Anfang September haben Vertreter der Standorte für Islamisch-Theologische Studien in Deutschland in einer Erklärung den ISIS-Terror verurteilt und Deutungen des Islam abgelehnt, “die ihn zu einer archaischen Ideologie des Hasses und der Gewalt pervertieren.” Sie plädieren für eine Islam-Interpretation, “aus der sich Humanität, Gewaltfreiheit, Wertschätzung der Pluralität und Respekt für Menschen ungeachtet ihrer Zugehörigkeiten schöpfen lassen.” Und sie betonen, dass die “Deutungshoheit über den Islam nicht Extremisten und Gewaltätern” überlassen bleiben dürfe. Die Erklärung ist mittlerweile von etwa 90 islamischen Geistlichen und Professoren unterschrieben worden. Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach diese Stellungnahme für die muslimische Community in Deutschland?
Ich finde die Stellungnahme prima und bin schon lange der Meinung, dass die Deutungshoheit des Islam nicht den Extremisten und Gewalttätern überlassen werden darf, aber auch nicht allein den Verbänden des Koordinationsrates der Muslime in Deutschland. Bei den Extremisten und Gewalttätern haben wir schnell Konsens, sie sind für alle gleichermaßen indiskutabel.
Aber auch der Koordinationsrat darf nicht den Islam in Deutschland dominieren. Wenn er jede Entwicklung als eine Nivellierung des Glaubens, als eine Art “Islam light” – wie die Vertreter des Koordinationsrats gerne sagen – kritisiert, wird er zum Totengräber des Islam. Ich dagegen bin der Meinung, - und diese Meinung teile ich mit vielen liberalen Muslimen - die Muslime - und nicht nur der Koordinationsrat – müssen das Recht haben, den Islam weiterzuentwickeln. Dabei stelle ich nicht die Prinzipien meiner Religion in Frage, aber sehr wohl das Verharren im 7. Jahrhundert. Ich frage mich nicht, was hat der Prophet damals gemacht, ich frage mich, was hätte der Prophet heute gemacht? Das Wort “Verstand” kommt im Koran 49 Mal vor, 49 Mal fordert er uns auf, unseren Verstand einzusetzen. Und einer der berühmtesten Aussprüche des Propheten lautet: “Der Glaube eines Menschen geht so weit wie sein Verstand; der keinen Verstand hat, kann auch keinen Glauben haben”. Dem muss man ja nichts mehr hinzufügen, oder?
Medienberichten zufolge sollen sich rund 400 junge Muslime aus Deutschland im Nahen Osten der Terrorgruppe IS angeschlossen haben. Sie werden in den Medien - auch seitens der Geheimdienste - als “Looser” beschrieben: ganz überwiegend Schul- und Ausbildungsabbrecher, extrem niedriger Bildungsstand, ohne “bürgerliche” Perspektive und viele wohl auch mit einer Drogen- oder Kriminalkarriere. Was tun?
Nebenbei gesagt: Es soll ja auch eine ganze Reihe von gebildeten Muslimen darunter sein. Aber ganz ehrlich: Als Psychologin denke ich, dass man für die, die sich bereits in dieser grauenvollen Welt befinden, nicht mehr viel tun kann, außer ihre Traumata zu bearbeiten, wenn sie wiederkommen. Die restliche Arbeit kommt der Polizei und dem Verfassungsschutz zu. Aber wir können einiges dafür tun, dass es keinen weiteren Nachwuchs in dieser Richtung gibt. Durch Aufklärung, Kontaktaufnahme und Bildung. Das braucht Zeit und Geld und ist eine Investition in die Zukunft unseres Landes.
Bisweilen wird von einer spezifischen Form des Jugendprotestes gesprochen – was halten Sie von einer derartigen Einschätzung?
Nein, das ist völlig falsch und bagatellisiert die Fakten. Jugendprotest heißt, dass die Jugendlichen sich auflehnen gegen die Lebensform ihrer Elterngeneration. Sie wollen anders leben. Für Jugendproteste stehen Idealismus und romantische Vorstellungen. Nehmen Sie die vegane Lebensweise als Beitrag zum Erhalt unseres Planeten oder das Infragestellen der Leistungsgesellschaft. Derartige Protestbewegungen entwickeln sich aus dem Zeitgeist. Bei den gewaltbereiten muslimischen Jugendlichen haben wir es mit einer verführten Gruppe zu tun. Sie werden von Erwachsenen angeleitet, die ihr Denken in bestimmte ideologische Bahnen lenken und sie zur Gewaltverherrlichung verführen.
Ist dabei zwischen männlichen und weiblichen Salafisten/Dschihadisten zu unterscheiden?
