Genozid-Erinnerung in Köln – Ein schwieriges Unterfangen

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Hohenzollernbrücke und Kölner Dom
Hohenzollernbrücke und Kölner Dom

Seit 2018 versucht eine zivilgesellschaftliche Initiative aus Kölner Privatmenschen ein Mahnmal für den Völkermord an den Armenier:innen dauerhaft an der Kölner Hohenzollernbrücke aufzustellen. Gegenwind bekommt die Initiative dabei unter anderem von türkischen Rechten, die mitunter nicht nur den Völkermord leugnen, sondern auch Druck auf die Regierenden in Köln ausüben.

Als der Deutsche Bundestag 2016 die Massaker an den Armenier:innen 1915/16 durch das Osmanische Reich als Völkermord in der "Armenien-Resolution" einstufte, überschlugen sich nicht nur die verbalen Attacken aus Ankara, auch Türkei-nahe Islamverbände protestierten gegen die Resolution in Berlin. Insbesondere die Verbände DITIB und ATIB versuchten dabei an der Seite von AKP-nahen Organisationen die "Leugnung" des Völkermordes fortzusetzen, wie der Rechtsanwalt Ilias Uyar (einer der Gründer der Initiative Völkermord erinnern) bereits 2017 zu Protokoll gab. Dazu schrieb Uyar:

"Die Leugnung wird von diesen Organisationen auch politisch durchgesetzt – und das schon seit Jahrzehnten. Keine Veranstaltung zum Völkermord an den Armeniern […], die nicht von einem ermahnenden Schreiben des örtlichen türkischen Konsulats begleitet wird."

Genozid-Leugnung in der Türkei wie in der Diaspora

Eine der Wortführerinnen gegen die Resolution war 2016 Pinar Çetin, zu der Zeit noch aktiv in den Reihen der DITIB- Şehitlik-Moschee in Berlin, auf deren Gemeinde-Friedhof zwei Völkermörder in Ehrengräbern bestattet sind. Die öffentliche Kritik daran hatte zuletzt dazu geführt, dass Çetin eine antirassistische Auszeichnung zurückgab.

Gerade hier wurde deutlich – ähnlich wie im "Fall Özil" – dass Betroffene von Rassismus selbstredend auch selber rechte oder geschichtsrevisionistische Standpunkte vertreten können. Standpunkte, die auf Linie der türkischen Staatsdoktrin liegen.

Bis heute wird der Völkermord an den Armenier:innen durch den türkischen Staat geleugnet, wobei sich Nationalist:innen und Islamist:innen bei ihrer Argumentation im Kern nicht unterscheiden.

Die Türkei versucht mit einzelnen Wissenschaftlern, die großzügig aus Ankara finanziert werden, die Behauptung zu verteidigen, dass viele der Armenier:innen in offenen Kampfhandlungen getötet wurden. Zu einem völlig anderen Ergebnis kommen dagegen ein Großteil der Historiker:innen weltweit und inzwischen sogar vereinzelte Stimmen in der Türkei selbst.

Die Verantwortung Deutschlands

Unbestritten ist in diesem Kontext auch die Unterstützung des Völkermordes durch das Deutsche Kaiserreich, einer der Gründe, warum das Mahnmal in Köln in Sichtweite des Denkmals für Kaiser Wilhelm II. aufgestellt werden soll. Klare historische Zusammenhänge – nachvollziehbar für all jene, die sich mit der Thematik auseinandersetzen.

Eine Klarheit, die der Initiative um Ilias Uyar besonders von Seiten der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker fehlt. Zwar habe diese in einem persönlichen Gespräch darauf hingewiesen, dass "niemand in der Stadt gegen das Mahnmal" sei, für eine dauerhafte Erlaubnis zum Aufstellen habe es hingegen nicht gereicht. Vielmehr habe die zuständige Verwaltung laut Uyar "Mühe und Zeit ausschließlich dafür verwendet, wie das Mahnmal trotz legitimer Beschlüsse der Bezirksvertretung verhindert werden könne".

Noch 2022 hatte die Stadt selbst bestätigt, dass auf das entsprechende Mahnmal im öffentlichen Raum wegen des "hohen Konfliktpotentials" bewusst verzichtet würde.

Ausschlaggebend für diesen Konflikt scheint die Initiative Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung zu sein, in deren Reihen sich alleine neun DITIB-Gemeinden befinden, sowie laut dem Kölner Stadt-Anzeiger "Anhänger der rechtsextremen Grauen Wölfe". Wie dabei das Verhalten der Kölner Verwaltung verstanden wird, legten die Belltower News der Amadeu Antonio Stiftung zuletzt im Mai dar, wo es heißt:

"Dass es den Verantwortlichen in der Kölner Stadtverwaltung nicht um Anerkennung, um historische Aufarbeitung oder um Erinnerungskultur geht, sondern um Angst vor antidemokratischen türkischen Geschichtsleugnern, daran kann kein Zweifel bestehen."

Die Analyse rechter Kräfte benötigt eine Multiperspektive

Wie kann es sein, dass sich die Verantwortlichen in Köln scheinbar derart von rechten Kräften unter Druck setzen lassen? Die Antwort ist simpel: Bedeutende Teile der Politik sind überfordert damit, eine Multiperspektive in der Analyse von rechten Kräften einzunehmen.

Spätestens ab dem Punkt, wo Rechte einen migrantischen Hintergrund haben, greifen die gängigen Narrative und Bilder nicht mehr. Dabei sollte klar sein: Rechts ist rechts, egal wo auf der Welt.

Wer an der Seite von Minderheiten stehen will, muss dies insbesondere auch dann tun, wenn kein Applaus sicher ist. Hier benötigt es Wissen und vor allem ein neues Bewusstsein. Wer damit wirklich beginnen will, findet Ansprechpartner:innen bei der Initiative Völkermord erinnern.

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