Appell der Frauen zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Bekämpft Geschlechterapartheid! Gegen jeden Extremismus!

Die Terrorakte der letzten Wochen haben erneut gezeigt, wie gefährlich Islamismus ist. Gewalt entsteht nicht im luftleeren Raum, religiöser Extremismus muss bekämpft werden, bevor er Gewalt und Terror hervorbringt. Wie auch bei rechtsextremen Attentätern ist die Entmenschlichung von Frauen elementarer Bestandteil islamistischer Ideologie. Geschlechterapartheid fängt da an, wo die Trennung der Geschlechter gefordert und durchgesetzt wird und wo Frauen und Mädchen gedroht wird, wenn sie ihre Freiheitsrechte ausüben wollen.

Daher muss jede Form von Frauenfeindlichkeit bekämpft werden!

Dazu gehört, nicht nur der am weitesten verbreiteten Form der Gewalt gegen Frauen, der häuslichen Gewalt, entgegenzuwirken, die Vorgaben der Istanbul-Konvention vollumfänglich umzusetzen, sondern auch, Hass auf Frauen als gefährlichen Untergrund für Extremismus und Terrorismus zu erkennen und entschieden entgegenzutreten.

Die Reaktionen von Staatsvertretern der Türkei, Pakistans, Tschetscheniens oder des iranischen Regimes auf die Terroranschläge haben gezeigt, dass Extremismus und Terrorismus nur international begegnet und Außenpolitik nicht losgelöst von der Extremismusbekämpfung im Inneren gesehen werden kann.

Daher fordern wir eine Änderung der Innen- wie Außenpolitik zur Aufrechterhaltung und Förderung von Frauenrechten und zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen.

Im Inneren muss konsequent gegen die Beschneidung der Frauenrechte vorgegangen werden, vor allem zum Schutz von Frauen und Mädchen aus islamischen Gemeinschaften, das heißt:

  • Die konsequente Verfolgung von weiblicher Genitalverstümmelung, Kinderehen und Zwangsheiraten, sowie die bundesweite, finanzielle Förderung von Anlaufstellen und Frauenhäusern für betroffene Frauen und Mädchen, denn trotz Verboten sind Mädchen und Frauen weiter von diesen schädlichen Praktiken bedroht.
  • Die strafrechtliche Verfolgung derjenigen, die Frauen durch Gewaltandrohung zu "keuschem" Verhalten zwingen, zum Beispiel über das Liebesleben, die Kleidung und die Sozialkontakte der weiblichen Familienmitglieder bestimmen wollen.
  • Die gesonderte Erfassung sogenannter Ehrenmorde, bei denen der/die Täter und Täterinnen als Motiv angeben, die Frau habe sich "unkeusch", "zu westlich" und/oder entgegen religiöser Regeln verhalten. Diese Morde sollen auch andere Frauen der Gemeinschaft abhalten, ihre Grundrechte in Anspruch zu nehmen, und stellen somit Terror gegen die im Grundgesetz, in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in der universellen Menschenrechtserklärung garantierte Gleichberechtigung sowie in der Istanbul-Konvention formulierten Rechte der Frauen dar.

Den Schutz von Schülerinnen und Schülern vor Radikalisierung an Schulen:

  • Präventive Arbeit gegen jegliche Formen von Radikalisierung muss mit weltanschaulich neutralen Akteurinnen und Akteuren ausgebaut werden.
  • Sobald Lehrerinnen und Lehrer Zeichen von Radikalisierung feststellen, muss den Schulen ein Paket von konkreten Hilfsmaßnahmen und geschultes Personal zur Verfügung gestellt werden. Diese Hilfe sollte vom Bund organisiert und getragen werden. Konsequenzen sollten bei folgenden Anzeichen erfolgen:
    • Verweigerung zum Beispiel der Themen Sexualkunde, Holocaust, Evolution, Genozid an Armeniern
    • Forderungen nach Geschlechtertrennung, Gebetsräumen, Gebetspausen
    • Wenn Schülerinnen und Schüler andere Kinder wiederholt wegen ihrer Herkunft und/oder religiösen Überzeugung oder Weltanschauung zum Beispiel antisemitisch beschimpfen oder Mitschülerinnen stigmatisieren, die sich in ihren Augen "unehrenhaft" verhalten
  • Proaktive Elternarbeit durch Aufklärungsangebote über die nachhaltigen Folgen von Gewalt gegen Frauen für die Gesellschaft, finanziert durch Bundesmittel