Ja natürlich, diese Rollenvorbilder werden doch vorgegeben und durch entsprechende Islam-Interpretationen gerechtfertigt.
Die Deutsch Türkischen Nachrichten (DTN) haben vor kurzem gemeldet, dass britische Dschihadistinnen tausende jezidischer Mädchen und Frauen aus dem Irak zur Prostitution in Bordellen zwingen, Kunden sollen die männlichen ISIS-Kämpfer sein. DTN bezeichnet dies als “perverses Vorgehen” gegen Jeziden.
Das ist natürlich ein widerlicher Vorgang, kann aber sozialpsychologisch erklärt werden.
Diese Frauen, die aus ihrem Leben ausgebrochen sind und sich freiwillig einer völlig frauenfeindlichen Ideologie unterworfen haben, haben natürlich auch das Frauenbild dieser Ideologie übernommen. Das heißt: diese Musliminnen, oft Konvertitinnen, sehen die Welt mit den Augen der ISIS-Männer und behandeln Frauen so, wie diese Männer sie behandeln würden, eigentlich noch schlimmer.
Religionswechsel ist für die Psyche eines Menschen kein einfacher Schritt. Konvertiten meinen oft, sie müssten sich mit jedem Atemzug vergewissern, dass ihre Entscheidung richtig war. Deswegen sind sie oft von der neuen Religion überzeugter als diejenigen, die in die Religion hineingeboren sind. Und wenn sie dann – wie im Falle dieser Frauen – zu so einem fanatischen Haufen kommen, müssen sie sogar die noch toppen, um zu beweisen, dass sie wirklich zur Truppe gehören. Und genau das machen diese Frauen.
Salafisten haben in der letzten Zeit auch in Deutschland mediale Aufmerksamkeit durch spektakuläre Aktionen erlangt – zu nennen wäre beispielsweise das Auftreten der “Sharia-Police” in Wuppertal, auch im Rheinland soll es ähnliches geben, Aufkleber mit der Aufschrift “Sharia controlled Zone” sind dort in der Umgebung von Moscheen gefunden worden. Für wie erheblich schätzen Sie die Gefahren für die deutsche Gesellschaft ein, die von Salafisten ausgeht?
Ich schätze die Gefahr für die nicht-muslimische Gesellschaft als geringer ein als für die muslimische. Ich denke nicht, das die “Scharia-Polizei” von Nicht-Muslimen ernst genommen wird und auch nicht, dass die Jungs von der “Scharia-Polizei” Druck auf Nicht-Muslime ausüben wollen bzw. damit Erfolg haben.
Meine Sorge ist, dass der konservative Islam in den nächsten Jahrzehnten den muslimischen Teil der Gesellschaft immer mehr unter Druck setzen und einen Islam nach seinen Vorstellungen etablieren will. Das würde eine Absonderung von Teilen der Muslime fördern, und damit würde ein Keil in die Gesellschaft getrieben, so dass die Muslime dann immer mehr auseinander driften würden. Aber letzten Endes wären auch gewalttätige Auseinandersetzungen zu befürchten. Die fanatischen Muslime würden zuerst den liberalen Muslimen das Leben zur Hölle machen und dann den Nicht-Muslimen.
Könnten zum Dschihadismus tendierende junge Muslime und Musliminnen durch besonders konservative Religionsangebote davon abgehalten werden, sich an dem Mordtreiben von ISIS zu beteiligen?
Wieso das denn? Denken Sie, dass besonders konservative Religionsangebote dem radikalen Verständnis dieser Gruppe am nächsten kommen? Welche Angebote sollen die Moscheevereine den jungen Leuten denn machen, wenn sie sich überhaupt nicht mit der Ideologie, die hinter der Gewalt steckt, auseinandersetzen bzw. auseinandersetzen wollen, auseinandersetzen können? Denn bevor Islamverbände den Weg gehen, der aus der Gewalt herausführt, müssten sie sich wohl erst mal den Weg anschauen, der in die Gewalt hineinführt! Das aber findet kaum statt. Man begnügt sich mit dem Slogan: Das ist unislamisch oder: Das hat mit dem Islam nichts zu tun.
Wie sieht denn dieser Weg in die Gewalt aus? Es wird in den Moscheen vielfach ein Islam propagiert, der mit Angst operiert, mit blindem Gehorsam und Bestrafung, wenn man nicht folgt. Dazu zählen auch allseits beliebte Vorstellungen von Sünde. Sie müssten sich mal die Sündenkataloge der Imame anschauen. Im Prinzip ist zumeist alles Sünde, was nicht direkt mit dem Glauben zu tun hat. Ganz besonders für Frauen, vom lauten Lachen über kurze Haare bis zu einem Essen bei “Deutschen”. Aber wer stellt diese Kataloge auf? Und vor allem: wie sieht die Bestrafung aus? Da sind wir dann ganz schnell bei der Gewalt!
