Am Anfang war der Pisa-Schock. Schon kurz nach den schlechten Ergebnissen deutscher Schülerinnen und Schüler in der internationalen Vergleichsstudie hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) von einem "Schlag ins Gesicht Deutschlands" gesprochen. Mit mehr Deutschunterricht soll nach Söders Willen die Misere beendet werden. Dafür muss bei anderen Fächern gekürzt werden. Die bayerische Kultusministerin Anne Stolz (Freie Wähler) brachte hier den Religionsunterricht ins Spiel. Doch Söder machte jetzt klar: "Reli" bleibt unangetastet.
Bei der jüngsten internationalen Schulleistungsstudie Pisa 2022 hat Deutschland im internationalen Vergleich so schlecht wie nie abgeschnitten. Betroffen sind Lesen, aber auch Mathematik und Naturwissenschaften. Nach Veröffentlichung der Ergebnisse im Dezember letzten Jahres setzte eine Debatte um Ursachenforschung und Maßnahmen gegen den Abwärts-Trend ein. Ein herbes Ergebnis auch für Bayern, das sich gern seiner guten Schulbildung rühmt. Der Lösungsansatz von Bayerns Kultusminsterin Anna Stolz (Freie Wähler): Ab dem kommenden Schuljahr für alle Jahrgangsstufen in der Grundschule eine zusätzliche Stunde Deutschunterricht pro Woche. Außerdem kommt in den ersten und vierten Klassen eine weitere Mathematik-Stunde dazu. Dennoch sollen die Stundenzahlen an Grundschulen unterm Strich gleich bleiben. Also kürzen, aber wo?
Beim Religionsunterricht zum Beispiel. So sprach sich Kultusministerin Anne Stolz im Bildungsausschuss des Bayerischen Landtags Ende Januar für eine "flexible Umschichtung der Unterrichtsstunden" aus, diese "Flexibilisierung" könne auch bedeuten, dass man den Religionsunterricht in den dritten und vierten Klassen reduziert. Dann stünden nur noch zwei statt drei Stunden "Reli" wöchentlich auf dem Stundenplan. Ein Sprecher des Kultusministeriums bestätigte dies: "Grundsätzlich ist es so, dass keines der Fächer von einer grundsätzlichen Umschichtung ausgenommen ist, sprich auch Religion nicht."
Prompt hagelte es Protest aus Kirchenkreisen. Armin Schalk, Vorsitzender des Diözesanrates der Katholiken der Erzdiözese München und Freising pries in einer Stellungnahme den Religionsunterricht als Vermittler von Orientierung, Werten und Leitbildern. Angesichts der Zunahme von "extremen und demokratiegefährdenden Positionen" in der Gesellschaft sei es unangebracht, solch ein Kürzung auch nur in den Raum zu stellen. Soweit Armin Schalk.
Studien zufolge spielt der Religionsunterricht eine bedeutende Rolle für die Bindung an den Glauben im späteren Lebensalter. Laut der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) von 2023 nannten 52 Prozent der Katholiken und 45 Prozent der Protestanten den schulischen Religionsunterricht als Einflussfaktor für ihre religiöse Einstellung im späteren Leben.
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder meldete sich rasch zu Wort. Es habe wohl ein "Missverständnis in der Kommunikation" gegeben, so Söder im Hinblick auf die Aussagen der Kultusministerin nach einer Klausur des bayerischen Ministerrats Ende Januar. Wie er weiter betonte, sei es nicht das Ziel, den Kirchen einen Gefallen zu tun. Vielmehr stehe hinter Religion auch Werteerziehung, die in Grundschulen besondere Bedeutung habe. Laut Söder habe man sich im Kabinett "sehr gut ausgetauscht" und sei sich einig: "Bei Religion wird nicht gekürzt".
23 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Welche Werte vermittelt der konfessionelle Religionsunterricht? Glauben und Gehorchen! Wem? Dem letzten absoluten Monarchen Europas. Was sagt der zur Mathematik? Drei ist gleich eins.
Paul München am Permanenter Link
"... zur Mathematik? Drei ist gleich eins.
Was erfährt man zur Entstehung der Welt? Sie wurde in 6 Tagen erschaffen."
Und manche Zahlen sind angeblich "heilige" Zahlen. Welche das sind, ist allerdings von Religion zu Religion unterschiedlich.
Zu meiner Gymnasiums-Zeit gab es einzelne Schuljahre ohne das Fach Biologie, aber Religion wurde gnadenlos neun Jahre ohne Unterbrechung durchgezogen.
Bei der Entstehung der Welt vor 6000 Jahren hat Gott hinterlistigerweise einen Teil der Sterne so konfiguriert, dass die Astronomen darauf hereingefallen sind und glauben, diese seien schon vor Millionen oder Milliarden Jahren entstanden. (Ironie!)
