Fliegendes Spaghettimonster

Kirchenvertreter verlieren Kampf gegen Nudelmessehinweisschilder

Nun steht es endgültig fest: In Templin dürfen die Nudelmessehinweisschilder der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland (KdFSMD) dauerhaft hängen bleiben. Vertreter der christlichen Kirchen Templins schreckten zuletzt auch vor Verleumdung der KdFSMD nicht zurück, um den Erhalt der Schilder zu verhindern.

Politische Entscheidungen fallen im Allgemeinen nicht auf der großen Bühne der Politik, sondern in entsprechenden Fachausschüssen. Das gilt auf der Ebene des Bundes ebenso wie in den Kommunen. Fachlich kompetente Politiker aller gewählten Parteien beraten in solchen Ausschüssen Sachfragen und sprechen am Ende eine Empfehlung aus, wie vom Stadt- oder Gemeinderat über bestimmte Anträge abgestimmt werden soll. Üblicherweise folgt der Rat den Abstimmungsempfehlungen der Ausschüsse.

Ein solcher formaler Abstimmungsakt sollte am 27. Oktober eigentlich auch die Zustimmung zum Erhalt der Nudelmessehinweisschilder der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e. V. durch die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Templin werden. Bereits im September hatte sich der zuständige Ausschuss Soziales, Kultur, Bildung und Sport der Stadt Templin mit deutlicher Mehrheit dafür ausgesprochen, folgendem Antrag der Fraktionen Uckermärker Heide und Die Linke zuzustimmen:

"Der Verein 'Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e. V.' erhält dauerhaft die Berechtigung, die Hinweisschilder zur Nudelmesse an den Einfahrten zur Stadt Templin gemäß den Vorgaben der Verwaltung der Stadt Templin anzubringen."

Im Jahr 2014 begann der Schilderstreit von Templin. Ebenso wie andere Religions- und Weltanschauungs-gemeinschaften wollte auch die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e. V. (KdFSMD) an den Ortseingangsstraßen der Stadt mit sogenannten "Gottesdiensthinweistafeln" auf ihre jeden Freitag stattfindenden Nudelmessen hinweisen. Da sich die KdFSMD als Weltanschauungsgemeinschaft versteht, beantragte sie bei der zuständigen Behörde eine entsprechende Genehmigung. Was folgte, war zunächst eine Genehmigung, dann deren Rücknahme und daraus folgend ein Rechtsstreit, der sich bis zum Bundesverfassungsgericht und zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zog. Das Bundesverfassungsgericht wies die Verfassungsbeschwerde der KdFSMD 2018 ab, da ihm ihre weltanschauliche Betätigung nicht plausibel schien, und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte umging 2019 die Beschäftigung mit dem Fall durch eine juristische Finte. Da die Nudelmessehinweisschilder der KdFSMD seit Rücknahme der Genehmigung nicht an den Ortseingangsstraßen Templins hängen durften, erklärte sich der Templiner Bürgermeister Detlef Tabbert bereit, ihnen für die Dauer des Rechtsstreits Asyl an jenen Masten zu gewähren, an denen die Städtepartnerschaftsschilder hängen. Denn im Gegensatz zu den Ortseingangsstraßen, über die der Landesbetrieb Straßenwesen die Oberhoheit hat, gehören die Städtepartnerschaftsmasten hinter dem Ortseingangsschild zum Hoheitsbereich der Stadt. Nachdem der Rechtsstreit nun 2019 sein Ende gefunden hatte, regten sich in Templin Stimmen, die ein Abnehmen der Schilder forderten. Doch es gab dort auch weiterhin Freunde der Nudelmessehinweisschilder, die die kleine Stadt in der Uckermark weltweit bekannt gemacht hatten.

Doch als die Entscheidung des Ausschusses bekannt wurde, setzten christliche Funktionäre in Templin alles daran, eine Zustimmung der Stadtverordnetenversammlung zum Erhalt der Nudelmessehinweisschilder zu verhindern.

In einem gemeinsamen Brief (der dem hpd vorliegt) wandten sich führende Vertreter der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde sowie der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde von Templin mit der Bitte an die Stadtverordneten, dem Antrag zum Erhalt der Nudelmessehinweisschilder nicht zuzustimmen. Man wolle zwar den kirchenkritischen Schwerpunkt der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland e. V. nicht kritisieren, heißt es in dem Brief, wohl jedoch, dass sich der Verein "zur Durchsetzung seiner Ziele fragwürdiger Methoden" bediene. Als solche betrachten die Kirchenfunktionäre, dass die KdFSMD Religionsgemeinschaften und deren traditionelle liturgische Ausdrucksformen persifliere.

In der Tat beinhaltet die Nudelmessezeremonie der Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland liturgische Elemente, die an jene von bekannten Religionen erinnern. So gibt es als zeremoniellen Höhepunkt eine Nudel-Kommunion sowie eine Lesung vom Nudelholz, welches an eine Torarolle erinnert. Auch pastafarische Feiertage wie der Garfreitag, das Passtahfest oder der Ramendan erinnern frappant an ähnliche Feiertage der christlichen, jüdischen und muslimischen Religion.