Der Islamismusexperte Admad Mansour aus Berlin, der mit Projekten gegen Radikalisierung von jungen MuslimInnen befasst ist, vertritt die Aufvfassung, dass Aufklärung erforderlich sei und Elternarbeit. Er fordert, dass die “Verbände und die Moscheen Verantwortung und die Inhalte, die von Radikalen instrumentalisiert werden in Frage stellen und ernsthaft diskutieren. Damit meine ich die Angstpädagogik, Geschlechtertrennung, Tabuisierung der Sexualität und Exklusivitätsansprüche.”
Dem stimme ich zu, wie ich ja eben schon angedeutet habe. Das heißt konkret: Die Moscheevereine und ihre Imame müssen ihr erzkonservatives Islamverständnis und ihre rückwärtsgewandten Inhalte auf den Prüfstand stellen. Und sich mit den von ihnen bislang tabuisierten Themen auseinandersetzen, das betrifft Gleichberechtigung von Mann und Frau, Umgang mit der Sexualität, Umgang mit Andersgläubigen, und mit anderen Lebensformen. Und sie müssen Wege finden, damit zeitgemäß umzugehen. Glauben Sie mir, danach würde sich die Frage, ob der Islam eine gewalttätige Religion sei, ganz schnell erübrigen. Im Klartext: Statt permanent zu wiederholen, der Islam sei keine gewalttätige Religion, müssten die Verantwortlichen der Islamverbände mal theologisch nach vorne schauen. Vor allem müssen sich die Islamverbände und Moscheevereine mit den universalen Menschenrechten auseinandersetzen. Menschenrechte sind unteilbar. Und es gibt auch keine anderen, durch die Religion relativierten, Menschenrechte für Muslime – mit anderen Worten: Islamische Menschenrechtserklärungen mit Scharia-Vorbehalt sind wertlos.
In Niedersachsen plant die Landesregierung Maßnahmen zur Salafismus-Prävention. Sind da ausgerechnet DITIB und SCHURA die richtigen Ansprechpartner?
Ja, wenn man den Bock zum Gärtner machen will, dann sollte man den konservativen Verbänden Steuergelder zur Verfügung stellen, damit sie Salafismusprävention machen können. Entschuldigen Sie, aber das kann unter den heutigen Bedingungen doch niemand ernsthaft in Erwägung ziehen, oder?
Sie haben in der Vergangenheit wiederholt für einen liberalen Islam plädiert und darauf verwiesen, dass die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime deutlich weniger traditionell und religiös konservativ eingestellt seien, als es das öffentliche Erscheinungsbild der Islamverbände vermuten lasse. Ist dies auch heute noch Ihre Auffassung?
Ja, immer noch. Obwohl die Zahl der religiös-konservativen Muslime in den letzten Jahren zugenommen hat, auch durch die politischen Prozesse in der Türkei. Die meisten Muslime in Deutschland kommen ja aus der Türkei, und da vor allem aus den ländlichen Gegenden. Das sind die Menschen, die früher einen Alltagsislam gelebt haben. Durch die Islamisierung des gesellschaftlichen Lebens hat sich auch ihre Einstellung zur Religion gewandelt. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, dass nur knapp 14 Prozent aller Muslime einem islamischen Verband in Deutschland angehören. Interessant ist auch, dass sich diese Zahlen seit Jahren nicht verändern. Trotz Erdogan und seiner Politik.
Wenn also Politiker mit den Verbandsvertretern sprechen, sollten sie immer im Kopf behalten, dass diese NICHT für DIE Muslime reden, sondern nur für ihre Community, oder - wie im Falle von DITIB – für die türkische Politik, die dahinter steht!
Medial beherrschen die orthodox-konservativen Verbände die Szene und zeigen nicht gerade ein liberales Islamverständnis. Aber diese Verbände wollen bestimmen - über islamischen Religionsunterricht und dessen Inhalte, über die Ausbildung und Einstellung islamischer ReligionslehrerInnen. Die Politik macht da weitgehend mit. Stellt diese Entwicklung nicht einen (unzulässigen) Eingriff in die Religionsfreiheit von MuslimInnen in Deutschland dar, wenn nur bestimmte (orthodox-konservative) Islam-Vorstellungen in Schulen und Hochschulen vertreten werden sollen?
