Wie eine islamische Lobby über den UN-Menschenrechtsrat sukzessive Menschenrechte untergräbt

Blasphemiegesetze, repressive Sexualnormen und Israelhass

Erneut hat die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ) eine Resolution auf die Agenda der gerade beendeten mehrwöchigen Sitzung des UN-Menschenrechtsrates gesetzt, nach der alle schändlichen Behandlungen "heiliger Bücher und religiöser Symbole" strafrechtlich verfolgt werden sollen. Außerdem griffen muslimische Mitgliedsstaaten bei den Vereinten Nationen Frauen- sowie LGBTQ-Rechte an. Ein besonderer Player war dabei Pakistan. Die Dämonisierung Israels stand grundsätzlich wieder auf der Tagesordnung.

Der UN-Menschenrechtsrat ist ein 2006 gegründetes Unterorgan der UN-Generalversammlung mit Sitz in Genf. Seinem Auftrag nach fördert der Rat die weltweite Protektion von Menschenrechten und erteilt Handreichungen im Umgang mit Verletzungen dieser. Qua Definition schützt er Opfer von Menschenrechtsverletzungen, arbeitet neue Menschenrechtsleitlinien aus und erstellt vorbeugende Maßnahmen für Menschenrechtsmissachtungen. Die Koordination der UN-Menschenrechtsarbeit obliegt dem Rat. Zusätzlich setzt er Sonderberichterstatter zu Menschenrechtslagen in einzelnen Ländern ein und gibt Hinweise zur Verwirklichung des humanitären Völkerrechts. Seine Herangehensweise soll unvoreingenommen, allgemeingültig, objektiv und nicht selektiv sein.

Der Menschenrechtsrat umfasst 47 Mitglieder, die von der Generalversammlung für eine Periode von drei Jahren gewählt werden: 13 Sitze erhalten afrikanische Staaten, insgesamt 13 Sitze belegen asiatische und pazifische Staaten, 8 Sitze haben lateinamerikanische und karibische Länder inne, 6 Plätze besetzen osteuropäische und 7 westeuropäische sowie andere Staaten (z.B. USA). Neben seinen regulären Sitzungen hält der Menschenrechtsrat Sondersitzungen zu menschenrechtlichen Themen und der Menschenrechtslage in einzelnen Ländern ab.

Vergangene Sitzungen: Woran angeknüpft wurde und wie es weiter ging

Unlängst, vom 18. Juni bis 12. Juli 2024, traf sich das Gremium für seine 56. Tagung in Genf. Im letzten Jahr schon verabschiedete die 53. Ratssitzung eine Resolution mit der Nummer AHRC53L.23, die der Weltgemeinschaft die Einführung von Sanktionsmaßnahmen gegen die "Schändung heiliger Bücher und religiöser Stätten sowie religiöser Symbole" empfahl und die im letzten Plenum wieder zur Sprache kam. Der Beschluss wurde damals von Pakistan in Vertretung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit eingebracht. Anlassgebend für die Thematisierung blasphemischer Akte im letzten Jahr war die Koranverbrennung in Schweden durch einen irakischen Flüchtling – der hpd berichtete.

Retrospektive ist die Beschlussfassung in mehrfacher Hinsicht als Zäsur zu betrachten: Erstens, "Respektlosigkeiten" gegenüber einem Glaubensbekenntnis wurden auf eine Stufe gestellt mit religiösen Hassverbrechen. Zweitens, die Machtinstrumente der UN und des Völkerrechts wurden von islamistischen Diktaturen effektiv ausgenutzt, um Staaten zu Anti-Blasphemie-Maßnahmen zu drängen. Drittens, eine parastaatliche Autorität, die für die Verteidigung von Menschenrechten angetreten ist, sprach sich vorrangig für den Schutz sakraler Werte, statt für die Unversehrtheit von Menschenleben aus – etliche Lynchmorde an Apostaten wurden übergangen.

Zeitgleich bekräftigte die Erklärung den 15. März als "Internationalen Tag zur Bekämpfung von Islamophobie" zu bestimmen und legte im selben Atemzug Strafverfolgungsbehörden nahe, auch das Internet nach blasphemischen Inhalten zu durchforsten. Heißt: Mit dem Rückgriff auf einen vom islamischen Terrorregime Iran geschaffenen Zensurbegriff zur Kriminalisierung von Aufklärung appellierte der Menschenrechtsrat per Beschluss an die Notwendigkeit einer Netzüberwachung von vermeintlich blasphemischen Inhalten.

