Trump hat gewonnen und die Religion trägt Mitschuld

Die möglichen Gründe für den Wahlsieg des 78-jährigen Republikaners wurden in den Medien ausführlich diskutiert, wobei die Religiosität – darin waren sich die Kommentierenden einig – eine gewichtige Rolle spielte. In den USA garantiert der 1. Verfassungszusatz die Trennung von Kirche und Staat. Für die Wählerinnen und Wähler gilt das nicht, sie dürfen religiöse Empfindsamkeiten in ihre Wahlentscheidung einfließen lassen. In einer Studie wurden die Wahlberechtigten dazu befragt.

Am 15. März 2024 veröffentliche das Pew Research Center die Studie "8 in 10 Americans Say Religion Is Losing Influence in Public Life". Der Titel der Studie nimmt bereits einen Teil des Ergebnisses vorweg, 80 Prozent der Menschen sind der Meinung, dass der Einfluss der Religion im öffentlichen Leben abgenommen hat. 57 Prozent der Erwachsenen haben eine positive Sicht auf den Einfluss der Religion auf das amerikanische Leben.

Da zum Zeitpunkt der Umfrage Joe Biden noch Kandidat der Demokraten war, beziehen sich die Fragen auf ihn und auf Donald Trump. Welche Eigenschaften sind den Wählenden bei den Präsidentschaftskandidaten wichtig? Dazu wurden vier Kategorien abgefragt und nach politischer und religiöser Einstellung aufgeschlüsselt.

Wie sollte der Präsident sein?

Der Aussage "Es ist wichtig, dass der Präsident persönlich ein moralisches und ethisches Leben führt" stimmten 94 Prozent der Erwachsenen zu. Bezogen auf die betrachteten Gruppen schwankt die Zustimmung nur zwischen 91 Prozent und 97 Prozent.

Bei der Aussage "Es ist wichtig, dass der Präsident für den religiösen Glauben der Menschen einsteht" ergibt sich ein differenzierteres Bild. Unter den Republikanern stimmen 78 Prozent zu, bei den Demokraten 53. Erwartungsgemäß beantworteten viele religiöse Menschen die Frage mit ja. Die Spitze bilden die weißen Angehörigen von evangelikalen Kirchen mit 91 Prozent. Wenig überraschend haben die Konfessionslosen mit 38 Prozent den geringsten Wert.

Ist es für die Wählenden wichtig, einen religiösen Präsidenten zu haben? Auch das wurde abgefragt, wobei zwischen "hat starken religiösen Glauben, auch wenn von eigenem abweichend" und "hat meinen religiösen Glauben" unterschieden wurde. Zustimmung bei Republikanern: irgendein Glaube 61 Prozent, mein Glaube 51 Prozent. Zustimmung bei den Demokraten: irgendein Glaube 36 Prozent, mein Glaube 25 Prozent. Auch bei dieser Frage gibt es unter den weißen Angehörigen von evangelikalen Kirchen die größte Zustimmung: irgendein Glaube 73 Prozent, mein Glaube 70 Prozent. Unter den Konfessionslosen wäre annähernd 0 zu erwarten, aber für 17 Prozent ist irgendein Glaube wichtig und für 11 Prozent der eigene Glaube. Ein kleiner Teil der Konfessionslosen ist anscheinend auch ohne konfessionelle Bindung gläubig.

Interessant ist, dass bei allen religiösen Gruppen "irgendein Glaube" eine höhere Zustimmung hat als "mein Glaube". Das kann positiv als Toleranz gegenüber anderen Religionen gesehen werden. Es bedeutet aber auch, dass irgendein Glaube besser ist als kein Glaube, womit Atheistinnen und Atheisten außen vor sind.

Wie werden die Kandidaten eingeschätzt?

50 Prozent der Republikaner schätzen Trump als sehr oder ziemlich religiös ein, während dies nur 12 Prozent der Demokraten tun. Joe Biden wird von 78 Prozent der Demokraten als sehr oder ziemlich religiös eingeschätzt, während dies nur 29 Prozent der Republikaner so sehen. Offensichtlich basiert die Einschätzung der Wählenden eher auf Wunschdenken als auf dem tatsächlichen Lebenswandel der Kandidaten, wobei selbst Republikaner sich schwertun, in Donald Trump einen religiösen Menschen zu sehen.

Versuch einer Interpretation

Alle Menschen leben in der realen Welt. Im täglichen Leben unterliegt unser Handeln den Naturgesetzen. Damit ein Auto fährt oder ein Flugzeug fliegt, ist rationales Denken notwendig. Jeder Denkfehler wird von der harten Realität entlarvt. Für religiöse Menschen gibt es noch eine weitere Welt, die transzendente. In ihr gelten ganz andere Gesetze und jede Religion hat ihre eigenen.

Das Christentum hat die drei theologischen Tugenden: Glaube, Hoffnung und Liebe. An etwas zu glauben, was nicht bewiesen ist, wird als Tugend, als etwas Positives "verkauft". Religiöse Menschen glauben wie selbstverständlich daran, dass eine Oblate nur so aussieht, in Wirklichkeit aber Menschenfleisch ist; dass Adam von Gott aus Lehm erschaffen wurde; dass die Erde höchstens zehntausend Jahre alt ist und für einige wenige ist die Erde immer noch flach. Kellyanne Conway hat – im Zusammenhang mit der Diskussion um die Teilnehmerzahl der Amtseiführung Trumps 2017 – für diese Art von Wahrheiten den Begriff "alternative Fakten" geprägt.

Das war der Nährboden für den Wahlkampf von Donald Trump. Er konnte erzählen, was er wollte, und viele ihm Nahestehende haben es einfach geglaubt. Selbstverständlich hatte seine Amtseinführung mehr Teilnehmende als die von Barack Obama. Natürlich hat Gott persönlich beim Attentat seine schützende Hand über ihn gehalten und mit Gottes Hilfe wird er die USA, "God's Own Country", in eine bessere Zukunft führen.

Religiöse Menschen sind von Kindesbeinen an daran gewöhnt, die "alternativen Fakten" ihrer Religion unhinterfragt zu glauben. Mental haben sie daher auch weniger Probleme, andere alternative Fakten zu glauben. Parteien, die auf Demagogie und Populismus setzen, können darauf aufbauen.

Wünschenswert wäre ein Wahlkampf mit Sachargumenten, die rational nachvollzogen werden können. Wie in anderen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens ist Religion dabei leider Teil des Problems, nicht Teil der Lösung.

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