Kommentar

Vom seltsamen Begriff der Freiheit

BERLIN. (hpd) Ein nicht freigeschalteter Kommentar auf unseren Artikel "Leere Klöster haben keinen Platz für Flüchtlinge" zeigt deutlich, wie fremdenfeidliche Ideen scheinbar harmlos daher kommen. Der Kommentar zeigt zudem, dass Pluralismus und Demokratie für manche noch immer Fremdworte sind und wie Menschen mit Meinungen, die nicht den eigenen entsprechen, bedroht werden.

Der ursprüngliche Artikel setzt sich kritisch damit auseinander, dass zwischen dem Anspruch der Kirchen auf Nächstenliebe und ihrer Hilfe für Flüchtlinge eine gewissen Schere klafft. Franz-Jakob Purkarthofer kommentierte Pressemitteilungen, die der hpd bereits aufgegriffen hatte, dass österreichische Klöster trotz vorhandener Kapazitäten keine Flüchtlinge aufnehmen wollen.

Diesen Artikel kommentierte ein "Manfred" mit dem einführenden Satz: "Ich finde diesen Artikel unverschämt! ihr macht es euch echt einfach. Erst einmal alles in Frage stellen und dann hetzen."

Damit ist die Marschrichtung vorgegeben und es wird sofort dazu übergegangen, "die Muslime" anzugreifen "ich habe noch nie gehört das muslimische Religionsgemeinschaften buddhistischen, hinduistischen oder gar christlichen Gemeinschaften Unterschlupf gewährten." Auch wenn "Manfred" das noch nie gehört hat: die stärkste Last der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien tragen die Anrainerstaaten: Die Türkei, der Irak, Jordanien. Nach Angaben des UNHCR leben allein in der Türkei etwa zwei Millionen geflohene Syrer. Die Türkei ist somit das Land, das weltweit den meisten Geflohenen Schutz bietet. Offizielle Zahlen sprechen von mehr als vier Millionen syrischen Flüchtlingen.

"Ich erinnere mich an Berichte, wie gefährlich es ist in solchen Ländern für Missionare die garnicht unoft attackiert werden und mit Leib und Leben bedroht." Der Kommentator vergleicht hier christliche Missionare mit Bürgerkriegsflüchtlingen und nennt das dann - darin ist er sich mit Manfred Kauder einig - Christenverfolgung. Die einen fliehen, um dem Tod und dem Elend zu entgehen, die anderen wollen Menschen davon überzeugen, dass ihr Gott der bessere ist.

Doch wenn "Manfred" schon seltsame Vergleiche anstellt, richtig seltsam wird es, wenn er über die Trennung von Staat und Kirche spricht: "Unabhängig von meiner Konfession finde ich es eine Sauerei das in deutschen Schulen christliche Symbole von der Wand abgehangen werden müssen, aber islamische Schüler bekommen Freizeiten vom Beten. Wir messen hier wieder mit zweierlei Maß!" Man könnte, wenn man schnell mit seinem Urteil bei der Hand ist, ihm zustimmen. Denn tatsächlich ist die Entscheidung von 2008, in einer Schule einen islamischen Gebetsraum vorzuhalten, mehr als fragwürdig. (Im Übrigen wurde das nie Praxis; der klagende Schüler verließ kurz danach die Schule.) Leider scheint "Manfred" entgangen zu sein, dass sich viele Schulen nicht sonderlich um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Mai 1995 kümmern und in Bayern und Baden-Württemberg sogar bewusst gegen den "Kruzifix-Beschluss" verstoßen wird.

