Studie:

Suchen evangelikale Männer häufiger nach Potenzmitteln?

Kann Religion ausschließlich Privatsache bleiben? In welchem Maße Überzeugungen mit religiösen Wurzeln über die Gruppe der gläubigen Individuen hinaus Werte und Ideale einer ganzen Gesellschaft beeinflussen, haben nun zwei amerikanische Sozialwissenschaftler untersucht. Ihr Forschungsgegenstand – der Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Google-Suchen nach Potenzmitteln und dem Anteil von Evangelikalen an der Bevölkerung eines US-Staates – mag skurril anmuten. Die Ergebnisse legen jedoch umfangreiche Schlussfolgerungen nahe.

Denn phallische Symbolik und sogar explizite Phallus-Referenzen gehörten seit Jahrzehnten zum festen Repertoire in der Rhetorik prominenter evangelikaler Wortführer, schreiben Samuel Perry und Andrew L. Whitehead im Journal for the Scientific Study of Religion. In dieser patriarchalen Denkwelt dienten sie dazu, "physische Stärke aufzuwerten oder – in den meisten Fällen – christliche Männer wegen mangelnder 'Maskulinität' zu geißeln." Auch vereinzelte Gegenbewegungen hätten diese Praxis nicht eingedämmt.

Doch was ist, wenn das sichtbare Zeichen vermeintlicher männlicher Überlegenheit, die Potenz, schwächelt oder dem beschworenen Ideal nicht entspricht? Die Antwort liegt Perry und Whitehead zufolge in der Auswertung von Google-Suchanfragen. Demnach werden in Staaten mit wachsendem Anteil an evangelikalen Christen in der Bevölkerung auch öfter Begriffe wie "male enhancement", "ExtenZe", "penis pump", "penis enlargement" und ähnliche gesucht. Der Effekt ist unabhängig von Faktoren wie Geschlecht, Bildung, politische Einstellung, Alter beziehungsweise dem Anteil der Verheirateten oder dem schwarzer Menschen an der Bevölkerung.

Doch was sagt dieser Befund über die Nutzenden aus? Die Entscheidung, in der Studie Daten der Suchmaschine zu verwenden, statt eigene Befragungen durchzuführen, bringt Vor- und Nachteile in Bezug auf die Aussagekraft des Ergebnisses mit sich. So haben Perry und Whitehead das Risiko umgangen, sich auf Eigenauskünfte von Probanden verlassen zu müssen – diese Methode ist berüchtigt für ihre Unzuverlässigkeit, vor allem bei Befragungen zu sehr persönlichen Themen – wer gibt schon gerne zu, nach Potenzmittelchen zu googlen? Andererseits erlauben solche anonymisierten Daten keinerlei Rückschlüsse auf die individuellen User. Es bleibt also offen, ob es tatsächlich Männer aus evangelikalen Gemeinschaften sind, die die entsprechenden Suchanfragen in die Höhe treiben.

Diesen Umstand haben offenbar auch Perry und Whitehead berücksichtigt. Sie sehen das Ergebnis ihrer Untersuchung als Beleg, dass sich die Werte der "evangelikalen Subkultur", darunter die "unerreichbare, phallozentrische Maskulinität", auf die umliegende Gesamtgesellschaft übertragen. Im Zuge dieser Entwicklung entstehe auch bei Männern außerhalb evangelikaler Gemeinschaften der Wunsch, dem Ideal vom "starken Mann im Haus" nahezukommen.

Diese Wirkung beschränke sich auch nicht notwendigerweise auf Angehörige des männlichen Geschlechts, so die Autoren weiter. Denkbar sei auch, dass einige der Suchanfragen von Frauen stammen, welche ein Mittel gegen die vermeintlichen körperlichen Unzulänglichkeiten ihrer Partner suchen. Dies würde darauf hindeuten, dass der gesellschaftliche Druck eines veralteten Geschlechterbildes an ihnen nicht spurlos vorbeigeht – ein empfindlicher Backlash in einer Welt, in der sich progressive Kräfte für Geschlechtergerechtigkeit stark machen.

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