Internes PR-Papier: Woelki beeinflusste offenbar Betroffenenbeirat

Mittels perfider Methoden hat Kölns ranghöchster Geistlicher offenbar einige der Betroffenen sexuellen Missbrauchs manipuliert. Er hat viel Geld dafür ausgegeben, dass ein zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle geschaffenes Gremium ihn so berät, wie er es gerne hätte. Einmal mehr zeigt sich, dass die fehlende Trennung von Staat und Religion Aufklärung verhindert.

Die Kritik an der katholischen Kirche reißt nicht ab. Immer wieder kommen neue Fälle von Kindesmissbrauch oder der Vertuschung von selbigem ans Tageslicht. Die Ankündigungen, künftig einen anderen Umgang mit Geschädigten zu pflegen, bleiben häufig folgenlos. Und auch der Einfluss des sogenannten "Synodalen Wegs", auf den vonseiten der Kirche energisch verwiesen wurde, fällt überschaubar aus. War anfangs die Hoffnung noch groß, dass dieser grundlegende Reformen mit sich bringe, so sind Kirchenkritiker:innen ebenso wie Kirchenangehörige mittlerweile weitestgehend desillusioniert, da direkt aus Rom die Ankündigung kam, dass die Katholik:innen aus Deutschland nicht befugt seien, strukturelle Änderungen vorzunehmen. Eine eindeutige Missbilligung der Reformbestrebungen, die diese effektiv zum Erliegen bringt.

Diese Unterminierung der Ansätze hin zu strukturellen Veränderungen, die ausdrücklich das Ziel haben, dass weniger Menschen zu Schaden kommen und das Ansehen der kirchlichen Institution zumindest ansatzweise wieder verbessert wird, findet allerdings nicht nur im großen Maßstab statt, sondern auch auf individueller Ebene. Rainer Maria Woelki, Kardinal und Erzbischof von Köln, hat, wie ein internes Schriftstück aufzeigt, mittels einer PR-Strategie den Betroffenenbeirat der Diözese auf Linie der Kirche gebracht. Eigentlich war dieser Beirat eingesetzt worden, um das Erzbistum Köln in Fragen des Umgangs mit sexuellem Missbrauch zu beraten und die Betroffenenperspektive zu stärken. Doch durch Woelkis Wirken hat das Gremium so agiert, wie es eine vom Kardinal beauftragte Kanzlei für richtig empfand.

Woelki hatte im Jahr 2020 ein bereits fertiggestelltes Missbrauchsgutachten nicht veröffentlicht. Um das besser rechtfertigen zu können, beauftragte er für knapp drei Millionen Euro verschiedene PR-Berater:innen, unter anderem die auf Krisenmanagement spezialisierte Kanzlei "Ewald & Rössing". Diese hat laut dem Kölner Stadt-Anzeiger Woelki und seinem Generalvikar präzise Vorschläge gemacht, wie sie die Mitglieder des Betroffenenbeirats von diesem Schritt überzeugen können. Sogar konkrete Formulierungsvorschläge für einzelne Sitzungen sollen darunter gewesen sein. Der Plan ging zunächst auf: Der Beirat konnte von angeblich vorhandenen methodischen Mängeln überzeugt werden und gab im Einklang mit dem Bistum bekannt, eine neue Kanzlei für das Missbrauchsgutachten beauftragen zu wollen. Doch ein paar Monate später verließen einige Mitglieder den Beirat, da sie sich bei der Zustimmung zum Gutachter:innen-Wechsel überrumpelt und ein zweites Mal missbraucht fühlten.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung fand für dieses Verhalten klare Worte: Von Missbrauch Betroffene "im Kontext von institutionellen Aufarbeitungsprozessen zur Verfügungsmasse zu degradieren und neuerlich die sich beteiligenden Mitglieder eines solchen partizipativen Gremiums massivster Machtmanipulation zu eigenem Nutzen zu unterwerfen ist anmaßend und empörend." Denn solche Gutachten und Studien über die Verfehlungen der Kirche können dazu beitragen, adäquate Aufklärungsarbeit zu leisten und die Opfer angemessen zu entschädigen.

Dass es so wie bisher mit der schleppenden Aufarbeitung nicht weitergehen kann, wird immer mehr zum Konsens unter Expert:innen. Auf Basis der bereits existierenden wissenschaftlichen Arbeiten könnte längst eine umfassende Aufarbeitung stattfinden, meint etwa Harald Dreßing, ein Mitautor der MHG-Missbrauchsstudie von 2018. Doch dieser ist der Ansicht, dass dafür eine bundesweite Kommission notwendig ist. Diese müsse ihm zufolge mit Zugriffsrechten auf sämtliche Akten wie etwa den Sitzungsprotokollen ausstaffiert werden. Ohne eine entsprechende gesetzliche Regelung und staatliche Finanzierung könne das aber nicht stattfinden, da die aktuellen Strukturen von Staat und Kirche dies nicht zuließen. Dabei liegt der Verdacht nahe, dass diese zu eng verwoben sind. Denn in einem säkularen Staat dürfte es eigentlich nicht möglich sein, dass etwa die massive Beeinflussung von Betroffenenbeiräten zu sexuellem Missbrauch zugunsten der Täter:innen straffrei stattfindet.

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