Resolutionen des UNHRC sind nicht bindend, versetzen allerdings Mitgliedsstaaten in einen Zugzwang der Befolgung. Länder, die sich den Willenserklärungen der UN verweigern, geraten schnell an den internationalen Pranger. Dem Beschluss fügten sich ein mündliches Update auf der 54. Sitzung über die "Triebfedern" von Religionsverleumdungen und eine Podiumsdiskussion im Rahmen der 55. Sitzung zu den Tragweiten, Präventions- und Interventionsmöglichkeiten bei "religiösem Hass" an. Auf der neulichen 56. Zusammenkunft des Rates sollten die Ergebnisse der inhaltlichen Auseinandersetzungen präsentiert werden. Nach Informationen der NGO Humanists international wollten Pakistan und die OIZ erneut in Genf für die Beschränkung der Meinungs- und Religionsfreiheit lobbyieren. Humanists International reiste in die Schweiz, um an den Verhandlungen teilzunehmen und gegen die Erneuerung der Resolution zu protestieren.

Aktuellste Sitzung: Worüber zu sprechen ist

Zwei kürzliche Vorfälle von mörderischer Selbstjustiz in Pakistan an mutmaßlichen "Gotteslästerern" werfen ein besonderes Licht auf die Rolle Pakistans in der Interessensdurchsetzung vor den Vereinten Nationen. In dem gerade beendeten Treffen des UN-Menschenrechtsrates waren es nach einer dpa-Meldung außerdem maßgeblich die Länder Pakistan und Ägypten, die mit Rückendeckung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit gegen die Errungenschaften von Frauen und LGBTQ-Menschen Druck ausübten. Auf der festen Tagungsliste des UN-Rates stand auch dieses Mal die "Menschenrechtssituation in Palästina und anderen besetzten arabischen Gebieten". Der Monitoring-Initiative UN Watch zufolge unterstellte die OIZ noch in der 55. Sitzung dem jüdischen Staat, dass er im Gazastreifen einen "Völkermord" und "ethnische Säuberungen" "unter anderem durch Aushungern" begehe. Massig Gründe, um den Resolutionskrieg der islamischen Allianz gegen Dissidenten, Frauen, Queere und Juden unter die Lupe zu nehmen.

Pakistan: Todesstrafe für Blasphemie, gender based violence

Dass sich ausgerechnet Pakistan vor den UN als Advokat für Menschenrechte aufspielt, wirkt vor dem Hintergrund der innenpolitischen Situation der ebenfalls "Islamischen Republik" ausgesprochen grotesk. "Die politische Lage (Pakistans, Anm. d. A.) war 2023 zunehmend instabil, und die Behörden gingen weiterhin gegen Andersdenkende, Oppositionelle und Kritiker*innen der Regierung und des Militärs vor. Nach wie vor kam es zu Menschenrechtsverletzungen wie Verschwindenlassen, willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen, übermäßiger Einschränkung von Protesten sowie Gewalt gegen religiöse Minderheiten," bemerkt Amnesty International im Lagebericht 2023. Pakistanische Gesetze beruhen zu großen Teilen noch auf britisch-indischem Recht, sie umfassen aber seit den 1970er Jahren auch wesentliche Bestandteile der Scharia. Das Familien- und Erbrecht entstammt ausschließlich dem islamischen Recht. In den 1980er Jahren wurde das Strafrecht islamisiert und auf Blasphemie die Todesstrafe gesetzt.

