NSA-Skandal

Wenn in Deutschland ein Skandal aufgedeckt wird

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BERLIN. (hpd) Was tut die Bundesregierung, wenn aufgedeckt wird, dass sie das eigene Volk jahrelang wissentlich belogen hat? Wenn offensichtlich wird, dass mit ihrem Wissen und Dafürhalten das Grundgesetz gebrochen wurde? Sie beklagt sich darüber, dass der Skandal aufgedeckt wurde.

“Nolite necare nuntium” - “Tötet nicht den Boten!” mag man dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, zurufen. Denn das versuchte er, als die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, in der aktuellen Fragestunde im Bundestag nach der NSA-BND-Kooperation fragte, die in der vergangenen Woche unter dem Codewort “Eikonal” an die Öffentlichkeit kam.

“NSA und BND arbeiteten in der ‘Operation Eikonal’ jahrelang zusammen, um Internetdaten und Telefonverkehr in Frankfurt abzufangen. Dass dabei Daten von Bundesbürgern rechtswidrig in die USA gelangten, nahm die Bundesregierung in Kauf” schrieb die Süddeutsche am 4. Oktober 2014. In den Akten, die einigen Medien vorliegen, finden sich Hinweise, “wie der BND und (die) frühere Bundesregierungen an die Grenze des politisch und juristisch Vertretbaren gingen; ja, es gibt Hinweise darauf, dass sie diese Grenze womöglich wissentlich überschritten. In den Papieren finden sich Warnungen von Insidern.”

Im Artikel heißt es auch: “Abgesegnet hat die Sache ein Mann, der auch heute Minister ist.” Gemeint ist der damalige Kanzleramts- und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Warum ließ er und dann sein Nachfolger Thomas de Maizière diese grundgesetzwidrige Zusammenarbeit zwischen dem BND und der NSA zu bzw. weiterlaufen?

Was nun antwortet auf diese Frage der Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche? Nichts. Das heißt: Er sprach zwar, aber nicht über das, wonach er gefragt wurde. Der genaue Wortlaut dieser “Antworten” lässt sich dem Protokoll der Bundestagssitzung (5153 B) entnehmen. Oder aber in der Kurzfassung bei netzpolitik.org nachlesen:

Britta Haßelmann fragt: “In welchem Umfang und in welchem Zeitraum hat der Bundesnachrichtendienst Kommunikationsdaten über Bundesbürger an die NSA weitergegeben?” und erhält zur Antwort: “Zunächst einmal, Frau Abgeordnete, bedauere ich es ausdrücklich, dass Unterlagen, die bis zu ‘streng geheim’ eingestuft waren und dem Untersuchungsausschuss von Seiten der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden sind, in kürzester Zeit in die Presse gekommen sind und dass sie offensichtlich Hintergrund der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung waren.”

Er bedauert - wie Markus Beckedahl richtig anmerkt - zwar, dass die Unterlagen zur “’Operation Eikonal” geleakt (also öffentlich gemacht) wurden; die Grundrechtsverletzungen bedauert Fritsche aber nicht.

Sascha Lobo kommentiert den Verstoß des Staatsorganes BND gegen genau die Verfassung, die zu schützen er gegründet wurde, so: “Diese Datenweiterleitung ist das exakte Gegenteil von allen Argumenten, mit denen die Existenz der Dienste begründet wird. ‘Den Bock zum Gärtner machen’ ist als Sprachbild dafür zu schwach, ‘Eikonal’ bedeutet, aus dem Kanzleramt heraus den Bock mit einem Flammenwerferangriff auf den Garten zu beauftragen.”

Das “Nichtssagen” hat auch der Regierungssprecher - der ehemalige ZDF-Moderator und jetzige Staatssekretär - Steffen Seibert schon hervorragend erlernt. Unter Freunden sagt man, “der eiert rum.” Doch das darf man ja von einem Staatssekretär nicht behaupten. Der verdreht nur die Worte und formuliert “die Kapitulation einer Bundesregierung” so um, dass sie nicht ganz so offensichtlich wird.

“So hört es sich an” schreibt Sascha Lobo, “wenn auf Ministerebene mit Duldung zweier deutscher Kanzler verfassungsbrechende Entscheidungen getroffen wurden und dann alles zu geheim ist, um darüber zu sprechen. So hört es sich an, wenn ganz nebenbei, vielleicht sogar nur halbbewusst eine Regierung glaubt, die eigene Macht sei wichtiger als das Grundgesetz.”

Das jedoch darf man nicht laut sagen. Denn dann wird der Bote geköpft.
Obwohl: Es entsteht immer mehr der Eindruck, dass selbst dann, wenn die Regierung ihre Lügen in diesem Falle zugeben würden, es niemanden davon abhalten würde, sie wieder zu wählen. Solange es bloß keine PKW-Maut gibt …