Die orthodoxen Verbände haben sich in der Politik breit gemacht, und mit der Waffe der Idschaza (Lehrerlaubnis für den islamischen Religionsunterricht) halten sie jetzt die Hochschulen und die Schulministerien in Schach. Die Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die Hochschullehrer haben Angst, den Verbänden zu widersprechen, weil sie dann die Idschaza verlieren und, wenn sie nur einen zeitlich befristeten Vertrag haben sollten, entlassen werden könnten.
An deutschen Schulen und Universitäten wird heute zumeist ein orthodoxer Islam gelehrt. Denken Sie, was Prof. Khorchide alles widerfahren ist, nur weil er einiges gesagt hat, was den Verbandsmuslimen nicht passte – so etwa, dass auch Nicht-Muslime ins Paradies kommen können. Übrigens, theologisch ein alter Hut, aber für diese ultraorthodoxen Verbände ein No-Go. Khorchide musste Abbitte leisten, sprach von “Missverständnissen”, damit er seinen Posten behalten konnte. Das ist eine sehr traurige Entwicklung.
Wenn der Staat dieser Entwicklung – dass nämlich die konservativen Verbände und nur sie die islamische Ausbildung von Schülern und Studenten kontrollieren - tatenlos zuschaut, dann werden zukünftige Generationen von ewig gestrigen Muslimen an deutschen Schulen und Universitäten staatlich ausgebildet werden. In wenigen Jahren wird sich diese Entwicklung verselbständigt haben – und dann wollen die Verbände von Salafismusprävention reden? Da lache ich aber laut. Dann heißt es nur noch: “Gute Nacht, Deutschland!”
Zum Schluss: Sie werden im Jahr 2013 mit der Bemerkung zitiert: “Es kann auch einen anderen Islam geben; einen aufgeklärten, der den Verstand als Voraussetzung für den Glauben sieht. Damit dieser Islam sich weltweit etablieren kann, braucht es mehr muslimische Protestanten, die sich gegen den vorherrschenden konservativen Mainstream stellen.” Wo sind in der aktuellen Situation diese “muslimischen Protestanten”? Wo kann man ihre Stimmen hören?
Na, hier. Sie hören ja meine Stimme ganz laut und deutlich.
Frau Dr. Akgün, vielen Dank für das Interview.
Das Interview führte Walter Otte für den hpd.
Mehr von Lale Akgün: u.a. Aufstand der Kopftuchmädchen. Deutsche Musliminnen wehren sich gegen den Islamismus. Piper, München u. a. 2011 mit einer Besprechung in der ZEIT
12 Kommentare
Kommentare
Oliver Tausend am Permanenter Link
Es ist vollkommen haltlos davon zu sprechen, dass die IS-Terroristen den Islam oder den Koran "missbrauchen." Sie halten sich lediglich an das, was geschrieben steht.
Von Missbrauch zu sprechen anstatt zuzugeben, dass der Koran (wie natürlich auch die Bibel) ein durch und durch blutrünstiges Buch ist, der u. a. alle Ungläubigen als Feinde bezeichnet (4:101) und ausdrücklich zum Märtyrertod (4:74) aufruft, ist doppelt unredlich: Man vergeht sich sowohl am Glauben (aus Sicht der Fundamentalisten) als auch an der Vernunft und am kritischen Denken.
In dieser Weigerung der sog. religiös Gemäßigten, die Papierform ihrer angeblich heiligen Bücher vollständig und ohne Beschönigung anzuerkennen (nicht gutzuheißen) und damit zuzugeben, dass diese unendlich grausam und als moralische Orientierung nutzlos und gefährlich sind, liegt m. E. unsere kollektive Unfähigkeit begründet, mit religiös motivierten Terroristen umzugehen.
Wie schrieb doch Hamed Abdel-Samad in seinem Buch "Der islamische Faschismus"? Wir müssen eine Debatte führen über den Einfluss von Religion im Allgemeinen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Genau das fiel mir bei der ersten Antwort ebenfalls auf - inwiefern wird da eine Religion 'missbraucht'? Und ganz am Ende - sinngemäß: 'Verstand als Grundlage für Glauben'. Geht bei mir nicht.
Oliver Tausend am Permanenter Link
So sehe ich das auch, Herr Trutnau.
Papst Johannes Paul II. soll sinngemäß gesagt haben, dass man den "Glauben" (bzw. die "Offenbarung") entweder nur vollständig akzeptieren oder vollständig verwerfen könne.