Wenngleich zahlreiche Gotteslästerungsverfahren existieren, wurde noch nie eine Hinrichtung wegen Blasphemie in Pakistan behördlich angeordnet. Meist ist es ein von Staatspropaganda und Imamen angestachelter Mob, der Atheisten, Christen und Angehörige religiöser Minderheiten wegen nachgesagter Beleidigung des Islam mit drakonischer Gewalt bestraft oder per Faustrecht dem de-facto-Todesurteil überführt. 2022 veröffentlichte die pakistanische Denkfabrik Centre for Research and Security Studies Zahlen, nach denen seit der Unabhängigkeit Pakistans 89 Bürger außergerichtlich im Kontext von Blasphemie-Vorwürfen getötet wurden. Die Dunkelziffer wird erheblich höher sein. Allein in den letzten zwei Monaten sind zwei Fälle von Lynchmorden an Anders- oder Ungläubigen publik geworden: Nazir Masih (Mai 2024) und Mohammad Ismail (Juni 2024). Wenn man ergänzend zu dieser pakistanischen Normalität, die wahrhaftig auf religiösem Hass beruht, die Statements von Zamir Akram, dem Botschafter Pakistans bei der genannten UN-Podiumsdiskussion zur Blasphemie-Resolution, vernimmt, dem zufolge Koranschändungen mit der Ausdehnung von Meinungsfreiheit zunehmen würden und es dringend staatliche Repressionen dagegen erfordere, verstärkt sich der Eindruck, dass Pakistans Offizielle im Bund mit dem Lynchmob stehen.

Selbiges ist der Fall im Hinblick auf die Rechte von Frauen, Homo- und Bisexuellen sowie Transmenschen. Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Pakistan nach wie vor weit verbreitet, und vielen Überlebenden bleibt der Zugang zur Justiz verwehrt. Amnesty International registriert, dass es insbesondere vermehrt zu Misshandlungen, Drangsalierungen, Einschüchterungen und Morden an "Hausmädchen" und queeren Personen kommt. Auch Ehrenmorde sind enorm etabliert. Zuletzt war es wieder der Drahtzieher Pakistan mit der OIZ im Schlepptau, die einen Kulturkampf ums Geschlecht im UN-Menschenrechtsrat angefeuert hatten. Laut der paraphrasierten dpa-Pressemeldung hakten die Länder des islamischen Zusammenschlusses dort nächtelang bei jeder Formulierung ein, die Bezüge zu dem besonderen Schutz von Frauen und Menschen diverser Geschlechtsidentitäten oder sexueller Orientierungen herstellten. Die muslimische Front moniert "koloniales Gehabe", mit dem der Westen ihnen seine Werte aufzwingen wolle. Auch missionarische Organisationen aus den USA und Vertreter des Vatikans stachelten die Regierungen an, sich Bestrebungen zu besserer Sensibilität gegenüber LGBTQ-Personen zu widersetzen.

Ergebnis eines islamistischen Resolutions-Kreuzzuges

Verletzte religiöse Gefühle vor den UN gegen Meinungsfreiheit und sexuelle Selbstbestimmungsrechte auszuspielen ist kein neues Phänomen Auch die Wiedervorlage der Blasphemie-Resolution vom letzten Jahr ist "nur" die Spitze einer regelrechten Kampagne der OIZ mit Pakistan als Wortführer.

1999 brachte Pakistan in die UN-Menschenrechtskommission, dem Vorläufer des UN-Menschenrechtsrates, eine von der OIZ konzipierte Erklärung gegen die "Diffamierung des Islam" ein. Das Gremium verabschiedete die Resolution lediglich mit geändertem Titel, sodass sie sich gegen "Diffamierung" von Religion im Allgemeinen aussprach, aber ersichtlich war, dass maßgeblich der Islam impliziert ist.

2007 entschied der UN-Menschenrechtsrat auf Antrag der OIZ positiv über eine Absichtserklärung, nach der ein weltweites Verbot der öffentlichen Rufschädigung von Religionen gefordert wurde. Der Entschluss fungierte als Antwort auf die Mohammed-Satire des dänischen Karikaturisten Kurt Westergard und auf das beschädigte Ansehen des Islam seit den Terroranschlägen von 9/11.

2011 beschloss der Menschenrechtsrat dann auf Drängen der OIZ die Resolution 16/18. Sie beinhaltet den "Kampf gegen Intoleranz, negative Stereotype, Stigmatisierung, Diskriminierung, Hetze zur Gewalt und Gewalt gegenüber Personen, auf der Basis von deren Religion oder Glauben". Der damalige OIZ-Generalsekretär Ekmeleddin Ihsanoglu zelebrierte dies als Sieg. Äußerungs- und Gewissensfreiheit bezeichnete er als eine "wirklich verdrehte negative Logik, die unbegreiflich ist; dass jemand seine Freiheit benutzt, indem er andere beleidigt, und nicht nur ein paar Leute, sondern 1,6 Milliarden Menschen überall auf der Welt".

