Lockdown light" in Kraft. Aus Gründen des Infektionsschutzes müssen unter anderem Gastronomiebetriebe, Kinos und Theater schließen. Gottesdienste sind hingegen weiterhin explizit erlaubt. Und das, obwohl sie in den vergangenen Monaten oft zu Superspreader-Events wurden.
Ohne jede Frage müssen gegen die rasant zunehmenden Corona-Neuinfektionen Maßnahmen ergriffen werden. Welche Maßnahmen genau sinnvoll sind, darüber streiten sich die Geister. Sicher ist nur, dass eine Kontaktreduktion zu einer Reduktion der Möglichkeit von Neuinfektionen führt. Um den Betrieb von Schulen aufrechterhalten zu können, haben Bund und Länder deshalb die Entscheidung getroffen, per Lockdown für eine Kontaktreduktion in anderen Bereichen der Gesellschaft zu sorgen: Restaurants, Kneipen und Bars müssen ebenso schließen wie Kinos, Theater, Museen, Fitnessstudios, Kosmetiksalons und andere Einrichtungen – kurzum: Orte und Anlässe, die von der Politik nicht dem lebenswichtigen Bereich zugeordnet werden. Darüber hinaus dürfen sich in der Öffentlichkeit nur noch Angehörige zweier Haushalte treffen, maximal zehn Personen.
Ausgenommen vom Lockdown sind hingegen explizit Gottesdienste. Eine Entscheidung, die in vielfacher Hinsicht ein starkes Stück ist. Nicht nur, dass Gottesdienste von der Politik offensichtlich dem lebenswichtigen gesellschaftlichen Bereich zugeordnet werden. Nicht nur, dass Gottesdienste per Online-Übertragung stattfinden können, wie andere Events auch. Nicht nur, dass die EKD nach dem ersten Lockdown sogar einen Zuwachs von 287 Prozent der durchschnittlichen Gottesdienstbesucherzahl durch digitale Verkündigungsformate feierte. Nicht nur, dass Götter auch von jedem einzelnen Gläubigen im sakralen Home-Office angebetet werden können. Nein, darüber hinaus wird auch vollkommen ignoriert, wie viele Superspreader-Events es während der Corona-Pandemie bereits durch Gottesdienste gegeben hat. Die Erlaubnis von Präsenz-Gottesdiensten während des aktuellen Lockdowns ist auch deshalb geradezu irrsinnig, weil bekanntlich vor allem ältere Menschen Gottesdienste besuchen, also die Haupt-Risikogruppe.
Begründet wird die Sonderregelung für Gottesdienste mit der Religionsfreiheit. Im Frühjahrs-Lockdown, als noch ein Verbot für Präsenz-Gottesdienste bestand, hatten die Religionsgemeinschaften mit Verweis auf die Religionsfreiheit ihren Einfluss auf die Politik geltend gemacht und so schließlich doch noch ihre Erlaubnis für die Durchführung von Gottesdiensten mit leibhaftig anwesendem Publikum erhalten. Diesmal reagierte die Politik bereits in vorauseilendem Gehorsam.
Nun ist Religionsfreiheit zwar ein Menschenrecht und soll und muss es auch bleiben. Doch ein Menschenrecht auf Präsenz-Gottesdienste besteht ebenso wenig wie ein Menschenrecht darauf, dass die eigene Religion nicht mittels Satire durch den Kakao gezogen wird. Und zwar auch dann nicht, wenn Religiöse beides lautstark als Teil ihrer Religionsfreiheit fordern. Im einen wie im anderen Fall wäre die Politik gefordert, zum Wohle aller Bürger*innen Religionsgemeinschaften sinnvoll in ihre Schranken zu weisen. Im Fall der Gottesdienste hat sie diesbezüglich allerdings gerade kläglich versagt.
17 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Nun ist Religionsfreiheit zwar ein Menschenrecht und soll und muss es auch bleiben."
Kunstfreiheit ist auch ein Menschenrecht.
