Meilenstein für die Frauengesundheit

Argentinien legalisiert Abtreibungen

Ein Ruck geht durch Argentinien, das Heimatland des amtierenden Papstes. Kurz vor dem Jahreswechsel bestätigte der argentinische Senat ein Gesetz, das Abtreibungen bis zur 14. Schwangerschaftswoche erlaubt. Der Senat nickt damit einen von Präsident Alberto Fernández eingebrachten Vorschlag ab, nachdem ein ähnlicher Vorstoß seines Vorgängers im Jahr 2018 gescheitert war.

Mit 38 Ja- zu 29 Nein-Stimmen nahm der Senat den Gesetzesvorschlag an, der erst Mitte Dezember mit 131 zu 117 Stimmen knapp das Unterhaus passiert hatte. Die Kosten der Eingriffe soll das öffentliche Gesundheitssystem tragen, berichtet das ZDF. Das Gesetz folgt einem jahrelang fieberhaft geführten Streit (der hpd berichtete) in der mehrheitlich katholischen Nation.

Damit ist Argentinien das größte Land Süd- und Mittelamerikas, das Schwangerschaftsabbrüche in den ersten Monaten nahezu hürdenfrei zur Verfügung stellt. Lediglich Kuba, Uruguay und Guyana haben ähnlich liberale Regelungen. Tausende Menschen harrten in der Nacht zum 30. Dezember vor dem Senatsgebäude der Entscheidung, um nach Verkündung des Ergebnisses in einen Freudentaumel zu fallen.

Dem Klerus hingegen dürfte die Entscheidung des argentinischen Parlaments sauer aufstoßen. Der Pontifex persönlich schickte vor der Abstimmung einen handgeschriebenen Brief an die Abgeordnete Victoria Morales Goleri, in der er zwar die Arbeit bestimmter Frauenbündnisse lobte, jedoch auch die folgende Frage stellte: "Ist es gerecht, ein menschliches Leben zu zerstören, um ein Problem zu lösen? Und ist es gerecht, einen Killer anzuheuern?" Der Vatikan zeigt damit wieder einmal eindrucksvoll, wie wenig er das Thema Frauengesundheit durchdrungen hat. Wie sollte er auch, bei einer einhundertprozentigen Männerquote?

"Abtreibungen sind ein Fakt"

"Abtreibungen passieren, sie sind ein Fakt", zitiert die Deutsche Welle Präsident Fernández. Schätzungen zufolge finden jährlich bis zu einer halben Million heimlicher Schwangerschaftsabbrüche statt – das entspricht 40 Prozent aller Schwangerschaften. In jedem zehnten Fall kommt es dabei zu schwerwiegenden Komplikationen, die eine Krankenhausbehandlung nach sich ziehen.

Bis dato war der Abbruch einer Schwangerschaft in Argentinien nur unter extrem restriktiven Bedingungen möglich. Nur im Falle einer Gefahr für die Gesundheit der Mutter oder bei einer aus einer Vergewaltigung entstandenen Schwangerschaft durfte abgetrieben werden. Und selbst diese eng gesteckten Grenzen versuchten manche Akteure noch einzuschränken. Im Jahr 2019 beispielsweise wurde einem elfjährigen Mädchen, das von einem Familienmitglied vergewaltigt und geschwängert worden war, eine Abtreibung verweigert.

Ein Diktum mit Hintertür

Zu solch tragischen Fällen soll es nun nicht mehr kommen, so die Hoffnung von Präsident Fernández und den seit Jahren für Frauengesundheit kämpfenden Aktivist:innen. Dem neuen Gesetz zufolge ist das medizinische Personal zur Durchführung des Schwangerschaftsabbruchs binnen zehn Tagen sowie zur unbefangenen Aufklärung der Patient:innen verpflichtet. Doch es gibt ein Hintertürchen.

Die Vereinten Nationen monieren, dass Ärzt:innen die Durchführung einer Abtreibung noch immer aufgrund persönlicher Glaubenssätze ablehnen können. "Es ist nun wichtig, dass dieses Gesetz im gesamten Land angewandt und nicht durch politische Agenda oder religiöses Dogma unterminiert wird", so das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte. Eine Weigerung aufgrund persönlicher Gewissensfragen dürfe nur erfolgen, wenn die schwangere Person ohne Verzug und zusätzliche Belastungen an eine andere medizinische Einrichtung verwiesen werden kann. "Diese Klausel sollte keine neue Hürde für einen sofortigen Zugang zu Abtreibunsgdienstleistungen sein. Zeit ist essentiell", mahnt der Kommentar der Vereinten Nationen.

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