Papst Franziskus und die Meinungsfreiheit

"Jede Religion hat eine Würde, über die man sich nicht lustig machen darf"

ODERNHEIM. (hpd) Die diesjährige Frankfurter Buchmesse hatte als einen ihrer Schwerpunkte die Rede-, Meinungs- und Publikationsfreiheit zum Thema. Da trifft es sich gut, dass der so gern vor aller Art Vollversammlungen dieses Planeten predigende Weltmissionar Franziskus auch zu diesem Thema bereits einiges gesagt hat.

Ich denke da besonders an seine apodiktische Aussage: "jede Religion hat eine Würde, über die man sich nicht lustig machen darf." Diese Aussage fiel während seines Besuchs der philippinischen Hauptstadt Manila und im größeren Zusammenhang der Terroranschläge auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und der auf dieser Grundlage entbrannten Diskussion über Meinungsfreiheit und die Behandlung religiöser Gefühle. Diese Gefühle stellen dem Papst zufolge eine Grenze für die Meinungsfreiheit dar. Diese ende da, wo "die religiösen Gefühle anderer verletzt werden" und "der Glaube der anderen herausgefordert, beleidigt oder lächerlich gemacht wird".

Wie gesagt, "Jede Religion hat eine Würde, über die man sich nicht lustig machen darf."

Zur Veranschaulichung brachte dann der Papst die Parallele zu seiner Mama. Die eigene Mutter ist wie die religiösen Gefühle heilig und unantastbar. Wenn Mama oder religiöse Gefühle beleidigt werden, hagelt’s Fausthiebe, ist Gewalt jedenfalls erlaubt, allerdings mit Ausnahme des Totschlags oder Mordes, denn, so der Papst, Töten im Namen Gottes ist nicht erlaubt.

Nun wissen wir ja schon längst, dass Papst Franziskus weniger Theoretiker als Praktiker, Politiker, Rhetoriker, Religionsmanager und Macher ist, dass ihm Exaktheit, Präzision, definitorische Klarheit der von ihm verwendeten Begriffe nicht so wichtig sind. Aber was er hier im Zusammenhang mit seiner Mama und den religiösen Gefühlen veranstaltet, ist noch einmal ein ganz besonderer Fall von Verschleierung und Vernebelung zum Zweck der Immunisierung der Religion gegen jede Kritik. Denn wann ist denn Mama beleidigt? Auch schon bei sachlicher, vernünftiger Kritik? Wann ist der Tatbestand einer objektiven Beleidigung, nicht bloß einer subjektiv-beleidigten Betroffenheit erfüllt?

Und ähnlich verhält es sich mit den religiösen Gefühlen. Soll alles, was als religiöses Gefühl behauptet wird, auch das schwärmerischste, unvernünftigste, fanatischste, exotischste, esoterischste, verschwörerischste, phantastischste, blindeste, triebhafteste, überspannteste unter Denkmalschutz gestellt werden und keiner Kritik mehr unterworfen werden können, nur weil sich immer Leute finden werden, die auch die sachlichste Kritik als Verletzung ihrer religiösen Gefühle hinstellen werden? Darf ein sich auf diese irrationale Weise verletzt Fühlender die Faust zur Hilfe nehmen, wie das der Papst doch empfiehlt?

Noch einmal: "Jede Religion hat eine Würde, über die man sich nicht lustig machen darf", sagt der Papst. Ist dem wirklich so? Es gibt doch auch Teufelsreligionen, Satanskulte, schwarze Messen usw. Darf man sich darüber nicht lustig machen? Haben die auch eine Würde? Wo liegt selbst in vermeintlich würdigen Religionen die Grenze zwischen Würde und Unwürde? Darf man beispielsweise die weibischen Röcke der Bischöfe und Kardinäle, ihre bunten Karnevalskostüme nicht verspotten, weil das schon an den Kern der Würde der von ihnen vertretenen Religion rühren könnte? Soll denn wirklich verboten sein, dass einer die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi während der hl. Messe, also dem Zentrum katholischer Liturgie, spöttisch als Hokuspokus abtut?

Das über die Religionen Herziehen habe Grenzen, sagt der Papst. Wer zieht diese Grenzen? Und wo liegen sie? Da kämen ja schon wieder die Herren, die Anführer der Religionen ins Spiel und machten das, was sie am liebsten tun: Grenzen ziehen, Gebots- und Verbotstafeln aufstellen, Rechtskodexe noch und nöcher produzieren.

Es bleibt nur eine Lösung. Die Meinungs- und Religionsfreiheit darf durch nichts eingeschränkt werden. Religion, jede Religion, auch jedes Weltbild, jede Weltanschauung darf grenzenlos kritisiert und karikiert werden. Sie darf sich ja auch mit den gleichen Mitteln wehren, nur eben nicht mit den Mitteln des Papstes: mit Faustschlag und Gewalt.

Das Ganze lässt viel tiefer blicken, als die Medien im Allgemeinen wahrgenommen haben. Es gibt für einen winzigen Moment den Blick frei auf einen Papst, der ganz anders ist und denkt, als er sich sonst durchgehend in der Öffentlichkeit zeigt. Gehen wir nochmals zurück zu der Aussage des Papstes, die er in diesem Zusammenhang auch gemacht hat. Sie lautet: "Wer meine Mutter beleidigt, den erwartet ein Faustschlag."