In einem Interview sprach sich Gesundheitsminister Jens Spahn dafür aus, dass auch in Deutschland die Widerspruchslösung eingerichtet werden soll. Das bedeutet, dass jeder Bürger einer Organspende widersprechen und nicht wie bisher eine solche ausdrücklich erlauben muss.
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der gespendeten Organe auf einen historischen Tiefstand gesunken. Im gesamten Jahr 2017 spendeten nur noch 797 Menschen Organe. Um diesen Missstand zu beenden hat der Gesundheitsminister am Wochenende in einem Interview mit der BILD den Vorschlag gemacht, eine Regelung wie in Spanien und den Niederlanden zu treffen. Hier muss einer Organspende explizit widersprochen werden; anderenfalls können nach dem Tod Organe entnommen werden, um anderen Menschen zu helfen.
Allerdings will das Gesundheitsministerium im Moment eine solche Regelung noch nicht als Gesetzentwurf dem Bundestag vorlegen, sondern das Thema nur zur Diskussion stellen. Daran wird deutlich, dass es mittelfristig weiterhin für die über 10.000 Patienten, die auf einer Warteliste stehen, keine bessere Hoffnung geben wird.
Bereits im Mai forderte der Ärztetag in Erfurt in einem Beschluss:
Der 121. Deutsche Ärztetag 2018 fordert den Bundesgesetzgeber auf, § 2 Abs. 2 Transplantationsgesetz (TPG) im Sinne einer Widerspruchslösung zu formulieren. Es kann von jeder Bürgerin und jedem Bürger nach der gesetzlich in § 2 Abs. 1 TPG geregelten Aufklärung durch die Krankenkassen erwartet werden, dass sie/er sich mit der Problematik auseinandersetzt und im Falle einer tatsächlichen Ablehnung ihr/sein NEIN zur Organspende formuliert.
In dem BILD-Interview sagte Spahn, dass ihm bewusst sei, dass eine solche Neuregelung zwar einen Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen sei. Andererseits aber seien alle bisherigen Versuche der Politik, die Zahl der Organspender zu steigern, ohne Erfolg geblieben. "Deshalb", so Spahn, "brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte über die Widerspruchslösung." Er sprach sich für eine Debatte zu diesem Thema im Bundestag aus.
Immerhin gibt es auch eine kleine Hoffnung für die auf ein Spenderorgan wartenden Patienten. Im jetzt vorliegenden Entwurf eines neuen Organspende-Gesetzes, der am vergangenen Donnerstag an die Bundestagsfraktionen geschickt wurde, heißt es, dass "Entnahmekrankenhäuser" in Zukunft über Pauschalen und Zuschläge mehr Geld für Leistungen im Zusammenhang mit einer Organspende bekommen sollen. Für Kosten, die durch die Nutzung der notwendigen Infrastruktur rund um eine Organspende entstehen, soll es ebenfalls Zuschläge geben.
Informationen zur Organspende finden sich hier.
31 Kommentare
Kommentare
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Der Skandal um die Organspenden hat die Deutschen sehr getroffen. Es wird nie vergessen und darum bleibt die Organspende auf einem Tiefpunkt. Skandale haben eine besondere Wirkung, die Richtung geht nach hinten.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Den Skandal um die Organspenden hat es aber nur gegeben, weil Spender-Organe so ein rares Gut sind.
Dr. Michael Balke am Permanenter Link
Endlich kapiert auch die „hohe deutsche Politik“ die Notwendigkeit einer Widerspruchslösung, um den vielen todkranken Wartepatienten helfen zu können.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Frage mich, wo bei diesem eigtl. begrüßenswerten Vorschlag der spahnsche Pferdefuß ist...
Mio27 am Permanenter Link
Das Thema gehört auf die Agenda. Es geht um Menschenleben.