2017 rief schließlich Pakistans Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan die Botschafter von 22 mehrheitlich muslimischen Staaten in der Hauptstadt Islamabad zu einer geradezu Anti-Blasphemie-Aktionstagung zusammen. Gegenstand des Treffens war die Verbreitung "blasphemische(r) Inhalte in sozialen Medien". Im Ergebnis sollte das Thema bei der UN debattiert und nach juristischen Schritten gesucht werden, um vor nationalen Gerichten zu prozessieren. Als kraftvolle Umsetzungsakteure sollten die Arabische Liga und die OIZ in die Pflicht genommen werden.

Das Resultat sehen wir heute: Der Pakistani Zamir Akram knüpft in seinem Plädoyer in Sitzung 55 an die Resolution 16/18 an, kritisiert jedoch, dass diese nicht weit genug gehe und fordert die Umsetzung konsequenterer Maßnahmen gegen Koranschändungen gemäß der genannten Resolution von 2023: Mitgliedsländer sollen nationale Gesetze bestimmen, die sich mit Manifestationen "religiösen Hasses" befassen und jene Lücken identifizieren, die eine Strafverfolgung bisher verhinderten, darunter fallen auch Recherche und Reglementierung im digitalen Raum. Mehrere nicht näher genannte Staatenvertreter kommentierten Akrams Einlassung damit, dass ihre Länder bereits "die Regulierung von Hassreden im Internet in Zusammenarbeit mit dem Technologiesektor" bewerkstelligen. Ein Etappensieg?

Erst im letzten Jahr blockierte die pakistanische Telekommunikationsbehörde das Online-Lexikon Wikipedia, weil die Plattform es unterlassen habe, "gotteslästerliche Inhalte" zu löschen. Glücklicherweise wurde das Verbot zwei Tage später wieder aufgehoben. Diese Willkür exemplifiziert jedoch, wo Pakistan und die OIZ mit dem digitalen Canceln hinwollen.

Ebenfalls wird unmissverständlich, dass die Resolution nur auf das Einmauern des Islam vor Schmähungen abzielt. Im Gros waren es mehrheitlich islamische Länder, die der Erklärung zustimmten. Herabwürdigungen von Bibel oder Thora kommen mit keiner Silbe vor. Lediglich in der anschließenden Podiumsdiskussion wurden Antisemitismus und die Verfolgung von religiösen Minderheiten am Rande erwähnt, was wie eine Nebelkerze wirkt. Faktisch sind islamistische Muslime weltweit die größte verfolgende Gruppe, während Christen als religiöse Gruppe global und überwiegend in muslimischen Gesellschaften die meiste Verfolgung erleiden. Außen vor bleiben Diskriminierung, Demütigung und Entmenschlichung wegen Nicht-Glaubens. Die Beweggründe der 13 Länder mit Todesurteil und der 40 Länder mit Gefängnisstrafe auf Apostasie sind maßgeblich "religiös bedingt". Prinzipiell fehlt dem Interessenspapier der kleinste Funken Selbstkritik: Gefragt wird nicht, welchen Eigenanteil islamische Quellen, Organisationen, Repräsentanten oder Staaten daran haben, dass ihre mediale und gesellschaftliche Rezeption in Misskredit gerät.

Der Resolutionsfeldzug der OIZ passiert auch zum Leidwesen sexueller Minderheiten. 2014 scheiterte die islamische Solidaritätslobby OIZ noch mit dem Versuch, die Anerkennung homosexueller Ehen durch die UN wieder rückgängig zu machen. 2016 erzielte dann die OIZ den Ausschluss sämtlicher LGBTQ-Initiativen von der AIDS-Konferenz der Vereinten Nationen in New York.

Wie ein politisches Programm unter dem Deckmantel der Menschenrechte stattfinden kann, das Individuen entrechten und Glaubensgemeinschaften privilegieren soll, erklärt ein genauerer Blick auf die Organisation für Islamische Zusammenarbeit und deren Verständnis von Menschenrechten.

