"Erinnerungen, die bleiben" – unter diesem Titel wurden an drei Tagen am vergangenen Wochenende Zeitdokumente von Opfern der Islamischen Republik Iran im Kulturbunker Köln-Mülheim der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Organisiert und kuratiert war die Ausstellung von Familien der Getöteten, dem Kölner Kollektiv free.human und der Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help.
Die Exposition erinnerte außerdem an den "blutigen November", der sich 2024 zum fünften Mal jährt. Bei den Protesten im November 2019 gab es geschätzte 1.500 Todesopfer. Auch an den Tod von Jina Mahsa Amini vor zwei Jahren und die folgende "feministische Revolution" gegen die Repressionen durch das islamische Regime im Iran erinnerte man.
Als zentraler Teil wurden Fotos zahlreicher Todesopfer gemeinsam mit ihren Kleidungs- oder anderen Erinnerungsstücken präsentiert. Die Kleider, T-Shirts, Jacken und Hemden der Hingerichteten hoben die Schicksale aus dem abstrakten Raum in die reale Welt des Betrachters. Es wurden auch Bilder von politischen Gefangenen und Getöteten zusammen mit handgeschriebenen Briefen vor ihren Hinrichtungen gezeigt. Auf beklemmende Weise wurde im ersten Stock des ehemaligen Weltkriegsbunkers erlebbar, dass es sich um reale Menschen handelt, die dem Leben entrissen wurden.
Die Besucher waren zum großen Teil gebürtige Iraner und Iranerinnen, aber auch Interessierte Menschen ohne direkten Bezug zu dem Land waren nach Mülheim gekommen: Henrike (21), Damaris (21) und Matthias (24) hatten im Vorfeld Mitwirkende des Organisationsteams kennengelernt und wollten sich persönlich ein Bild machen.
Matthias berichtete, er habe durch die "Frau. Leben. Freiheit"-Bewegung schon Kontakt zu dem Thema und sei selbst auch zu Demonstrationen gegangen: "Was im Iran passiert, kann aus unserer Perspektive nur schwer wahrgenommen werden", so der 24-Jährige. Die Ausstellung der Kleidungsstücke und die Gesichter auf den Fotos hätten ihm einen persönlichen Bezug vermittelt. Dies sei für ihn weit eindrucksvoller als die Auflistung von Getöteten – so empfanden es auch Henrike und Damaris, für die das Thema dadurch viel greifbarer geworden sei.
Zu sehen war auch eine Wand mit Fotos der Todesopfer des Fluges PS752 von Teheran nach Kiew. Die Maschine wurde 2020 kurz nach dem Start von iranischen Flugabwehrraketen abgeschossen, es gab keine Überlebenden. Eine der Angehörigen der Opfer ist Shahnaz Morattab aus Frankfurt, die zum Orgateam der Ausstellung gehört. Im Gespräch berichtete sie, dass seit der "Islamischen Revolution" 1979 über hunderttausend Menschen hingerichtet worden seien – allein in den ersten zwei Jahren über 20.000. Und die religiösen Vorschriften wie Zwangsverschleierung und Scharia-Gesetze würden sich besonders gegen Frauen richten. Morattab und viele weitere Familienangehörige wollen die Verbrechen des Regimes dokumentieren, um dem Vergessen vorzubeugen – das ist eines der Ziele der Ausstellung.
Viele Menschen, die Angehörige verloren haben, brachten persönliche Andenken ihrer Verwandten mit nach Köln-Mülheim. Sie alle erhoffen sich neben der Erinnerung vor allem eins: Gerechtigkeit. So soll das iranische Regime vor einem internationalen Tribunal zur Verantwortung gezogen werden. Zu selten würden die Verbrechen juristisch aufgearbeitet, wie in dem Verfahren gegen Hamid Nouri, der letztes Jahr in Schweden auch in zweiter Instanz schuldig gesprochen und zu lebenslanger Haft verurteilt worden war.
Morattab berichtete von vielen positiven Reaktionen zur Ausstellung aus dem Iran – darunter von Eltern der Opfer. Sie sind dankbar, dass ihre Kinder nicht in Vergessenheit geraten. Die Exil-Iraner seien die Stimmen von Millionen Menschen im Iran, welche für Freiheit und Gleichberechtigung kämpften. Und für eine säkulare Gesellschaft, ergänzte Morattab.
Auf Nachfrage, ob sie auch für Religionsfreiheit eintrete, holte die engagierte Iranerin tief Luft und sagte: "Die einzig Positive, was die islamische Regierung gemacht hat, ist, dass die Wahrheit des Islam gezeigt wird – was wirklich Islam ist". Exil-Iraner und die, die noch im Land sind, würden die Religion gleichermaßen hassen, weil sie erlebt hätten, wie schrecklich der Islam sei – besonders für Frauen. Für Shahnaz Morattab gehört die Religionsfreiheit auch zur Freiheit – wie Redefreiheit, Pressefreiheit und Meinungsfreiheit. Aber bei politischer Religion sagt sie Stopp.
Von der deutschen Politik erwartet Shahnaz Morattab nicht viel. Zwar seien die iranischen Konsulate hierzulande inzwischen geschlossen worden, ebenso zahlreiche vom Iran finanzierte islamische Zentren, aber das alles sei viel zu spät gewesen. Der Handel mit dem Iran müsse eingestellt werden. Und besonders wichtig ist ihr, dass die iranischen Revolutionsgarden als Terrororganisation eingestuft werden.
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