Ein Webinar von Terre des Femmes

Antifeminismus ist wieder en vogue

Die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes hat zu einem Webinar eingeladen: "Antifeminismus im Blick". Dafür gab es 54 Anmeldungen. Es kann nur ein Schlaglicht auf das Thema Antifeminismus geworfen werden, sagte Referentin Sina Tonk einführend. Dennoch haben Tonk und ihre Kollegin Gesa Birkmann es geschafft, stichpunktartig, aber so umfassend wie möglich, Antifeminismus zu erfassen. Der Grund: Es gibt eindeutig ein Rollback, ein Zurück zu weniger Frauenrechten.

Hintergründe, Herausforderungen, Handlungsmöglichkeiten – so war das Webinar untertitelt und genau nach diesen drei Stichpunkten war das Online-Seminar aufgebaut. Zunächst ging es um Definitionen und Protagonisten, dann um ihre Positionen und Verquickungen, schließlich ging es um Gegenstrategien.

Permanenter Widerstand gegen Errungenschaften von Frauen

Gesa Birkmann, Abteilungsleiterin Themen, Projekte, und Sina Tonk, Bereichsleiterin Referate, beide bei Terre des Femmes, leiteten das Webinar. Tonk führte ein: "Seit Frauen um ihre Rechte kämpfen, gibt es Antifeminismus". Egal worum es ging, gleiche Rechte als Bürgerinnen zu bekommen, wählen gehen zu dürfen, studieren zu dürfen, im Grundgesetz überhaupt gleichberechtigt zu sein – immer gab es Widerstand. Widerwillen aus der Männerwelt, aber auch gerne von Frauen.

Heute würden sich Mädchen und Jungen in der Schulzeit noch gleichberechtigt fühlen, später kämen für die Mädchen die ersten Hürden:

  • Gläserne Decke: Wenn es um den Aufstieg auf der Karriereleiter geht.
  • Gender Pay Gap: Frauen werden nachweislich in einigen Branchen für die gleiche Tätigkeit schlechter bezahlt.
  • Gender Care Gap: Frauen kümmern sich um die Kinder. Und: Frauen kümmern sich mehr um hilfsbedürftige Verwandte.

Rollback zeigt: Bloß nicht ausruhen auf den Errungenschaften!

"Derzeit ist es so, dass wir ein Rollback erleben", so Tonk. "Das heißt, wir können uns auf diesen Errungenschaften nicht ausruhen, sondern diese Errungenschaften werden von Akteuren und Akteurinnen bekämpft." Als Beispiele nannte sie etwa die Debatte um geschlechtergerechte Sprache (etwa Genderverbot in Bayern).

Unternehmen hätten schon angefangen, Diversitätsprogramme oder Programme für Geschlechtervielfalt einzustellen, zum Beispiel SAP. Auch in der Politik würden Frauen zurückgedrängt. Der Anteil von Frauen sei im Bundestag zum Beispiel niedriger als in der letzten Legislaturperiode. "Es werden grundsätzliche demokratische Prozesse überworfen, wie zum Beispiel [bei der] die Wahl der Bundesverfassungsrichterin Brosius-Gersdorf", stellte Tonk fest. Kurz gesagt: Es gibt ein Rollback.

In der Einführung hatte Sina Tonk Antifeminismus klar definiert und ihn abgegrenzt von Sexismus und Misogynie:

  • Sexismus ist die rigide Zuschreibung traditioneller Geschlechterrollen, die von der Überlegenheit des Mannes ausgeht. Sexismus ist eine strukturelle Dimension, tief verwurzelt in Normen und Institutionen. Er durchzieht die ganze Gesellschaft.
  • Misogynie ist der gezielte Hass auf Frauen und die Vorstellung weiblicher Minderwertigkeit. Das reicht von einer Haltung und Feindseligkeit bis hin zur Gewalt, auch der Tötung von Frauen, weil sie Frauen sind.
  • Antifeminismus ist der politische Widerstand von vielen unterschiedlichen Gruppen gegen die Liberalisierung der Geschlechterverhältnisse. Sie wollen Errungenschaften zurückdrehen, sie wollen ein altes Rollenbild wieder etablieren und machen das mit politischen Mitteln. Sie greifen einzelne Personen an, einzelne Aktivisten und Aktivistinnen, sie greifen Organisationen an – auf ganz unterschiedlichen Wegen.

