Vergangenen Samstagmittag fand sich im Hamburger Stadtteil St. Georg ein bunt gemischtes Bündnis aus rund 30 Initiativen und Parteien unter der gemeinsamen Losung "Weder Kalifat, noch Patriarchat! Nur Einigkeit, Recht und Freiheit!" zu einer lautstarken Protest-Kundgebung zusammen. Der Anlass: Genau eine Woche zuvor hatten sich dort auf dem Steindamm etwa 1.100 radikale Islamisten versammelt und mit Plakaten und Rufen für ein Kalifat in Deutschland die Öffentlichkeit schockiert.
Dem gemeinsamen Aufruf des Vereins Kulturbrücke Hamburg mit der Initiative InternationalWomenPower, des Vereins Säkularer Islam (VSIHH) und der Kurdischen Gemeinde Deutschland als InitiatorInnen waren etwa 1.000 Teilnehmer gefolgt. Auffällig der große Anteil von Frauen aller Altersgruppen. Als Kundgebungsort hatte man den Steindamm gewählt, der in Hamburg als Hotspot gilt, wo sich radikale Islamisten gerne konzentrieren. Kein Wunder daher, dass auch eine Handvoll bärtiger Männer während der Rede von Ali Ertan Toprak, dem Bundesvorsitzenden der Kurdischen Gemeinde Deutschland, mit lauten Zwischenrufen und himmelwärts gestrecktem Zeigefinger versuchten zu stören. Polizisten, die zum Schutz der Kundgebung bereitstanden, gelang es jedoch schnell, die Störer abzudrängen, zwei sogar zeitweilig festzunehmen. Laut einer Sprecherin der Polizei verlief die Kundgebung jedoch "absolut friedlich".
Im Publikum wurden Plakate, Transparente und Fahnen hochgehalten, die Flaggen überwiegend mit dem alten iranischen Staatsemblem (aus Vor-Mullah-Zeiten!), einzelne israelische Fähnchen und Schilder mit dem Davidstern. Zu lesen waren auf Plakaten Parolen wie "Gegen jeden Antisemitismus" und "Nein zur islamischen Republik".
In den vorderen Reihen präsentierten die zahlreichen Vertreterinnen der iranischen Opposition gegen das Mullah-Regime eine meterlange Bildwand. Darauf als deutliche Dokumentation der Mullah-Verbrechen Dutzende nur schwer erträgliche Fotos, auf denen die Blessuren, Wunden und Folterspuren der Geschundenen zu erkennen sind. Und immer wieder erschollen die Sprechchöre: "Frauen – Leben – Freiheit" und "Die Mullahs müssen weg!"
Auffällig aber: Bis auf eine Antifa-Fahne und ein Banner der Piraten-Partei keinerlei Hinweis auf Parteigänger von links, auch Palästina-Symbole fehlten gänzlich. Die Linke hatte wohl auch ausdrücklich auf entsprechende Hinweise oder gar Aufrufe zu dieser Gegen-Demo verzichtet. Stattdessen zeigte keck die CDU eine blaue Beachflag mit dem Namenszug ihrer Partei.
Stark vor allem der Auftritt der Initiatorinnen der Kundgebung von der LKW-Bühne. Unter dem Transparent "Frauen stärken Frauen" reichten sie sich nacheinander das Mikrofon. Mit klaren Worten schmetterte Hourvash Pourkian, Vorsitzende der Kulturbrücke Hamburg, unter starkem Beifall in die Menge: "Wir haben uns entschieden, den Islamisten nicht diese Straße zu überlassen".
Dann Necla Kelek: Sie wiederholte die Worte, die sie schon im Aufruf zur Demo in Richtung Islamisten kundgetan hatte: "Wer die Scharia über das Grundgesetz stellt, ist falsch in diesem Land. Wer gegen die Grundrechte agitiert und das Grundgesetz als Wertediktatur diffamiert, wer, wie auf der Demonstration, die Apartheid von Frauen vorführt – der schließt sich selbst aus der demokratischen Gemeinschaft aus und sollte wie ein Verfassungsfeind behandelt werden." Ende 2020 hatte die heutige Vorsitzende den Verein Säkularer Islam Hamburg (VSIHH) mit ins Leben gerufen, mit der klaren Mission: "Wir stehen für einen aufgeklärten, demokratiefähigen Islam, der selbstkritisch und offen für Kritik ist".
Nach den Frauen verschiedener weiterer, auch jüdischer Organisationen erhielt Ali Ertan Toprak, Bundesvorsitzender der Kurdischen Gemeinde, starken Beifall für die Worte: "Unsere Werte und unsere Verfassung werden attackiert. Das ist ein Angriff auf uns alle! Damit unsere Kinder eine Zukunft haben, fordern wir eine harte und klare politische Antwort".