Kairoer Erklärung versus Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit ist ein Verbund von 56 Ländern, in denen der Islam die Mehrheits- oder Staatsreligion bildet oder eine große Minderheit muslimisch ist. Ihr Anspruch ist es, die gesamte muslimische Welt zu repräsentieren. Die OIZ wurde am 25. September 1969 in Rabat (Marokko) gegründet. Zu ihrem Gründungszweck gehört die "Befreiung" der Al Aqsa-Moschee und die Eroberung Jerusalems, nachdem Israel im Sechstagekrieg Ostjerusalem und den Tempelberg unter seine Kontrolle nahm. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich islamistische Gewaltherrschaften wie Iran, Afghanistan oder Jemen. Die OIZ gilt als einflussreichste politische Allianz bei den Vereinten Nationen. Hinter der zwischenstaatlichen muslimischen Solidarität treten der Iran-Irak-Konflikt und die Sunna-Shia-Differenzen zurück. Bei übergeordneten Anliegen (Gotteslästerung, Störfaktor "Israel" oder widerstreitende Sexualmoral) wird die islamische Einheit adressiert. Dabei beziehen sich die muslimischen Akteure vor den UN auf ihre eigene Version der Menschenrechte.

Im Jahr 1990 beschloss die islamische Staatentruppe auf einer Konferenz in Kairo eine islamkompatible Erklärung der Menschenrechte als Kontrastentwurf zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die 1948 von den Vereinten Nationen bestimmt wurde.

In der Kairoer Erklärung sind die Rechte Einzelner der Scharia unterworfen, die als "einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels" (Art. 25) dient. In der Präambel ist zu lesen, dass die Meinungsfreiheit da aufhört, wo die Paradigmen der Scharia verletzt werden. Es sei strengstens untersagt, "die Heiligkeit und Würde der Propheten zu verletzen, die moralischen und ethischen Werte auszuhöhlen und die Gesellschaft zu entzweien, sie zu korrumpieren, ihr zu schaden oder ihren Glauben zu schwächen".

Dieser Einschnitt soll nicht partikular auf muslimische Einflussgebiete begrenzt bleiben, sondern eine universale Ausweitung finden. Der Kairoer Präambel kommt dabei ein überlegener, missionarischer Charakter zu. So sei es "die kulturelle und historische Rolle der islamischen Umma, die von Gott als die beste Nation geschaffen wurde und die der Menschheit eine universale und wohlausgewogene Zivilisation gebracht hat". Schließlich summieren die Verfasser in der Erklärung die besondere "Rolle, die diese Umma bei der Führung der durch Konkurrenzstreben und Ideologien verwirrten Menschheit und bei der Lösung der ständigen Probleme dieser materialistischen Zivilisation übernehmen sollte."

Schon im Jahr 2015 traf der Publizist Henryk M. Broder eine Bewertung, die angesichts der gegenwärtigen Mobilisierung für die Kontra-Gotteslästerungs-Resolution unverändert zutrifft: "Auf diese Erklärung der Menschenrechte, die nichts anderes als eine Ausführungsbestimmung zur Scharia ist, berufen sich Politiker in Teheran, Islamabad, Riad und Ankara, wenn sie behaupten, auch in ihren Ländern würden Menschenrechte gelten. Wenn Homosexuelle aufgehängt, Ehebrecherinnen gesteinigt, Dissidenten ausgepeitscht, Gotteslästerer zum Tode verurteilt und kritische Journalisten eingekerkert werden, liegen keine Verstöße gegen Menschenrechte vor, denn diese Strafen werden im Einklang mit der Scharia verkündet und vollstreckt. Und die ist die Grundlage der (gemeinten, Anm. d. A.) Menschenrechte."

Antiisraelischer Konsens: Wo sich die OIZ die Hände reibt

Gerade erst in Genf, aber auch bei jeder anderen Sitzung des UN-Menschenrechtsrates seit 2007 steht die "Menschenrechtssituation in Palästina und anderen besetzten arabischen Territorien" gesondert auf der Agenda. Einer sorgfältigen Untersuchung des Politikwissenschaftlers Florian Markl und des Publizisten Alex Feuerherdt zufolge geht es bei dem Tagesordnungspunkt keinesfalls um Menschenrechtsverstöße des Islamischen Djihad oder der Hamas im Gazastreifen, geschweige denn um die Fatah im Westjordanland. Immer und ausschließlich werden scheinbare Verbrechen des jüdischen Staates in den "besetzten Gebieten" auf das Tapet gebracht. Die einzige Demokratie im Nahen Osten ist das einzige Land, welches vor den Vereinten Nationen exklusiv beäugt wird.