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ein Kompromiss: Die Schulleistungsstudie Pisa nimmt die Reli auch auf, dann kommt Bayern besser weg und alle sind zufrieden.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Der Herr Kreuzerlass in Bayern ist natürlich dagegen, die Kinder müssen weiter mit den Märchengeschichten der Religion verdummt werden, Religion ist kein Wissensfach sondern
Jeder sollte selbst entscheiden können ob er sich für Religion interessiert, ohne Schulzwang zu diesem sinnfreien "Schulfach" welches keinerlei beweisbaren Aspekt beinhaltet, so wie es in Wissensfächern üblich ist.
Für ein freies und humanistisches Leben bedarf es keiner Religion, welcher Couleur auch
immer, diese sind immer erfunden um Menschen zu indoktrinieren.
David am Permanenter Link
Kinder haben ihre Eigenen Werte, diese brauchen nicht durch falsche, fremde Werte entfernt werden
Angela H am Permanenter Link
Bei mir jedenfalls war der Religionsunterricht durchaus ein maßgeblicher Einflussfaktor auf meine jetztige religiöse Einstellung: Ich habe ihn sowohl inhaltlich als auch schulorganisatorisch als derart brutale Schikan
Tobias Seyb am Permanenter Link
Da hatte ich es schwerer.
Ich habe in einem evangelischen Internat in BW Abi gemacht ('84) und Reli als sehr interessant empfunden. War völlig ideologiefrei, liberal und geistig anregend. Toller Lehrer. Super Gemeinschaft.
Für mich war es mangels negativer Erfahrungen in meiner kirchlichen Sozialisierung eher schwer, dem Blödsinn Religion eine Abfuhr zu erteilen.
(Ich hatte trotzdem nie Zweifel daran, dass diese Entscheidung richtig war).
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Religion als Werteerziehung? ist das tausendfache missbrauchen von Kindern durch
Pfaffen eine wertvolle Erziehung der Kinder für ein glückliches und gelungenes Leben?
Wieso schaut die Politik darüber hinweg, dass gerade jene, welche religiöse Werte hochhalten derartige Verbrechen begehen, und ohne eine Aufarbeitung der Missstände weiterhin hofiert werde, von Menschen wie Söder, kann dieser Tatsachen einfach ausblenden für seinen eigenen Machterhalt?
Er sollte einmal darüber nachdenken, warum gerade Atheisten und Humanisten klüger und
Menschenfreundlicher sind als Christen, welche Atheisten verdammen und beleidigen.
Soll es in der BRD genauso werden wie im Islam? wo andersdenkende verfolgt und ermordet werden?
Rainer Haselberger am Permanenter Link
Ich hätte nicht gedacht, dass das Gottesgnadenkönigtum noch immer die Bildungspolitik in Bayern bestimmt.
FLO am Permanenter Link
Reli-Unterricht ist bereits der Stamm des Baumes, der nie hätte wachsen dürfen...
Lasst uns die Wurzeln ausreissen!
Religion bereits im Kindergarten, dort steckt das wahre Gift!!!
Kann mich noch daran erinnern, wie wir uns in der 2.Klasse bereits über die komischen Märchen lustig gemacht haben, vor denen wir im Kindergarten noch Angst hatten!
Schluss mit der Indoktrination unschuldiger Kinder!!!
Inseljunge am Permanenter Link
Dazu müsste die Politik die Selbstbestimmungrechte von Kindern stärken und das Erziehungsrecht der Eltern (und deren Komplizen) einschränken. Aber daran will sich niemand die politischen Finger verbrennen. Vgl.
A.S. am Permanenter Link
Religiöse Erziehung ist ein Verbrechen am kindlichen Verstand.
Die religiöse Erziehung ist indirekte Wahlwerbung für die C-Parteien. Solange Religion positiv besetzt ist, machen viele bei der Union ihr Kreuz.
Würde hingegen der Religionsunterricht auf der Basis von Karlheinz Deschners "Kriminalgeschichte des Christentums" erteilt, würden CDU/CSU ziemlich sicher an der 5% Hürde scheitern.
Der Religionsunterricht an unseren Schulen hat mMn den Zweck, die politische Pole-Position der Unionsparteien zu sichern.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ A.S. Wie so oft, Nagel auf den Kopf getroffen, genau das steckt hinter der scheinheiligen Frömmigkeit von Söder und Konsortien !
Real Human am Permanenter Link
Nein, Herr Baierlein!
Es bräuchte MEHR Religionsunterricht im Sinne von AUFKLÄRUNG über Religion!
Z.B. über die geistigen Verheerungen, die der Erzstrolch Paulus von Tarsus in Römer 13,1-7 bezüglich der Erziehung zur Obrigkeitshörigkeit angerichtet hat. Aber jeder Religionspädagoge/-demagoge würde sich damit ja seines Jobs berauben?
Und vermittelt nicht schon das Kruzifix die Botschaft: Wenn du aufmuckst, kann es dir passieren wie dem da?