Maximilian am Permanenter Link
Sicherlich ist die Widerspruchslösung eine gewisse Einschränkung der Freiheit. Von Zwang kann aber keine Rede sein. Um Zwang handelt es sich wenn man etwas nicht will, es aber trotzdem tun muss.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Die Widerspruchslösung ist keineswegs eine Einschränkung der Freiheit.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Warum dem menschlichen Kadaver eine andere Bedeutung zumessen, als anderen tierischen Kadavern auch?
mio27 am Permanenter Link
Nach Ihrer Argumentation können Sie Ihren "Kadaver" nach dem Tod auch auf den Misthaufen werfen lassen.
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Oh doch, von dieser Kultur bekomme ich jetzt täglich viel mehr aufgezwungen, als mir lieb ist.
Übrigens kennen Sie scheinbar die Regeln des Staates dafür um so weniger. Kadaver dieser Größenordnung dürfen keines Falls auf den Misthaufen geworfen, sondern müssen vergraben werden. Das sollte auch für Menschen gelten. Es gibt keinen Grund zum Friedhofszwang.
Thomas am Permanenter Link
"Hinzukommt, dass Organspendeskandale in der Vergangenheit für einen drastischen Einbruch gesorgt haben."
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"Dass Menschen ihre geliebten Angehörigen würdevoll und in einem Stück zu Grabe tragen, hat etwas mit Kultur zu tun, nicht mit Gefühlsduselei."
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Auch "Kultur" kann gefühlsduselig sein. Man mag psychologisch nachvollziehen können, was Menschen zu totenkultischen Handlungen bewegt, aber auch die sind umso irrationaler, je weiter der für sie getriebene Aufwand das zur hygienischen Entsorgung von Gammelfleisch unvermeidbare Maß übersteigt.
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"Wenn ich gezwungen werde, etwas ausdrücklich zu widersprechen, ist das Zwang."
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Und was ist mit dem Zwang, quälend lange auf ein Spenderorgan zu warten und womöglich doch noch zu krepieren, während Unmengen transplantierbarer Ersatzteile verbrannt und/oder verbuddelt werden? Die Widerspruchslösung ist schon lange überfällig, denn der "Zwang", sich mit dem Thema Organspende auseinanderzusetzen und Stellung zu beziehen, ist zumutbar. Unnötig langes und von schwerstem Leid erfülltes Warten auf ein Spenderorgan hingegen nicht.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Sehen Sie zu, dass Sie bald die Kurve kriegen. Den Luxus "...dass Menschen ihre geliebten Angehörigen würdevoll und in einem Stück zu Grabe tragen ..." werden wir uns nicht mehr lange leisten können.
Franz Reinartz am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Weida,
Ihr Ton lässt jede Achtung vor MENSCHEN vermissen, die liebe Menschen verloren haben. Die wenigen Toten, die ich bisher gesehen habe, waren mir immer noch Vater oder Bruder und eben keine Kadaver.
Sie mögen sich aber gerne so sehen.
Einen guten Abend dennoch!
Rüdiger Weida am Permanenter Link
Es macht mich stolz, Herr Reinartz, dass ich mit meinem Beitrag wenigstens einem zu einer klaren Entscheidung verholfen habe, wenn auch ein bisschen der Verdacht besteht, die war eh schon getroffen.
Eigentlich wollte ich das auch gar nicht. Mir ging es darum zu zeigen, für mich ist mein Kadaver nichts anderes als der jedes anderen Tieres. Was mit dem einst geschieht, habe ich zu entscheiden, nicht meine Angehörigen. Das halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Für mich es es weit wichtiger, ein anderes Leben zu retten als evtl. die Gefühle meiner Angehörigen nicht zu verletzen.
Sie sehen das umgekehrt. Schade, Leben sollte klar wichtiger als Gefühle sein. Vor allem, weil mir nicht klar ist, warum es Gefühle verletzen sollte, wenn ein Einzelteil nicht mit im Sarg oder in der Urne als Asche liegt.
Aber wenn das in Ihren moralischen Kompass passt, können sie sicher gut damit leben, dass evtl. jemand wegen Ihrer Gefühle sterben musste.
