BERLIN. (hpd) Hamed Abdel-Samad warf der Wochenzeitung "Der Freitag" vor, zu feige zu sein, die Veranstaltung am Dienstag Abend mit dem Titel "Der islamische Faschismus" anzukündigen. Und auch sonst konnte man ab und an den Eindruck gewinnen, dass Freitag-Herausgeber Jacob Augstein und der Autor nicht sonderlich gut miteinander aus kamen. Doch wurde der Abend durch Abdel-Samad’s Vehemenz, mit der er seine Thesen vertrat, sehr spannend.
Unter dem tatsächlich etwas relativierenden Titel "Welchen Islam wollen wir?" wollte Augstein wissen, weshalb Abdel-Samad davon ausgeht, dass der Islam als politische und gesellschaftliche Idee untergehen wird und die islamischen Staaten zerfallen. Diese Frage wurde nicht geklärt; denn Hamed Abdel-Samad stellte - ganz offensichtlich noch unter dem Eindruck seiner Entführung und der Fatwa, die gegen ihn verhängt wurde - die Thesen seines aktuellen Buches vor. "Der Islam ist faschistoid" sagte er, "und das wird im Islamismus deutlich."
Diese ungewohnt krass formulierte These zu beweisen war Abdel-Samad angetreten. Und das tat er mit viel Enthusiasmus. Dabei begann der Abend eher abtastend. Jacob Augstein stellte ein paar persönliche Fragen nach der Biografie des in Ägypten geborenen Autoren. Und dieser antwortete schnell und schlagfertig. Das provozierte manchen Lacher im voll besetzten Foyer des Maxim-Gorki-Theaters.
Doch überhaupt nicht mehr witzig fanden etliche Besucher seine Aussage, dass jeder monotheistische Religion dieses Ausgrenzende, Brutale gegenüber Andersdenkenden und damit faschistoide innewohnt. "Auch das Christentum war faschistoid, solange es an der Macht war." Erst die Aufklärung änderte das - indem sie der Religion die Macht über die Menschen und vor allem auch die politische Macht entriss. "Religionen, und damit meine ich alle Religionen, sind gefährlich und können faschistisch werden, wenn sie politische Macht haben. Angelegt ist es in allen."
Hamed Abdel-Samad nennt sich selbst nicht "Islamkritiker"
Hamed Abdel-Samad wies die Bezeichnung "Islamkritiker" für sich zurück: "Ich habe mich nie selbst Islamkritiker genannt. Ich beschäftige mich mit jeder Gesellschaft, in der ich lebe. Wer mich Islamkritiker nennt, muss mich auch Deutschlandkritiker oder Japankritiker nennen." Wobei das nicht ganz das Selbe ist - bezeichnet doch das eine eine Religion und das andere eine Nation.
"Ich kritisiere die Kultur und die Religion, mit der ich ja aufgewachsen bin, deshalb, weil ich eine Fehlentwicklung darin sehe." Augstein wies darauf hin, dass die Veranstaltung unter Polizeischutz stattfand und fragte, ob sich Abdel-Samad denn fürchten würde. "Nein, denn dann würde ich ja nicht öffentlich auftreten und solche Bücher nicht schreiben." Die Bedrohung will ja gerade auch erreichen, dass er nichts mehr sagen soll. Sein Satz: "Aber ich werde genau das weiterhin tun, woran sie mich hindern wollen" wurde mit kräftigem Applaus bedacht.