Zahlen zu Antifeminismus zeigen Rollback

Die Amadeu Antonio Stiftung hat eine Meldestelle für Antifeminismus eingerichtet und veröffentlicht regelmäßig Lageberichte. 2024 habe es über 650 Meldungen von sogenannten Vorfällen gegeben – das reicht von körperlicher und psychischer Gewalt bis zu Online-Beschimpfungen. Antifeminismus richtet sich nicht nur gegen einzelne Personen, sondern auch gegen NGOs oder staatliche Institutionen. Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2024 der Heinrich-Böll-Stiftung konnte belegen, dass in Deutschland 23 Prozent der Menschen ein "geschlossen antifeministisches Weltbild" vertreten.

Antifeministen einig bei Abtreibung

Antifeministen können sich darauf einigen, dass Abtreibung nicht legal sein sollte. Und vor allem: "Sie alle wollen Frauen wieder in ihre 'natürliche Rolle' zurückdrängen und ihnen auch Rechte wieder wegnehmen." Gesa Birkmann präsentierte eine Gruppe der Antifeministen. Es sind Frauen, es ist ein Phänomen in den Sozialen Medien: die "Tradwives". Die traditionellen Ehefrauen kochen, sind feminin gestylt und kümmern sich um ihren Mann.

"Sie sind immer schlank und normschön, zurechtgemacht, drumherum hat man eine Atmosphäre, die darauf schließen lässt, dass es keine Geldsorgen gibt – der Antifeminismus als Lifestyle", erklärte Gesa Birkmann. Tradwives erscheinen auf den ersten Blick unpolitisch. Sie wollen (junge Frauen) überzeugen, dass eine Frau glücklicher ist in ihrer traditionellen Rolle.

Donald Trump, Attila Hildmann, Friedrich Merz – wer ist antifeministisch?

Von Attila Hildmann, der nach wie vor im Netz eine hohe Zustimmung hat, oder dem ermordeten Charlie Kirk, der ein umtriebiger Aktivist des Antifeminismus war und dessen Ehefrau äußerlich in das Klischeebild der Tradwife passt, über Donald Trump, der ein zweites Mal gewählt wurde, obwohl er offen frauenfeindlich ist ("grab them by the pussy") bis hin zu Pick-up-Artist Andrew Tate, der Massen mit Antifeminismus begeistert.

Politische Protagonisten des Antifeminismus sind nicht nur offensichtlich die AfD, sondern auch Politiker der Union. Allen voran Bundeskanzler Friedrich Merz, der 1997, als es darum ging, dass Vergewaltigung in der Ehe strafbar sein soll, dagegen gestimmt hatte. Er hat das zwar inzwischen revidiert. Merz hat sich aber auch explizit gegen eine Geschlechterparität in seiner Regierung ausgesprochen, mit der Begründung, man würde den Frauen damit ja auch kein Gefallen tun.

Applaus von Antifeministen für Markus Söder

"Demokratisch gewählte Politiker können heutzutage mit diesen frauenfeindlichen, frauendiffamierenden Aussagen in die Öffentlichkeit treten" und erreichten eine große Zustimmung, konstatierte Birkmann. So wie Markus Söder (Zitat: "Ohne Auto, Maschinenbau und Chemie ist Deutschland wie eine Frau ohne Unterleib"). Es gab viel Empörung, aber bei den Antifeministinnen hat er "sicherlich auch viel Applaus bekommen", vermutete Birkmann. Antifeminismus sei eine Art Sekte, meinte sie abschließend.

Zum Schluss wurde in Gruppen über Gegenstrategien zu Antifeminismus diskutiert. Von zwei Frauen in der Sozialarbeit kam der Tipp, Feminismus getarnt zu verbreiten. Ein Teilnehmer erklärte, er oute sich regelmäßig als Feminist: "Ich möchte andere Männer damit erreichen. Wenn wir Feminismus vorantreiben wollen, müssen wir die Männer überzeugen."

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