Kurz darauf zeigt sich "Manfred" dann als vollwertiger Pegida-Anhänger - seine Sätze lassen diesen Schluss jedenfalls zu: "Mir stinkts wenn ich an jeder Ecke von den Medien höre das das rechte Gedankengut wieder aufkeimt nur weil der deutsche Durchschnittsbürger sich darüber beschwert das es so langsam reicht." Die Schlussfolgerung, die nicht nur unser Kommentator zieht, sondern viele derer, die in Dresden und anderenorts gegen die "Lügenpresse" mosern, lautet: "Wenn die Mehrheit nicht meiner Meinung ist, dann muss die Mehrheit irren. Denn ich habe Recht." Wenn also in fast allen Medien vor der Gefahr des Rechtspopulismus und der Ausländerfeindlichkeit gewarnt wird, dann ist der deutsche Michel empört. Denn "das wird man doch wohl mal sagen dürfen" ist sein Mantra und dass seine Ideen ewiggestrig und leicht angebraunt sind, nimmt er nicht wahr.

"Und ich finde es reicht so langsam mit diesen Hetzartikeln die sich gegen das eigene System auflehnen nur auf dieser Welle mit zu surfen. Die Länder und Kommunen haben keine Kohle mehr das alles zu stemmen, ansässige Familien müssen 2–3 Jobs aufnehmen um ihre rechtlich zugesicherten Grundbedürfnisse zu stillen, wir haben Kinder die auf der Straße leben weil die Schlupflöcher des sozialen Netzes im Größer werden. Rentner die Ihr Lebtag hart gearbeitet haben und sich heute vor einer geschlossenen Tafel wieder finden weil die Tafel neuerdings primär Flüchtlinge verköstigen."

Ja, das klingt wie das soziale Gewissen der Nation. Auch wenn da allerhand Begriffe durcheinander geworfen werden und selbst blanke Lügen verallgemeinert werden. Was dieser Ausschnitt aus dem Kommentar deutlich aufzeigt: Es sind die Sozialängste, die "Manfred" irgendjemanden suchen lässt, der noch schwächer ist als er und den er deshalb "schuldig" sprechen kann. Ihm jedenfalls würde nie die Idee kommen, dass es die Politik der vergangenen 20 und mehr Jahre ist, die den Sozialabbau betrieb. Das hat mit den Flüchtlingen absolut nichts zu tun. Es war ganz sicher kein Syrer, der die Agenda 2010 und die Hartz-IV-Gesetze gemacht hat.

Offenbar scheint "Manfred" schon einmal mit seiner sehr einfachen Weltsicht angeeckt zu sein: "Und sobald sich Jemand beschwert und sagt es reicht, werde ich ‘als Rechte sau’ beschimpft die Fremdenhass propagiert."

Er fährt fort: "Ich habe auch ein Recht auf Meinungsfreiheit und niemand darf mich darin beschneiden. Ich habe ein Recht auf meine Religion und die gehört mir!" Seine Meinungsfreiheit sei ihm unbenommen; er darf nur nicht erwarten, dass seine Meinung unwidersprochen bleibt. (Das gilt auch - sogar unwidersprochen - für sein Recht auf Religionsfreiheit.)

Doch so demokratisch denkt "Manfred" nicht. Er hat eine ganz eigene Interpretation von Freiheit: Es ist nur das Freiheit, was seiner Meinung entspricht. Und wenn nicht: "Von daher wird es so langsam mal Zeit das wir an die Pressefreiheit gehen und überlegen was ihr da schreibt!"

Drohungen dieser Art und mit diesem "geistigen" (und geistlichen) Hintergrund gibt es seit mindestens einhundert Jahren; Carl von Ossietzky und Kurt Tucholsky haben darüber schon in den 20-iger und 30-iger Jahren des vorigen Jahrhunderts geschrieben. Ossietzky war im Gefängnis, weil er schrieb, was er dachte und Tucholsky musste dafür ins Exil gehen. Der braune Sumpf, der sie dorthin brachte, ist offenbar noch immer nicht trockengelegt.

Kommentatoren wie "Manfred" begreifen nicht einmal, dass sie mit ihrer kruden Mischung aus Religion und Kleinbürgerlichkeit Steigbügelhalter sind für die, die Flüchtlingsheime anzündeln. Das Elend der Schwächsten ist ihnen gleichgültig.


Hinweis: Die etwas eigenwillige Schreibweise der Zitate wurde beibehalten.