Seit 2017 unterhält das Soziale Netzwerk Facebook sogenannte "Glaubenspartnerschaftsteams". Diese arbeiten mit Kirchengemeinden und anderen religiösen Communities in den USA zusammen, um die Plattform als Anbieter für "Religionsausübung im virtuellen Raum" zu etablieren. Die Strategie geht auf.
"Menschen sollen wissen, dass, wenn sie traurig, enttäuscht oder einsam sind, Facebook ein Ort ist, wo sie sofort mit Menschen in Verbindung treten können, die sich um sie kümmern." So drückte es Nona Jones aus, ihres Zeichens Direktorin für globale Glaubenspartnerschaften bei Facebook sowie Seelsorgerin bei einer nicht konfessionsgebundenen Kirche. Nicht konfessionsgebundene Kirchen sind, summiert man ihre Mitglieder auf, die drittgrößte christliche Gemeinschaft in den USA.
Terra cognita
Facebooks neuester Coup ist der Vorstoß in den Raum religiöser Gefühle. "Glaubensgemeinschaften und Soziale Netzwerke sind wie füreinander geschaffen, da beide auf dem grundlegenden menschlichen Bedürfnis nach Zwischenmenschlichkeit aufbauen", sagte Sheryl Sandberg, Facebooks Chief Operating Officer, bei einem virtuellen Treffen mit Vertreter:innen von Glaubensgemeinschaften im vergangenen Monat. "Unsere Hoffnung ist, dass Menschen eines Tages ihre Religion auch im virtuellen Raum ausüben können, dass augmentierte Realität als Werkzeug genutzt wird, um Kindern religiöse Geschichten veranschaulichen zu können", so Sandberg.
Wenn eine Firma diese Vision umsetzen kann, dann Facebook. Denn anders als beispielsweise Google oder Apple ist es dem Konzern von Mark Zuckerberg gelungen, private und öffentliche Räume gleichermaßen zu monetarisieren. "Diese Partnerschaft zeigt, dass Big Tech und Religionsgemeinschaften mehr wollen als einst analoge Dienste in die digitale Welt zu verlagern. Facebook formt die Zukunft der Religionsausübung selbst, so wie die Firma es bereits mit dem politischen und dem sozialen Leben getan hat", resümiert Elizabeth Dias in einem Bericht der New York Times.
Pay per Prayer
In Zeiten der Pandemie sind die US-amerikanischen Kirchen dankbar für jede zusätzliche Einnahmequelle, die sich ihnen bietet. So hat die Church of God in Christ, eine überwiegend afroamerikanische, nicht konfessionsgebundene Kirche mit etwa sechs Millionen Mitgliedern auf der ganzen Welt, vor kurzem ein Abomodell implementiert.
Gläubige können per Facebook ein Abonnement mit einem monatlichen Fixbetrag abschließen, im Gegenzug erhalten sie exklusiven kirchlichen Content, beispielsweise Briefe des Bischofs, die zahlungsunwilligen Gläubigen vorenthalten bleiben. Auch einen Service zur Entgegennahme von Spenden in Echtzeit, eine Art "digitalen Klingelbeutel" also, hat die Kirche in Zusammenarbeit mit Facebook eingerichtet. Angeboten – von der Church of God in Christ allerdings abgelehnt – wurde die Möglichkeit, Werbeanzeigen während des Livestream-Gottesdiensts anzuzeigen.
Ein weiteres Feature, das Facebook dieses Jahr vorgestellt hat, ist die sogenannte "Gebets-Funktion". Diese ermöglicht es Nutzer:innen innerhalb bestimmter religiöser Facebook-Gruppen, andere um ein Gebet für sich selbst oder ihnen nahestende Menschen zu bitten.
Es gibt keinen Datenschutz im Reich Gottes
Aufmerksame Beobachter:innen, die sich mit den in den letzten Jahren durchaus zahlreichen Anhörungen Facebooks vor dem US-Kongress befasst haben, dürfte nun eine ganz bestimmte Frage ereilen: Werden die so gesammelten Daten monetarisiert oder weiterverkauft? Eine nicht unerhebliche Frage, ist die religiöse Orientierung eines Menschen doch eine der intimsten, persönlichsten Informationen überhaupt. Nicht ohne Grund müssen Millionen von Menschen ihre jeweilige Religion (oder ihre Abkehr von derselben) hinter verschlossenen Türen halten.
