Zu den zwei Gesetzesvorschlägen über eine Suizidhilferegulierung in Deutschland

Nur gut gemeint

Ende Januar wurden von den Bundestagsabgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Karl Lauterbach (SPD), Petra Sitte (Linke), Swen Schulz (SPD) und Otto Fricke (FDP) beziehungsweise von Renate Künast und Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) zwei Gesetzentwürfe vorgelegt. Letzterer versteht sich nur als Diskussionsgrundlage für die spätere Erstellung eines Gesetzes. Beide Vorschläge haben eine für Gesetze untypische Länge und werfen die Frage auf: Warum will man für Deutschland das Rad neu erfinden?

Ein Blick in die Schweiz würde genügen, um festzustellen, dass die Suizidhilfe dort seit Jahrzehnten funktioniert, ohne dass relevante gesellschaftliche Kräfte daran bisher eine fundierte Kritik geäußert hätten:

Erstens genügt ein Paragraph im Strafrecht, der Suizidhilfe aus eigennützigen Gründen kriminalisiert; sicherlich zielt dies nicht nur auf Einzelpersonen, sondern auch auf Gruppen und Vereine ab.

Zweitens wird das Sterbemittel – Natrium-Pentobarbital (NaP) – vom Arzt rezeptiert, wobei vermerkt wird: "dosis letalis" (laut Dignitas bedeutet dies: 15 Gramm); das Rezept ist sechs Monate gültig. Es wird nie dem Sterbewilligen, sondern dem Sterbehelfer ausgehändigt, der in der Apotheke das Mittel bezieht.

Drittens wird der Staatsanwalt nach Vollzug des Suizides gerufen, so dass geprüft werden kann, ob etwas an der gewährten Suizidhilfe zu beanstanden war.

Aus unserer Sicht könnte man geschäftsmäßige Suizidhilfe auch hierzulande ähnlich regeln, sofern gleichzeitig die nötige Aktualisierung des Betäubungsmittelgesetzes erfolgt.

Das empfänden allerdings noch immer viele Deutsche als eine gewaltige Zumutung, nämlich diejenigen, die eine geregelte Suizidhilfe als etwas Schlimmes bewerten, das es zu verhindern gilt. Für die oben Genannten, die in einer organisierten Suizidhilfe etwas potenziell Gutes sehen, ist das, was in der Schweiz gut funktioniert, offenbar nicht gut genug, weil sie meinen, man müsse und könne alle denkbaren Gefahren von Schlamperei, Missbrauch etc. durch Dekrete ausschließen.

Relevant ist unseres Erachtens bei den Entwürfen unter anderem die Frage zum Umgang mit Minderjährigen sowie die mögliche Etablierung von Beratungsstellen. Die eine Variante sieht hierzu private Angebote vor; dazu könnte man sich vorstellen, dass sich ein Verein "Pro Sterbehilfe" gründet, der analog zu "pro familia" arbeiten würde. Die Alternative – staatlich getragene Beratungsstellen – würde wie kaum etwas anderes den Widerstand all derer provozieren, die lediglich immer nur das Eine umtreibt: Suizidhilfe möge in Deutschland niemals etwas "Normales" werden.

Es ist somit unwahrscheinlich, dass einer der Entwürfe in absehbarer Zeit im Bundestag eine Chance hat oder gar zu einem praktikablen Gesetz führen wird. Die gegenwärtige Hängepartie könnte sich auf Jahre hinziehen. Erfreulicherweise wird aber, dank des Richterspruchs aus Karlsruhe, inzwischen wieder organisierte Suizidhilfe angeboten. Allerdings wird mit Sicherheit das Interesse an Suizidmethoden zunehmen, bei denen man nicht auf eine Begutachtung durch andere und deren Erlaubnis angewiesen ist. Darauf haben wir bereits im September letzten Jahres in einem Beitrag in der Ärztezeitung hingewiesen, der auch weitere kritische Aspekte von Gesetzesvorschlägen anspricht.

Es geht uns ganz besonders um all die chronisch Kranken, die "nur" leidensmüde, aber nicht todkrank sind, und um jene, die die Diagnose "Demenz" erhalten haben. Beide Gruppen werden in diesen Gesetzentwürfen faktisch ausgeklammert. Wir – und sicherlich etliche LeserInnen – kennen jedoch nicht wenige Menschen, die sich in solchen Situationen ein selbstbestimmtes Sterben wünschen. Das Verfassungsgerichts-Urteil zum ehemaligen Paragraphen 217 bietet keine Handhabe für eine Politik, die die Zielgruppe von möglichen NaP-EmpfängerInnen derart einschränken würde, wie es die vorliegenden Gesetzentwürfe vorsehen!

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