Wenn also der Dienst an einem imaginierten Gott erlaubt ist, dann doch das Vergnügen an einem real existierenden Künstler allemal. Denn wer hat mehr davon? Der (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) nicht existente Gott oder der Künstler, der auf seinen Lebensunterhalte angewiesen ist? Gott könnte sich, so er existiert und allmächtig ist, sicher selbst versorgen.
Oder wir verzichten im Namen der Vernunft eine Zeitlang auf beides...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Diese "Extrawurst" wird sicher vielen Menschen die Gesundheit oder schlimmeres kosten,
aber das ist den Kirchen egal, Hauptsache diese haben sich wieder einmal gegen die Politik
Es gibt legale Mittel und Wege die Zustände zu verändern, was mich persönlich betrifft, so bin ich einer Humanistischen Partei beigetreten und werde versuchen, dort über den offiziellen Weg der Wahlen, eine andere, menschenfreundliche Politik in der BRD zu etablieren. Diese Partei erfährt momentan einen enormen Zuwachs an Mitgliedern, also CDU & CSU, zeit euch warm an, eure Zeit ist am ablaufen.
Dr. Martin Felmy am Permanenter Link
Sie haben in jeder Hinsicht recht.
Zeus konnte noch Blitze schicken, heute laufen Wahnsinnige herum, die andere enthaupten oder auf andere Weise umbringen.
Wie traurig und verschroben ist das alles!
Was die Pandemie angeht, sind die Religioten auch nicht besser dran als der Rest der Menschheit.
Carsten Gerlach am Permanenter Link
Die aktuell festgelegten Regeln lassen sich ja grob mit "Wirtschaft weiterlaufen lassen, Freizeit einschränken" zusammenfassen.
Sarkasmusende.
David See am Permanenter Link
was mich mal interessiert ist wie viel von den gottesdienstbesuchern weiblich sind in der rkk und der ekd, das wäre mal was für fowid, ich seh da immer nur Frauen und Frauen die ihre Männer mitnehmen
Stefan Dewald am Permanenter Link
Das ist ja mal ein richtig tolles Symbolphoto!
René am Permanenter Link
Köstlichst ausehende Extrawurst! :o)
René am Permanenter Link
Köstlichst aussehende Extrawurst! :o)
Hans Trutnau am Permanenter Link
Und das von _der_ Autorin!
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Der liebe Gott ist weniger das Problem als seine irdischen Staatsbediensteten, die beschäftigt werden wollen, müssen, sollen - auch wenn dabei Unfug getrieben wird.
L. Petersen am Permanenter Link
Ich sehe das auch so. Gottesdienste waren Superspreading Events, vor allem bei Gesang. Meine Sporthalle ist riesig und wird alle 30 Minuten mit 2x 6x6Meter Toren gelüftet.
Gerade das mit den Gottesdiensten stößt den unter 50 Jährigen auf Unverständnis. Das könnte die Solidarität an sich gefährden.
Ich denke vor gewissem Klientel in Kirchen und Moscheen haben die einfach Angst.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Das Recht auf Freizügigkeit und das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit werden beschränkt - aber Religionsfreiheit ist so ein Überrecht, dass es nicht einmal angesichts einleuchtender sachlicher Gründe anger
Die Überpräsenz der Religion in der Politik scheint sich langsam in eine regelrechte Unterwerfung zu verwandeln.
Lucie am Permanenter Link
Gutes Kommentar.
Ernst-Günther Krause am Permanenter Link
In der Tat, es ist unverantwortlich, den Besuch von Gottesdiensten unbeschränkt zu lassen.
Blasius am Permanenter Link
Religionsfreiheit ist ein Bullshit-Argument. Erstens gelten allgemeine Gesetze (z. B. DSGVO) auch für Kirchen, sie haben damals ihre Prozesse und Systeme auch ändern müssen.
Tom Haus am Permanenter Link
Kirchen gehören Geschlossen. Keine Extrawurst der Religionen.
M. Landau am Permanenter Link
»» Im Fall der Gottesdienste hat sie
»» diesbezüglich allerdings gerade kläglich versagt.
Panem et circenses !
Religiöse sind potentielle Wähler der C-Parteien und halten Gottesdienste für Lebenswichtig. Mit Brot und Spielen hält man das Volk bei Laune.