Noch gibt es keine belastbare Aussage Facebooks dazu, inwieweit Daten aus Live-Messen und anderen religiösen Events, die auf der Plattform stattfinden, monetarisiert werden. Eine Sprecherin des Unternehmens sagte lediglich, die Daten würden "behandelt wie die Daten aller anderen Nutzer:innen auch" und dass Verschwiegenheitsvereinbarungen "verpflichtend für alle am Produktdesign beteiligten Parteien" seien. Nach Maßhaltung bei der Monetarisierung hört sich das nicht an.
Facebook wäre auch nicht Facebook, würde es generös auf die aggressive Monetarisierung dieser Daten verzichten. Der Konzern muss schließlich wachsen und die aus den Daten gewonnen Informationen über die eigenen Nutzer:innen sind Facebooks mit Abstand profitabelstes Produkt.
Informationen darüber, wer welcher Glaubensströmung angehört, wer wofür und in welcher Höhe spendet, wer bei welchen kirchlichen Themen besonders viel Engagement zeigt, sind bei Kirchen wie auch bei Werbetreibenden gleichermaßen begehrt. Um es mit Sam Collier, Pastor der Hillsong Church in Atlanta, zu sagen: "[Wir arbeiten mit Facebook zusammen], um Kirchen bei der Orientierung zu helfen und Konsument:innen besser zu erreichen."
16 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Damit ist der Gipfel der Menschenverdummung erreicht und Facebook hat eine neue Geldquelle erschlossen.
" Unsere Hoffnung ist, dass Menschen eines Tages ihre Religion auch im virtuellen Raum
ausüben können, dass augmentierte Realität als Werkzeug genutzt wird, um Kindern religiöse Geschichten veranschaulichen zu können."
Das bedeutet nichts anderes, als dass Kinder dann schon über digitale Medien verdummt werden können, indem sie dort mit erfundenen Geschichten konfrontiert werden, welche jeglichen Bezug zur Realität vermissen. Dies ist nichts anderes als Indoktrination via
Internet, die religiöse Brut schreckt vor nichts zurück um Menschen unmündig und realitätsfern zu halten, dem muss Humanismus eindringlich entgegenhalten.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
"...Zwischenmenschlichkeit aufbauen": Damals, vor sehr vielen Jahren hat das Telefon die Zwischenmenschlichkeit eher ab- als aufgebaut.
Petra Pausch am Permanenter Link
Das ist so unglaublich falsch, was Sie da sagen (einmal abgesehen davon, dass Sie sich über Kommunikation im Internet mokieren - und das via Internet...)
Das Telefon ermöglichte die moderne Wirtschaft; es ermöglicht bis heute den Kontakt zu lieben Menschen, die an anderen Orten leben. Ja, das haben Brieftauben und Postkutschen auch getan... aber nicht zeitnah. Ich bin sehr glücklich darüber, regelmäßig mit meinen Eltern telefonieren zu können die in einer anderen Stadt leben. Wer dem eine Verbesserung der Zwischenmenschlichkeit abspricht hat den Begriff nicht verstanden.
Lucy G. am Permanenter Link
Und so verhält es sich eben auch mit Religion. Der Glaube verbindet, hält die Gemeinschaft zusammen. Eine tolle Sache, diese Religion.
A.S. am Permanenter Link
Gemeinschaftlich beseitigen Menschen z.B. Hochwasserschäden, aber gemeinschaftlich führen Menschen auch Krieg gegen andere Menschen.
"Gemeinschaft" ist höchst ambivalent.
Gute Taten tragen ihre Legitimation in sich - böse Taten brauchen eine trickreiche Begründung um sie "gut" ausschauen zu lassen. Hierbei hat sich der vorgebliche "Wille Gottes" bewährt, z.B. bei der Abschlachtung religiöser Konkurrenz.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ein Telefonat kann den persönlichen Kontakt kaum ersetzen. Einmal Oma/Opa im Altenheim zu besuchen ist mehr Wert als 100 Telefonate.
Detlev F. Neufert am Permanenter Link
Werbung im virtuellen Gottesdienst? Abgreifen von Daten, um den Glauben auch bei facebook in Geld umzuwandeln? Kurz: Dem Mammon dienen. Wir Christen müssen uns dagegen wehren. Wie?
A.S. am Permanenter Link
Beim Abkassieren von Gläubigen ist facebook nur Trittbrettfahrer. Haupt-Abkassierer sind die Religionsgemeinschaften selbst.