Petra Pausch am Permanenter Link
Das, Herr Human, was Sie meinen, nennt sich RELIGIONSKUNDE. Hier wird ÜBER Religionen gelehrt. Religionsunterricht hingegen vermittelt missionarisch die Inhalte einer bestimmten Religion.
A.S. am Permanenter Link
Da haben Sie Recht, Frau Pausch. Religionsunterricht soll gläubig machen. Das BVerfG hat das bestätigt.
"Religionskunde" verstehe ich als Kulturkunde - Wissen, was es so alles an Religionen und damit verbundenen Kulturen so gab und gibt auf der Erde.
"Religion als Instrument der Politik" gehört für mich ins Schulfach Geschichte.
Und dann ist da noch die nüchterne Sicht auf uns Menschen selbst:
1.) Hirten beuten ihre Schafe aus: Melken, scheren, abschlachten lassen.
2.) Menschen kann man jeden Quatsch glauben machen. Man muss den Quatsch nur oft genug und intensiv genug wiederholen. - Das ist das Grundprinzip von Indoktrination & Propaganda, dass die Gottesverkünder seit Jahrtausenden für ihre eigenen Zwecke zu nutzen wissen.
Paul München am Permanenter Link
Gemeinheit zusätzlich und hier noch nicht angesprochen: Religion ist ein sog.
Abmelden aus dem Religionsunterricht war zumindest zu meiner Zeit in den 60-70er-Jahren nicht praktikabel, da man Ausgrenzung befürchten musste. (Mein Vater hätte es auch garnicht zugelassen - Religionsmündigkeit hin oder her, die stand im Endeffekt nur auf dem Papier.)
Brian am Permanenter Link
laut BVerfG „keine überkonfessionelle vergleichende Betrachtung religiöser Lehren, bloße Morallehre, Sittenunterricht, historisierende oder relativierende Religionskunde, Religions- oder Bibelgeschichte.
zitiert nach https://no-reli.de/aufgabe-des-religionsunterrichts/
Kennt jemand neuere Urteile?
A.S. am Permanenter Link
@Real Human:
Diese Art von Aufklärung wäre Sache des Geschichtsunterrichts.
Heute muss der Geschichtsunterricht Rücksicht nehmen auf den Religionsunterricht.
Wir Bürger müssen begreifen, dass uns die religiösen Führer übelst indoktrinieren. Sogar in unseren Schulen.
Real Human am Permanenter Link
Ich bin für die bundesweite(!) Einführung eines Pflichtfachs "Kulturgeschichte" mit einer ähnlichen fachlichen Aufgliederung wie in https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturgeschichte.
Äußerst wichtig wäre es, die Schüler von vornherein zu einer komplexen und kritischen Auseinandersetzung mit einzelnen Ideologien (auch Religionsinhalten, Narrativen) zu befähigen.
Ansonsten sollten Politiker nicht darüber jammern, dass in ideologischen Echokammern Kriminelles heranwächst. Was gegenwärtig z.B. im Nahen Osten passiert, begann durch schlimmste Indoktrination in den Köpfen und geschieht wohl bald auch bei uns?
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
Dass der Söder nicht auf die einfachste Lösung gekommen ist:
Der Religionsunterricht wird einfach als Deutschunterricht zum Schwerpunkt Märchen und Sagen ausgegeben.
SuLaSirena am Permanenter Link
Das heißt, ich gehe mit den Stunden hier an der Grundschule so weit wie möglich als Protest herunter.
A.S. am Permanenter Link
@SuLaSirena:
Nach meinem Kenntnisstand darf kein Lehrer/ keine Lehrerin gezwungen werden, Religionsunterricht zu erteilen. Begründung: Religions- und Gewissensfreiheit.
Oder Sie machen mal die Götter der Asterix-Hefte zum Thema im Unterricht - die Keltengötter (Belenus, Teutates, ...) waren nach herrschender Meinung alle erfunden. Sogar Ihr Pfarrer wird dem zustimmen. Sie können dann weiter machen mit den erfundenen Göttern der Römer, der Griechen, der alten Ägypter, der Phönizier, der Wikinger, ... den Kindern wird die Lektüre der Asterix-Hefte auf jeden Fall Spass machen und Aufklärung gibt's nebenbei.
Aber jetzt mal im Ernst:
Der Religionsunterricht ist Teil des heutigen Paktes von Thron und Altar, ebenso die Finanzierung der Kirchen. War der Pakt von Thron und Altar (Spricht der Fürst zum Bischof: "Halte Du die Menschen dumm, ich halte sie arm!" Antwortet der Bischof: "Von der Beute bekomme ich die Hälfte, ja? Abgemacht!") lange nur eine stillschweigende Übereinkunft, so ist er heute formalisiert durch Konkordate (katholisch) und Staats-Kirchen-Verträge (evangelisch).
Heute sprechen CDU/CSU zum Bischof: "Halte Du die Menschen dumm, ..."