Nach der Bombardierung eines Krankenhauses durch US-Truppen

Nur ein schrecklicher "Unfall" in Kundus?

BERLIN. (hpd) In Genf forderte am Mittwochmorgen die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" (Médecins Sans Frontières, MSF) eine formale, unabhängige Untersuchung und sofortige Aufklärung des US-Luftangriffs auf ihr Krankenhaus in der Stadt Kundus in Afghanistan.

Bereits am Samstagmorgen, dem 3. Oktober, wurde ihr Krankenhaus in dem sich zum Zeitpunkt des Angriffs ca. 200 Patienten aufgehalten hatten, durch den Luftangriff zum größten Teil zerstört. Bei dem Angriff gab es 22 Tote, darunter 12 Mitarbeiter der Organisation MFS und drei Kinder sowie mehr als 30 Verletzte.

Die Präsidentin und Ärztin der humanitären Organisation, Dr. Joanne Liu, forderte, eine unabhängige Untersuchung nach den Genfer Konventionen und eine internationale Ermittlungskommission. Es soll ein Verfahren wegen "Kriegsverbrechen" einberufen werden. "Auch Krieg hat Regeln", sagte Liu. "Das war einfach nicht nur ein Angriff auf unser Krankenhaus, sondern ein Angriff auf die Genfer Konventionen. Dies kann nicht toleriert werden!"

Liu betonte, dass die Notwendigkeit für eine "unabhängige, unparteiische" Untersuchung eingeleitet werden muss. Sie ist besonders durch die widersprüchlichen Aussagen der US-Behörden in den letzten Tagen davon überzeugt. Am vergangenen Montag dokumentierten die humanitäre Organisation die mehrfach widersprüchlichen Aussagen der ersten drei Tage des US-Militärs und ihrer Medienverbündeten, die die Geschichte im weiter zu ändern begannen. Als Beobachterin der Schlagzeilen erwähnten sie, dass die US-Behörde zuerst ein Eingeständnis eines Luftangriffes zugaben und dann aber ihre Geschichte zum "vierten Mal in vier Tagen" änderten. Weiterhin äußerte Liu: "Wir können nicht den internen militärischen Untersuchungen der USA, der NATO und der afghanischen Streitkräfte vertrauen." Die Forderung nach einer unabhängigen, unparteiischen Untersuchung kann jeder sofort nachvollziehen.

Aber in der täglichen Pressekonferenz des US- Außenministeriums am vergangenen Montag hat ihr Sprecher Mark Toner betont, dass es keine solche unabhängige Untersuchung geben wird. Die Begründung lautet: "Die US-Regierung hat bereits die Untersuchung selbst vertrauenswürdig und zuverlässig eingeleitet." Dazu gab es viele Fragen von Journalisten an das US-Außenministerium.


FRAGE: Die humanitäre Organisation "Ärzte ohne Grenzen" fordert eine unabhängige Untersuchung dieses Vorfalls durch ein neutrales internationales Gremium. Würde dies ihre Verwaltung unterstützen?

Herr M. TONER: Nun, wir haben drei Untersuchungen eingeleitet. Sicher, wir haben unsere eigenen Untersuchungen angeordnet. Wir sind natürlich davon überzeugt, dass dies eine sehr transparente und rechenschaftspflichtige Untersuchung sein wird. Geben wir den drei Untersuchungen ihren Lauf und sehen, was die Ergebnisse bringen.

Ich weiß, dass das "Weiße Haus" über diesen tragischen Vorfall bereits sehr früh unser Beileid an die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" mitgeteilt hat.

Aber ob es auch eine unabhängige vierte Untersuchung braucht, glaube ich nicht, da wir an dieser Stelle genügend Untersuchungen eingeleitet haben, um die Wahrheit herauszufinden.
 

FRAGE: Sie glaube nicht, dass in dem die USA ihr Interesse an einer eigenen Untersuchung bekunden und in allen drei Untersuchungen beteiligt sind, sich das Ergebnis irgendwie negativ auf die Legitimität auswirkt?