Detlev F. Neufert am Permanenter Link
Beides nicht zu akzeptieren.
klaus Weidenbach am Permanenter Link
Sie scheinen weder die Unmoral des Alten Testaments noch die intoleranten Sprüche des des Neuen Testaments zu kennen. Zwei Beispiele aus dem AT:
2. Zwei Engel kommen zu Lot, um ihn vor dem Untergang Sodoms zu retten. Menschen aus Sodom fordern die Herausgabe der Engel, was Lot verweigert. Stattdessen bietet er seine beiden Töchter als Ersatz an:" Lot sprach: Ach, liebe Brüder, tut nicht so übel! Siehe, ich habe zwei Töchter, die wissen noch von keinem Manne;die will ich herausgeben unter euch, und tut mit ihnen, was euch gefällt." (1. Mos.19, 7,8) Schachspielen dürfte nicht gemeint gewesen sein.
Im neuen Testament steht folgender Spruch Jesu: Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel (Mt. 15, 24)
Und bei Markus 16, 16 heißt es: Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.
Oder bei Joh 15,6 : Wer nicht in mir bleibt,der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und müssen brennen.
Rund 2000 Jahre hat sich die Christenheit an solche "toleranten" Aussagen gehalten, alles was sich nicht in den kirchlichen Terror einfügen wollte, wurde vernichtet. Das Christentum hat keinerlei Berechtigung, ethisch - moralische Prinzipien aufgrund ihrer "Heiligen Schrift" aufzustellen. Ich könnte Ihnen noch hunderte weitere unmoralische Stellen aufzählen. Sie haben wahrscheinlich nur die "schönen" Stellen gelesen, die als Tageslosung in Buchform von den Kirchen herausgegeben werden, auf dass sich die frommen Seelen an den Sprüchen erbauen. Lesen Sie die ganze Bibel und machen Sie sich kundig über die Geschichte des Christentums in allen seinen grausamen Ausformungen. Wenn Sie dann immer noch Christ sind, haben Sie nichts verstanden.
Detlev F. Neufert am Permanenter Link
Sorry, intolerant scheinen eher Sie zu sein.
klaus Weidenbach am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Neufert! Wenn man der neutestamentlichen Forschung vertrauen kann, hat sich Jesus Zeit seines Lebens als Jude verstanden. Dementsprechend galten die sog.
Die Idee der Nächstenliebe ist in der Tat großartig, nur leider keine Erfindung Jesu. Schon im Konfuzianismus und im Hinduismus gab es die Idee der "Goldenen Regel", in der heute gebräuchlichen Versform: Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Schaut man sich aber die Geschichte des sog. christlich-jüdischen Abendlandes und ihrer verheerenden Auswirkungen auf den Rest der Welt an, muss man leider sagen: Von Toleranz, Nächstenliebe, Menschenwürde, Liberalität, Meinungsfreiheit, Sklavenbefreiung, Gleichberechtigung all den Vorstellungen, die wir mit einem weltlichen Rechtsstaat verbinden, kamen den christlichen Herrschern, seien sie weltlich oder geistlich gewesen, überhaupt nicht in den Sinn. Wer den Kopf aus der großen Masse herausstreckte, war ihn bald los. Da half ihm keine Religion, weder katholisch noch lutherisch noch calvinistisch. Wer nicht ins Raster passte wurde passend gemacht. Vielleicht wird der Mensch einmal die Fähigkeit entwickeln, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen. Leider hatte er bisher lt. Kant nur die "Fähigkeit, Eingebildetes, Vorgestelltes und Scheinbares für wahr zu halten (Götter).
Michael am Permanenter Link
Da muss ich Herrn Weidenbach zustimmen. Sie, Herr Neufert, haben ja überhaupt keine Ahnung von der Materie. Bitte erst informieren und dann ggf. mitdiskutieren.
Martin am Permanenter Link
Und gleich links neben dem kritischen Artikel sehe ich die Werbelogos für Facebook und den zum Facebook-Imperium gehörenden Dienst Whatsapp. Muß das sein?
Irmina Richter am Permanenter Link
Damit kann man den betreffenden Artikel in Social Media teilen. Außerdem kann man ihn auch noch als e-Mail (an einen guten Freund) verschicken oder ihn (für sich selbst) ausdrucken.
Martin am Permanenter Link
Das kann man auch über einfaches Kopieren des Links (aktuelles URL/URI). Man muß dazu keine Werbung Facebook- oder Whatsapp-Werbe-Buttons einblenden.