Extremistische Organisationen werden oft durch ausländische Schirmherren mit frauenverachtender Agenda gefördert. Auch Bund und Länder unterstützen immer wieder Organisationen des extremistischen Spektrums. Daher fordern wir gesetzliche Regelungen zur Transparenz der Finanzierung gemeinnütziger Organisationen und die Einstellung staatlicher Förderung von und Zusammenarbeit mit religiösen Institutionen und Vertretern zum Zweck der Integration. Integration sollte sich immer um Individuen bemühen, nicht Menschen nach Herkunft und vermeintlicher religiöser Zugehörigkeit kollektivieren.

Wie die rechtsextremen Attentäter, die der Incel-Szene zugerechnet werden, zeigen auch islamistische Attentäter ausgeprägten Hass auf Frauen.

Deshalb fordern wir:

  • die Finanzierung von Forschung, die den Zusammenhang zwischen dem Hass auf Frauen und Extremismus analysieren, sowie die Einrichtung von Lehrstühlen, die insbesondere Formen des islamischen Extremismus untersuchen
  • den aktiven Schutz von Frauen und Männern, die bedroht werden, wenn sie über Extremismus berichten und/oder forschen

Wer die Werte des Grundgesetzes nicht überzeugend nach außen vertritt, wird sie im Inneren nicht verteidigen können. Die Bundesregierung und die Europäische Kommission müssen den Zusammenhang zwischen der Außenpolitik gegenüber Regimen, die eine Politik der Frauenverachtung verfolgen, und der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschlands und der Länder der Europäischen Union erkennen und dementsprechend handeln. Dazu gehört:

  • Die Einstellung der staatlichen Förderung aller Organisationen und Institutionen, die Verbindungen zu frauenfeindlichen Regimen unterhalten, zum Beispiel Propaganda des iranischen Regimes oder der türkischen Religionsbehörde verbreiten
  • Die Freilassung aller Frauen, die in Gefängnissen sitzen, weil sie für die Gleichberechtigung der Geschlechter eintreten
  • Den Stopp der Hinrichtung von Homosexuellen, den Stopp aller Hinrichtungen im Iran und in Saudi-Arabien zu fordern

Wir appellieren an die Bundesregierung und die Europäische Kommission, allen Regimen, in denen Geschlechterapartheid herrscht, mit konsequenten Sanktionen zu begegnen und sie zu isolieren.

Frauenfeindlichkeit, Antisemitismus und Homophobie müssen international geächtet und diejenigen Kräfte gestärkt werden, die sich für Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung einsetzen.

Wir appellieren an Sie, die Gefahr für unsere freiheitlichen und demokratischen Gesellschaften ernst zu nehmen und Extremismus zu bekämpfen. Nur durch konsequentes Vorgehen gegen jede Form der Diskriminierung von Frauen und Mädchen und Geschlechterapartheid kann Extremismus die Grundlage entzogen werden.

Verfasserinnen:

Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland
Naïla Chikhi, unabhängige Referentin für Integration und Frauenpolitik
Rebecca Schönenbach, Vorsitzende von Frauen für Freiheit e. V.

Erstunterzeichnerinnen:

Rana Ahmad, Vorstand der Säkularen Flüchtlingshilfe e. V.
Avzin Arbilly, freie Jounalistin
Ulrike Becker, Mideast Freedom Forum Berlin
Halina Bendkowski, Agentin für Feminismus & Geschlechterdemokratie
Brigitta Biehl, Rechtsanwältin, Mitfrau bei Terre des Femmes
Nazanin Borumand, Zentralrat der Ex-Muslime
Vera Botterbusch, Autorin und Regisseurin, Filmemacherin und Fotografin, Mitglied in BBK, PEN (Präsidium) und VS
Carola Dengler, säkulare Feministin
Birgit Ebel, Lehrerin und Gründerin der Präventions- und Empowermentinitiative "extremdagegen!"
Davina Ellis, unabhängige Denkerin
Manijeh Erfani-Far, Frauenrechtlerin, Frankfurt
Ninve Ermagan, Journalistin
Mitra Fazeli, Frauenrechtlerin, Dortmund
Verena Claudia Fuchslocher, Familientherapeutin, Bündnis 90/Die Grünen Mannheim
Melanie Götz, Soziologin, Mitglied bei Terre des Femmes
Krystyna Grendus, stellvertretende Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne
Dr. Elvira Grözinger, 2. Vorsitzende SPME-Germany
Sina Heshmati, Frauenrechtlerin, Essen
Prof. Dr. Barbara Holland-Cunz, Politikwissenschaftlerin (i. R.), Justus-Liebig-Universität Gießen
Dr. Agnes Imhof, Islamwissenschaftlerin und Autorin
Monireh Kazemi, Frauenrechtlerin, Frankfurt
Dr. Sylke Kirschnick, Literaturwissenschaftlerin
Stephanie Koch, Diplom-Bibliothekarin
Birgit Kreipe, Psychologin
Carola Kullmann, in Pension
Véronique Le Métayer, Lehrerin, Berlin
Ute Lefelmann-Petersen, Coach und interkulturelle Trainerin, Sprecherin der LAG Säkulare Grüne Schleswig-Holstein
Sandra Mai-Duffner, Realschullehrerin, Mitglied Bündnis 90/Die Grünen KV Schwarzwald-Baar
Hannah Melms, Massagetherapeutin
Doro Meuren, Diplom-Soziologin, Bündnis 90/Die Grünen, Weinheim
Gita Neumann, Diplom-Psychologin
Barbara Nieter, Musikwissenschaftlerin
Mahshid Pegahi Frauenrechtlerin, Frankfurt
Eva Quistorp, Mitglied des Europäischen Parlaments a. D.
Simone Rodan-Benzaquen, Europadirektorin American Jewish Committee (AJC)
Sabine Röseler, Politologin
Helke Sander, Regisseurin
Nooshin Sanjabi, Atheist Refugees/women lives matter
Viola Schäfer, Diplom-Psychologin
Dr. Doris Schöps, Lehrerin, Berlin
Monika Schröder, Lehrerin
Prof. Dr. Susanne Schröter, Ethnologin
Patricia Stempel, Sozialwissenschaftlerin
Jale Taleb Hariri, Frauenrechtlerin, Berlin
Nicole Thies, Säkulare Feministin/Aktivistin für Frauen- als Menschenrechte
Helga Tilp, Rentnerin (Lehrerin i. R.)
Rahima Valena, Bündnis 90/Die Grünen
Hannah Wettig, freie Publizistin, Bündnis 90/Die Grünen
Maya Zehden, Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e. V.
Nariman (Nachname aus Sicherheitsgründen zurückgehalten), Zentralrat der Ex- Muslime

Unterstützer:

AK Frauenpolitik, Kreisverband Böblingen, Bündnis 90/Die Grünen
Gero Ambrosius, Diplom-Sozialpädagoge
Wolfgang Benn, Ärztlicher Psychotherapeut, Weinheim
Initiative ehrlos statt wehrlos
Matheus Hagedorny, Mitglied im Präsidium der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e. V.
Joachim Helfer, Schriftsteller, Berlin
Werner Koch, gbs Stuttgart, Säkulare Flüchtlingshilfe Stuttgart
Ulrich Kurz, Ortsverband Herrenberg und Gäu, Bündnis 90/Die Grünen
Dr. Remko Leemhuis, Direktor American Jewish Committee (AJC) Berlin Lawrence & Lee Ramer Institute for German-Jewish Relations
Mideast Freedom Forum Berlin e. V.
Paul Nellen, Diplom-Politologe, Autor und Journalist, Bündnis 90/Die Grünen Hamburg/BAG Säkulare Grüne
Ralf Nestmeyer, Schriftsteller und Vizepräsident des deutschen PEN-Zentrums
Walter Otte, Rechtsanwalt, Sprecher der BAG Säkulare Grüne
Säkulare Flüchtlingshilfe Deutschland e. V.
Dr. Friedrich-K. Schmidt, Arzt für Allgemeinmedizin, Weinheim

Adressatinnen und Adressaten des Appells: Deutsche Bundesregierung, Auswärtiges Amt, Europäische Kommission, Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik

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