Herr M. TONER: Ich meine es ehrlich, gesagt zu haben, dass ich glaube, wir haben im Laufe der Zeit bewiesen, dass wir die Ereignisse unserer Untersuchungen "transparent und glaubwürdig" darstellen und wir die Verantwortlichen jeweils zur Rechenschaft ziehen werden.
 

FRAGE: Genau in diese Richtung geht meine Frage.

Herr M. TONER: Bitte.
 

FRAGE: "Ärzte ohne Grenzen" hat gesagt, dass dies eine klare Vermutung bestätigt, dass hierbei Kriegsverbrechen begangen worden sind. Einige haben vorgeschlagen, dass der Internationale Strafgerichthof in Den Haag (ICC) dieses Verfahren aufnehmen sollte. Ist es eine sichere Wette, dass die USA ein Veto im UN-Sicherheitsrat einbringen werden, diese Untersuchung nicht vor dem Internationalen Strafgerichthof einzuleiten?

Herr M. TONER: Ich werde nicht eine hypothetische Frage beantworten.

Ob es ein Kriegsverbrechen selbst war, dabei sind wir einfach noch nicht. Ich möchte nicht dem Ergebnis der Untersuchung vorgreifen.
 

FRAGE: Was meinen Sie mit: "Wir sind einfach noch nicht dabei"?

Herr M. TONER: Ich meine damit, wir sind bei der Durchführung der Untersuchungen. Wir werden an dieser Stelle eng zusammenarbeiten. Und wir werden, wie mehrere Leute bereits gesagt haben, einschließlich des US-Präsidenten an diesem Wochenende die Untersuchungen auswerten und diejenigen zur Rechenschaft ziehen, um eine glaubwürdige Untersuchung zu erhalten.
 

FRAGE: Es ist also denkbar, dass dies ein Kriegsverbrechen gewesen ist?

MR TONER: Ich sagte, dass wir nicht vermuten, sondern wir den Untersuchungen ihren Lauf geben. FRAGE: Ist dies ein Versuch der USA, sich mit diesem Zwischenfall durch die US-Truppen vor dem Internationalen Strafgerichtshof zu widersetzen?

Das ist nur eine Vermutung. Wie sollen wir das rechtfertigen? Dies sind Vorgehensweisen von Journalisten, dies als "vorsätzlich" anzukündigen, die nicht ohne ein Ergebnis der Untersuchung des schrecklichen Unfalls abwarten können.

Diese US-Journalisten sollten sich für die Weigerung ihrer Regierung, eine unabhängige, unparteiische Untersuchung zu ermöglichen, einsetzen, da dies der effektivste Weg für die entlastenden Vorwürfe ist und den Nachweis einer unschuldigen Absicht einräumt.
 


Viele Amerikaner und vor allem ein großer Prozentsatz der US-Journalisten benötigen kein Untersuchungsergebnis um zu wissen, dass dies nicht mehr als ein schrecklicher, tragischer Fehler war. Wir glauben, dass die Amerikaner und vor allem ihre militärischen Verbündeten von Natur aus gut und edel sind und es gut meinen, dass wir keinem jemals wissentlich einen Schaden zufügen und erst recht nicht in einem Krankenhaus. — John McCain hat zum Ausdruck gebracht: "Ich finde es lächerlich und beleidigend, dass die Leute sagen, dass wegen diesem schrecklichen Unfall irgendwie ein Kriegsverbrechen begangen wurde. Die Taliban machen diese Dinge mit Absicht und mit einem Plan. Dies war ein schrecklicher Unfall. Es nennt sich Nebel des Krieges."

Nebel des Krieges

Aber diejenigen, die bereits wissen, dass dies ein schrecklicher Fehler war und kein US-Personal jemals absichtlich einen Angriff auf einem Krankenhaus zulassen würden, auch wenn sie dachten, es gäbe Taliban-Kämpfer im Inneren, sollten am eifrigsten eine glaubwürdige Untersuchung ermöglich und einberufen, nämlich, die eine nach den Genfer Konventionen, wie es die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" forderte. Diese Gräueltat gehört vor den Internationalen Strafgerichthof in Den Haag.

Quelle, Interview und Dank an den investigativen Journalisten Gleen Greenwald