Und als sich am Rande der Kundgebung einige wenige Störer lautstark vernehmen ließen und die Zeigefinger zum Himmel hoben, forderte Toprak die "kleinen Möchtegern-Azubi-Kalifen" unter Gejohle des Publikums auf, den Zeigefinger der Prediger herunterzunehmen und fuhr fort: "Wenn es euch hier nicht gefällt, könnt ihr gerne in Afghanistan, Jemen oder Iran leben."
Mit geradezu frenetischem Beifall, besonders der Frauen, wurde auch der sehr beherzte Beitrag der Vertreterin der Säkularen Flüchtlingshilfe Hamburg, Angelika Wedekind, bedacht: "Die organisierte Religiosität ist ein weltweites Problem!" betonte sie. "Wenn der Islam zu Deutschland gehört, dann gehören der Säkularismus und der Atheismus auch zu Deutschland."
Zu Wort meldeten sich auch – mit durchaus unterschiedlichen Positionen – die Vertreter der Parteien: Dennis Thering, Hamburger Fraktionschef der CDU, wandte sich in scharfem Ton "gegen Hass und Hetze". Der Islamismus habe bei uns nichts zu suchen. "Unser Rechtsstaat muss handeln, und zwar mit aller Härte."
Die Vertreter der Hamburger Senatsparteien Dirk Kienscherf (SPD) und Dominik Lorenzen (Die Grünen) konterten, man nehme das Problem des Islamismus sehr ernst, aber Pro-Kalifat-Demos von Gruppen wie Muslim Interaktiv könne man nicht einfach so verbieten. Kienscherf: "Dort, wo es nicht zu verbieten ist, müssen wir das ertragen." Und Lorenzen ergänzte, der Rechtsstaat gelte für alle, "auch für den, der gegen den Rechtsstaat ist".
Das wiederum brachte den Hamburger FDP-Mann von der Opposition und Bundestagsabgeordneten Michael Kruse auf die Palme. Er forderte staatliche Konsequenzen in Richtung Verbot: "Ich erwarte vom Senat und ich erwarte von Rot-Grün, dass nicht nur gesagt wird, 'wir müssen das ertragen'."
Einig schienen sich indes fast alle Redner in der Forderung nach Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH). Die Vereinigung betreibt in Hamburg die bekannte Blaue Moschee an der Alster, die vom Verfassungsschutz als Außenposten der iranischen Mullah-Regierung gesehen wird und seit Jahren unter Beobachtung steht. Ein entsprechendes Prüfverfahren läuft bereits beim Bundesinnenministerium.
Alles in allem ist die Hamburger Demo "gegen Islamismus und Antisemitismus" als wichtiges Bekenntnis gegen den radikalen Islamismus und einen Kalifat-Staat zu werten. Denn "wer demokratische Grundprinzipien wie Frauenrechte, Säkularität, Meinungs- und Pressefreiheit ablehnt und danach trachtet, die bestehende freiheitliche Gesellschaftsordnung zu zerstören", so hatten die Initiatorinnen aufgerufen, "dem sollte das Demonstrationsrecht entzogen werden!"
Doch die extremistischen Islamisten denken nicht daran klein beizugeben. Die radikale Gruppe Muslim Interaktiv hat auf Twitter für den kommenden Samstag, 11. Mai, 16 Uhr zu einer "Demo gegen Zensur unserer islamischen Werte und Meinungsdiktat" aufgerufen. Klar – wieder am Steindamm.
6 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Islamisten, die ein Kalifat fordern, sind Verfassungsfeinde und sollten auch entsprechend behandelt werden. Nie war der Satz: „Wehret den Anfängen" gültiger als jetzt.
Detlev F. Neufert am Permanenter Link
Endlich! Und Solidarität mit den Veranstaltern. Und ein herzliches Danke von außerhalb Hamburgs. Also Bayern!
Jan Sikora am Permanenter Link
Es war ein schönes Gefühl bei der Demo zu sein! Schade, dass dort nicht mehr Leute waren.
Hier die Angelikas Rede:
https://youtu.be/BEPuFoueaW4
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Da geht es um freiheitliche Rechte und um islamistische Gewaltherrschaft, beides ist NIEMALS vereinbar, folglich muss unser säkularer Staat gegen die Gewaltbereitschaft der
und darf nicht von Islamisten benutzt werden um deren rigiden Glauben in der BRD gewaltsam durchzusetzen.
A.S. am Permanenter Link
"Aufgeklärte Religion" ist Wunschdenken.
Das geht an Ali Ertan Toprak, Necla Kelek und die politischen Parteien.
Und was sagt und das Fehlen "linker" Organisationen bei der Gegen-Kalifat-Demo?
Ganz links und kräftig gefördert von SPD und Grünen versammeln sich die übelsten Demokratiefeinde.
Wer die Kalifatsanhänger machen lässt, braucht nicht auf die AfD zu zeigen. Unsere Demokratie hat viele Feinde: rechts, links, religiös.
David Z am Permanenter Link
Wichtiges Signal. Ich hätte mir allerdings eine höher Teilnehmerzahl gewünscht, grade von Menschen mit muslimischen Hintergrund.