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Ihr Einwand, sehr geehrte Frau / sehr geehrter Herr Mio27, wird durch den Pleonasmus "zwangsweise Pflicht" nicht richtiger.
mio27 am Permanenter Link
Wenn ich gezwungen werde, etwas ausdrücklich zu widersprechen, ist das Zwang. Bis jetzt gehörte mein Körper mir bis zum Ende. Wenn ich aber spenden will, dann tue ich es freiwillig oder eben nicht.
U.-C. Arnold am Permanenter Link
mio27 muss ich als Arzt völlig recht geben.
Sven F am Permanenter Link
Können Sie - als Arzt - mir bitte erklären, wie man ohne Hirnfunktion noch etwas wahrnehmen kann? Habe ich bisher immer falsch verstanden, dass beim Gehirn für die Wahrnehmung zuständig ist?
Dr. Lengerke Jochen am Permanenter Link
Sie haben selbstverständlich Recht, sehr geehrter Sven F.
Wahrnehmung ist an das Hirn gebunden. Lediglich primitive Reflexe sind nach Erlöschen der Hirnfunktion möglich. Das hat mit Wahrnehmung nichts zu tun.
Dr. Jochen Lengerke, Facharzt für Ortopädie
Sven F am Permanenter Link
Dann ist also eine Narkose schlicht unnötig.
Dr. Lengerke Jochen am Permanenter Link
So ist es: Eine Narkose ist für den Hirntoten ebenso überflüssig wie des „Seel“sorgers frommen Sprüche.
Thomas am Permanenter Link
"Der Spender ist also noch nicht TOT; er mag hirntot sein, aber lebt noch."
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"Er reagiert noch auf den Schnitt des Skalpells und muss darum eine Narkose erhalten."
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Muß er NICHT. Es werden lediglich Relaxantien verabreicht, um störende spinale Reflexe zu unterdrücken. Wer sich dennoch ängstigt, sollte verfügen, daß eine Organentnahme nur unter Narkose erfolgen darf.
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"Man kann Menschen nicht übelnehmen, wenn sie einen solchen Eingriff an sich nicht vornehmen lassen wollen."
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Doch, das kann man - besonders, wenn man unter furchtbaren Qualen auf ein Spenderorgan wartet oder einem geliebten Menschen hilflos dabei zusehen muß.
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"Ich würde jedenfalls nicht spenden."
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Niemand zwingt Sie dazu, und das wird sich auch mit Einführung der Widerspruchslösung nicht ändern.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Optimismus ist wohl unangebracht, hat doch die Deutsche Bischofskonferenz schon ihre Missbilligung mit den üblichen frommen Floskeln ausgedrückt.
Jobst Echterling am Permanenter Link
Bevor der Staat in derart schwerwiegender Form in die Freiheitsrechte des Menschen eingreift, muss er m. E. alle weniger gravierenden Alternativen geprüft haben.
Harald Freunbichler am Permanenter Link
"n dem BILD-Interview sagte Spahn, dass ihm bewusst sei, dass eine solche Neuregelung zwar einen Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen sei."
Ob ihm das auch bei der Passiven Sterbehilfe, bzw. deren gesetzlichen Regelung bewusst ist?
David See am Permanenter Link
wenn Niki Lauder mal wieder ein Organ braucht kriegt er es und wird auf warteposition 1 geschoben, als höchste Dringlichkeit. also irgendwas stimmt da nicht
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Und eine Frage an die Gläubigen: Wieso hilft ein einziges Gebet nicht, einen Menschen mit einem kranken Organ zu heilen? Wo isser denn, der "liebe Gott"??
Franz Reinartz am Permanenter Link
Ich finde es bedauerlich, wenn eine mit hohem ethischen Anspruch zu führende gesellschaftliche Diskussion in den Weiten des anonymen Internet mit billigster Demagogie, Sarkasmus und Rechthaberei geführt wird.
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Richtig - man sollte die Diskussion ernsthaft führen - und logisch stringent. So gibt es freilich Alkoholiker, die Familienväter sind.
Horst Rudolf am Permanenter Link
Sterben auf Bestellung? - Nein, danke!
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Tragen Sie einen Alu-Hut oder sind sich sicher, dass der militärisch-industrielle Komplex Ihnen nach dem Leben trachtet? Es hat den Anschein ...