Nun ist es ein bekanntes Phänomen, dass Religiöse oft satirisch unmusikalisch sind – insbesondere, wenn sich Satire mit religiösen Inhalten beschäftigt. Dass derartige Nudelbräuche christlichen Kirchenfunktionären nicht schmecken, ist also wenig verwunderlich. Doch statt primär über den eigenen Schmerz der fremden Neuinterpretation christlicher Rituale zu klagen, packten die Templiner Ober-Christen ohne Skrupel die Antisemitismuskeule aus:

"Die Verunglimpfung des jüdischen Glaubens und der christlichen Kirchen in der jüngeren deutschen Geschichte sollte Anlass sein, dass der Staat und damit auch die Stadt solchen Bewegungen keinen Vorschub leisten. Dieser Verein ist zwar offenkundig so unbedeutend und bizarr, dass er eigentlich keine Beachtung verdient und jede Diskussion über diese Schilder ihm eine unverdiente Öffentlichkeit beschert. Immerhin findet sich aber auf seiner Homepage nicht nur die Verballhornung des christlichen Glaubensbekenntnisses, sondern auch die Erklärung, dass das in der 'Liturgie' verwendete Nudelholz die Tora-Rolle ersetzt. Zumindest Letzteres wirft Fragen auf, ob hier nicht eine Grenze überschritten wird. Es sei daran erinnert, dass in der Geschichte antisemitische Tendenzen häufig ihren Anfang in der Verballhornung jüdischer religiöser Symbole nahmen."

Dass es im Laufe der Geschichte vor allem die katholische und die evangelische Kirche waren, die antisemitische Ressentiments geschürt haben, schien den Kirchenvertretern beim Verfassen ihres Briefs entfallen zu sein. Wer möchte sich auch schon von unliebsamen Fakten stören lassen, wenn er die eigenen Machtinteressen durch haltlose Verunglimpfung Anderer durchzusetzen versucht. So zieht sich der Vorwurf des Antisemitismus weiter durch die Zeilen des Briefs, steigert sich zur Frage nach der Wirkung der Schilder auf religiöse Neutempliner, ("wenn in Templin 'Weltoffenheit' mit Verhöhnung religiöser Symbole – obendrein Symbole jüdischen Glaubens, was in Deutschland eine sehr fürchterliche Geschichte hat – gleichgesetzt wird") und wird schließlich noch um die Sorge um die religiösen Befindlichkeiten "unserer muslimischen Mitbürger" erweitert.

Erstaunlich, dass sich bei soviel interreligiöser Sorge um verletzte religiöse Gefühle neben Vertretern der christlichen Kirchen offensichtlich weder ein jüdischer noch ein muslimischer Vertreter finden ließ, der den Brief der christlichen Funktionsträger unterzeichnet hätte.

Der Brief ist starker Tobak, der nach Ansicht mancher Juristen die Grenze zur Verleumdung überschreitet. Doch der christliche Kreuzzug gegen die Nudelmessehinweisschilder war damit noch nicht beendet. Nach einem Leserbrief des katholischen Gemeindereferenten in der örtlichen Tageszeitung folgte das letzte Gefecht in der entscheidenden Stadtverordnetenversammlung am 27. Oktober. Am Anfang der Versammlung hatten Bürger die Möglichkeit, in einer Einwohnerfragestunde Fragen zu stellen. Diese Fragestunde wurde, wie Beobachter der Versammlung berichten, von mehreren prominenten Kirchenvertretern Templins nicht zum Stellen von Fragen genutzt, sondern um gegen den vorliegenden Antrag zum Erhalt der Nudelmessehinweisschilder Stimmung zu machen.

Die Aktionen der Kirchenfunktionäre zeigten Wirkung. Während das Abstimmungsergebnis im Sozialausschuss Ende September ein deutliches Ja für den Erhalt der Nudelmessehinweisschilder ergab, war das Ergebnis der Abstimmung der Stadtverordnetenversammlung denkbar knapp. Mit nur 10 Ja-Stimmen zu 8 Gegenstimmen bei 4 Enthaltungen fiel die Entscheidung für den dauerhaften Erhalt der Nudelmessehinweisschilder in Templin.

In alten Kulturen galt oftmals jene Gottheit als stärkere, die ihren Anhängern zum Sieg über die Anhänger einer anderen Gottheit verhalf. Würde man solche Kriterien auch heute noch anwenden, so müsste man konstatieren, dass das Fliegende Spaghettimonster gegenüber dem christlichen Gott das deutlich längere nudelige Anhängsel hat. Doch Gott- und Monsterseidank herrschen heute ja aufgeklärte Zeiten, in denen man weiß, dass solche Gottesvorstellungen Unsinn sind.

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