Mit Gott siegen? – Wie der Fußball zur Missionsbühne wird

Wenn sich Fußballprofis nach Toren bekreuzigen, Bibelverse posten oder "Jesus is King"-Shirts tragen, applaudiert die Öffentlichkeit. Der Glaube im Sport ist längst kein stilles Bekenntnis mehr, sondern Teil einer wachsenden religiösen Kampagne mit teils problematischen Botschaften – mehr Ideologie als authentische Frömmigkeit.

"God first", sagen viele Sportler. Der Glaube gibt Halt, heißt es – und das klingt zunächst harmlos. Auch Golfprofi Bernhard Langer erklärte jüngst: "Der Glaube ist für mich das Wichtigste in meinem Leben. Dann kommt meine Familie und dann Golf. In dieser Reihenfolge und nicht anders." Der Satz könnte aus einem evangelikalen Handbuch stammen. Und tatsächlich: Langer gehört einer freikirchlichen Gemeinde an, wie viele gläubige Sportler, die ihre Religion öffentlich inszenieren.

Im Fußball ist diese Frömmigkeit inzwischen omnipräsent. Der Dortmunder Felix Nmecha sagt von sich: "Ich bin ein Christ, der Fußball spielt." Doch der Nationalspieler fiel zuletzt leider nicht durch Fairplay auf, sondern durch homophobe und transfeindliche Postings sowie durch seine Nähe zu rechtskonservativen Aktivisten in den USA. Dies entspricht ganz und gar nicht dem Standard der Nächstenliebe und trotzdem bleibt Kritik weitgehend aus – zumindest in religiösen Kreisen.

Davie Selke jubelte beim HSV-Aufstieg im Mai im Shirt "Jesus is King", und auch Nationalspielerinnen wie Sarai Linder und Giovanna Hoffmann zeigen offen ihren Glauben. Vor allem Fußballer aus Südamerika verstehen sich oft als Missionare im Trikot, bekreuzigen sich vor jedem Anstoß, zeigen tätowierte Engel, Madonnen oder Bibelzitate auf den Unterarmen.

Doppelte Standards

Interessanterweise stört das niemanden. Christliche Glaubensbekenntnisse werden als sympathisch und emotional gefeiert, als Zeichen von Charakter. Doch wenn muslimische Spieler wie einst Mesut Özil oder Antonio Rüdiger öffentlich beten oder Allah für ein Tor danken, ist der Aufschrei groß. "Politischer Islam", "falsche Loyalitäten" – war in vielen Posts in den Sozialen Netzwerken zu lesen.

Diese Doppelmoral ist nicht zufällig, sondern tief kulturell verwurzelt: Das christliche Bekenntnis gilt als unsichtbare Norm, der muslimische Glaube als Angriff. Als die Tagesschau im Sommer 2025 über evangelikale Fußballer und ihr fundamentalistisches Weltbild berichtete, tobten konservative Politiker. CDU-Mann Johannes Volkmann warf der Redaktion vor, das Christentum anzugreifen und zu einseitig zu berichten – die Programmbeschwerde hatte offensichtlich Erfolg, denn der Beitrag ist nicht mehr abrufbar.

Mission auf dem Rasen

Tatsächlich geht es längst nicht mehr nur um persönlichen Glauben und Spiritualität. Hinter vielen frommen Phrasen steht ein professionelles Netzwerk. Der Verein Fußball mit Vision präsentiert auf seiner Homepage "Zeugnisvideos", in denen Bundesligaprofis wie Felix Nmecha, Maxence Lacroix und Felix Uduokhai berichten, wie Gott ihr Leben verändert hat – flankiert von missionarischen Schulprojekten, bei denen Jugendliche durch ihre Idole zum richtigen Glauben finden sollen. Der Instagram-Kanal "Ballers in God" hat über 670.000 Follower und macht keinen Hehl aus seiner Agenda: Aktive Fußballer zelebrieren dort ihren Glauben als Christfluencer hart an der Schmerzgrenze.

Was wie eine harmlose Glaubensgemeinschaft aussieht, ist in Wahrheit eine Form religiöser Markenbildung. "Jesus sells" – und das nicht nur in der Popkultur. Der Sport wird zum Vehikel, um ein konservatives Weltbild zu verbreiten, in dem Demut, Gehorsam und Männlichkeit als göttliche Tugenden gelten.

Wenn der Glaube politisch wird

So lange Religion ausschließlich Privatsache bleibt, stört sie nicht das Sportgeschehen. Doch im Moment verwandelt sich persönlicher Glaube in eine öffentliche Demonstration, die kaum noch von Ideologie zu unterscheiden ist. Der Fußball wird zum Missionsfeld, auf dem Frömmigkeit zum Imagefaktor und zur Abgrenzung von der "sündigen Welt" wird. Dass der sportliche Wettkampf so zur Bühne einer religiösen Selbstdarstellung verkommt, zeigt, wie selbstverständlich christliche Symbolik noch immer als kultureller Standard gilt.

Es ist an der Zeit, dass sich der Fußball wieder daran erinnert, worum es eigentlich geht: um Spiel, Leistung, Fairness – nicht um Erlösung.

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