Kolumne: Sitte & Anstand

Mein Weg in die Spiritualität, Teil 8: Kampf den Verdünnisierten!

Auf meiner Reise in die große weite Welt der Spiritualität habe ich neulich erfahren, dass es weiterhin Geister gibt. Wie besorgniserregend!

Geister finde ich gar nicht so gut, sie tauchen in den blödesten Momenten auf, etwa wenn man nachts unschlüssig vor der offenen Kühlschranktür steht, und nicht selten haben sie den entscheidenden Vanille-Joghurt sogar schon böswillig entfernt, und nur leise hört man ihr meckerndes Lachen, während man spürt, wie die nächtliche Wachphase, die so hoffnungsvoll begonnen hat, nun eine Wendung ins Triste und Traurige nimmt. Unruhig wird man sich in seinen Kissen wälzen, während man überlegt: Wie machen die das nur, diese Geister? Dass sie zwar spirituell sind und aber doch auf die Materie einwirken können. Indem sie etwa Stühle im oberen Stockwerk verrücken, herrenlose Küchenmesser durch die Gegend werfen oder dem Hund unsichtbar eins auf die Nase geben, dass er empört kläffen muss?

Nun, da wo das Problem hockt, verbirgt sich auch immer die Lösung: An ihrer Feinstofflichkeit muss man die Geister packen, das hat das große Weltorakel im Internet ergeben. Meine Google-Suche "böse geister vertreiben" zeigt mir auf, was das große Info-Universum so zu bieten hat. Und vom Bayerischen Rundfunk bis zu Focus Praxistipps ist man sich einig: Böse Geister wird man los, indem man den Spieß mal umdreht und von der materiellen Welt aus in die feinstoffliche einwirkt – und wenn Sie jetzt sagen, das gehe ja gar nicht, denn letztere existiere ja nur in der Einbildung, dann haben Sie sich bloß zu viel mit Physik und Chemie beschäftigt, statt den Weg der Seele zu gehen. Na klar geht das!

Man räuchert die Biester nämlich aus. Rauch, das wird Ihnen jeder Zweijährige bestätigen, ist eine Art Umwandlung von Materie in Nichts, das ist ja ganz deutlich zu sehen, wenn man etwa ein Matchbox-Auto ankokelt oder wenn man am Lagerfeuer vergisst, den aufgespießten Marshmallow wieder aus der Flamme zu ziehen: Rauch ist Materie, die zu Luft wird, und Luft ist ja quasi Nichts, ist eine Art Äther, das ist ja das, wo die Verdünnisierten herumspuken, wenn es Ihnen im Jenseits noch zu langweilig erscheint – Geister! Zu deren Motivationslage, hier so rumzugeistern, sage ich jetzt mal lieber nichts, das ist ein hochkomplexes Thema, wohingegen eines sicher ist: Geister hassen Räuchergerüche! Alles andere ist denen egal. Doofe Geräusche, schlechte Stimmung, Schwelbrand, Überschwemmung, Atomexplosionen, Schalke-Wimpel – na und, sagen die Geister. Aber nun komm du ihnen mal mit der Kräutermischung von Amazon zu 12,90 Euro, da sind Stoffe drin, da ist schon die Lektüre des 50-Gramm-Beutels die reinste Beschwörung – Alant, Andorn, Beifuß, Holunder, Drachenblut, Rosmarin, Salbei, Melisse, Yerba Santa etc. etc., oder, wie wir Geisterexperten sagen: Kräuter der Provence.

Geister kriegen da so eine richtige Wut, wenn man ihnen damit einheizt. Räuchergerüche, das mögen die gar nicht, die Yerba-Santa-Moleküle kitzeln ihnen in den Rezeptoren ihrer zwischenreichlichen Zwischennase, sie wissen nicht, ob sie niesen oder weinen sollen, und dann fällt ihnen ein, dass sie nicht weinen können, niesen aber auch nicht, und in Höllenqualen schießen sie davon – obwohl sie ja an diesen Ort hier, wie man weiß, gebunden sind. Naja, die werden schon wiederkommen, notgedrungen, und dann wollen wir doch mal sehen, nächste Nacht, ob sie mir was Schönes in den Kühlschrank gestellt haben. Bis auf Weiteres atme ich erst mal tief durch, summe ein bisschen vor mich hin und mache mir noch einen Tee, nun, da ich die ganzen Kräuter schon mal da rumliegen habe.

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