Exemplarisch zeigt der Einschätzung Markls und Feuerherdts zufolge die Ratssitzung vom 25. September 2017, was mit dem Kleinkrieg der überwiegenden OIZ-Staaten vor den Vereinten Nationen gegen den Judenstaat gemeint ist. Ein Gesandter Syriens bezichtigte damals Israel eine "Judaisierung Jerusalems, Häuserzerstörung, Landraub und Vergiftung natürlicher Ressourcen" durchzuführen. Katar warf Israel "Rassismus" vor, Pakistan "Apartheid" und die Islamische Republik Iran "Kriegsverbrechen" sowie "Staatsterrorismus" – das Remake der Brunnervergiftungs-Legende, Täter-Opfer-Umkehr sowie klassische Projektionen auf dem internationalen Parkett. Die Autoren resümieren: "Länder, in denen Menschenrechtsverletzungen alltäglich sind, überbieten sich förmlich in der (…) Delegitimierung Israels".1

Abschließend:

Zu Koranverbrennungen: Schändungen sogenannter Heiliger Bücher kann man pietätlos finden. Allerdings müssen Gläubige Kränkungen ertragen können. Dass Einzelne als Befreiungsschlag aus dem Trauma fanatischer muslimischer Erziehungserfahrung den Koran anzünden, wie beispielsweise auch der Ex-Muslim Amed Sherwan, sollte unter Menschenrechtlern zumindest empathische Beachtung finden. Es macht einen Unterschied ums Ganze, ob Zivilpersonen Bücher verbrennen oder der Staat dies tut. Ausschlaggebend ist auch, ob der Glaube eine Privatsache darstellt oder überstaatliche Organe zuvorderst ein Bekenntnis unanfechtbar heiligsprechen.

Zum Ratstreiben: Ein Gremium, das mit dem verantwortungsvollen Mandat betraut wurde, universelle Menschenrechte zu schützen, gerät zur Farce, wenn es den Erfüllungsgehilfen totalitärer Befindlichkeiten spielt. Die Neuauflage der Anti-Blasphemie-Resolution markiert einen besorgniserregenden Richtungstrend von der Verteidigung von Individualrechten hin zur Protektion von Gruppenrechten. Der Fall OIZ/Pakistan führt deutlich vor Augen, dass der UN-Menschenrechtsrat von einer Verbindung unterwandert wurde, die, wie der französische Philosoph Pascal Bruckner sagt, "von Dutzenden muslimischer Staaten finanziert wird, welche selbst schamlos Juden, Christen, Buddhisten und Hindus verfolgen". Offensichtlich wird, dass hier ein Player am Tisch sitzt, der nicht dieselbe Vorstellung von Menschenrechten teilt, wie es ursprünglich gedacht war. Wie geht man mit dieser Asymmetrie um?

Zu den Vereinten Nationen: Die UN sollten im Gesamten mit der Frage konfrontiert werden, ob ihnen mit dem Völkerrecht als Dreh- und Angelpunkt nicht vielleicht ein Geburtsfehler anlastet, der gepaart mit dem momentanen Kräfteverhältnis tendenziell anti-säkular, sexualitätsfeindlich und antisemitisch ist. Vom Völkerrecht gelangt man schnell zu Kulturen und zwischen Kulturen herrschen nun mal unterschiedliche Modernisierungsgrade. Bedenkt man, dass ein Großteil der UN-Mitgliedsstaaten muslimisch und/oder antidemokratisch ist, dürfte sich die Vorstellung von den Vereinten Nationen als demokratisches Weltparlament schnell desillusionieren.

Zur Gegenwart: Nochmal spricht es den unterschiedlichen Abteilungen der UN Hohn, wenn aktuell der Vorsitz des Menschenrechtsrates durch Marokko – ebenfalls kein lupenreines Menschenrechts-Eldorado und Gründungsland der OIZ – bekleidet wird und vorher das Islamische Regime Iran diesen Posten innehatte. Jüngst identifizierten israelische Sicherheitsbehörden mehr als 2.000 UNRWA-Mitarbeiter, die zeitgleich Mitglieder in Terrororganisationen sind, wovon etliche an der Planung und Durchführung des 7. Oktobers beteiligt waren. Die UN haben eine Generalüberholung bitter nötig, ansonsten sollen sie bitte in der Bedeutungslosigkeit versinken.

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1 Feuerherdt, A., & Markl, F. (2018): Vereinte Nationen gegen Israel. Wie die UN den jüdischen Staat delegitimiert. S. 195f. ↩︎