Man muss kein Freund dieses oder eines anderen Papstes sein, um ihm da klar zuzustimmen. Vor dieser Entscheidung steht jeder und da soll man sich nicht durchmogeln mit hermeneutischer Bibelexegese oder der unheiligen Vermählung von Glauben und Vernunft.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Es dreht sich im Kern um die sattsam bekannte Rosinenpickerei bei sogenannten "Heiligen" Schriften.
David am Permanenter Link
Sind alle Religion gleich? Nein, genausowenig wie alle Ideologien gleich sind, genausowenig wie Federball und Boxen gleich sind.
Beinhalten alle Abrahamitischen Religion gewalteverherrlichende Inhalte? Ganz sicher.
Sind alle Abrahamitischen Religionen gleich gewaltverherrlichend? Ganz sicher nicht. Das Leben und die Aussagen eines mittelaterlichen warlords sind objektive betrachtet weit aus gewaltverherrlichender als das Leben und die Aussagen eines gewissen Wanderpredigers.
Fazit: Die übliche Vorgehensweise eines Gläubigen, durch Ignoranz oder hanbüchener Uminterpretation einen religiösen Text für das 21. Jhd. zu "rationalisieren", funktioniert nicht bei klaren Anweisungen oder Vorgaben. Und genau diese haben wir im Islam. Und leider sind nicht wenige davon intolerant und gewaltverherrlichend.
Es fehlt - intellektuelle Ehrlichkeit und Kritikfähigkeit.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
@ David: Alle Religionen sind gewiss nicht gleich. Doch diejenigen, die dem abrahamitischen Stamm entspringen, sehr wohl. Das Judentum, wie wir es heute kennen, setzte sich bis zum 2. Jh. v.Chr.
David am Permanenter Link
@Bernd
Interessanter Beitrag. Nun, dazu müsste man erst definieren, was wir unter "gleich" verstehen. Ich bin hier im Kontext "IS" von Gewalt- und Intoleranzelementen ausgegangen.
Dass der Absolutheitsanspruch bei allen drei Religionen eine wesentliche Rolle spielt und in allen drei Fällen duch Ausgrenzung der Andersgläubigen, deren Abwertung und schliesslich deren Verfolgung mit zum Gewaltcharakter beiträgt, sehe ich genau so. Dies ist aber kein alleiniges abrahamitisches Religionsfeature, siehe weltliche Ideologien, und vor allem: es ist nicht das einzige. Nur eine dieser drei Religionen geht noch wesentlich darüber hinaus. Nur eine der drei Religion verehrt als modernes Rollenvorbild einen Kriegsfürsten als Propheten mit all dem harten Stoff, den ein mittelalterlicher Krieger sagt und tut.
Diese Gewaltelemente im Islam damit zu erklären, dass man sich gegen "aggressive Missionierung" zu schützen versuchte (so verstehe ich Ihr Argument) kann ich nicht nachvollziehen. Diese Elemente entstehen in einer Phase, in der Islam politisch/militärisch erstarkt und gegen andere, meist jüdische, Stämme vorgeht. Es geht hier, historisch gesehen, also vielmehr um reale Machtpolitik und Eroberungsintentionen denn um die mögliche Bedrohung durch christliche Gegenmissionierung. Eine Machtpolitik, die nach Ausschaltung der lokalen Konkurrenz, sich dann nur logisch konsequent im Angriff auf die byzantinischen Gebiete fortsetzte.
Einen Präventiv- oder Verteidigungscharakter kann ich in dieser aggressiven Expansion nicht erkennen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
@ David: Grundsätzlich habe ich nichts gegen Ihren Einwurf. Trotzdem wage ich ebenfalls noch eine Präzisierung: Das Judentum war in seinen Anfängen (wie jede neue Religion) schwach und klein.
Nataniel am Permanenter Link
Im Koran, der für alle Muslime verbindlich ist, steht, dass man "Ungläubige" belügen, betrügen, täuschen, bestehlen, verletzen und töten darf.
Dieser Logik folgte z.B. Mohammed Ata, der Anführer der WTC-Attentäter. Alle, die mit ihm zu tun hatten, bekamen von ihm den Eindruck vermittelt, dass er im Westen "angekommen" sei. Aber das war nur vorgeschützt.
Aus diesem Grund gebe ich nichts auf die Distanzierungen von Muslimen von der IS. Alles nur Blendwerk, um Ungläubige in falscher Sicherheit zu wiegen. Solange, bis Muslime in eine Übermachtsituation kommen. Dann erst werden sie ihr wahres Gesicht zeigen.
Weiterhin ist eine Trennung von Tat und Täter nicht möglich. Muslime können sich nicht darauf berufen, dass andere Muslime die Taten "nicht in ihrem Namen" begehen würden. Das geht so nicht! Tat und Täter bilden immer eine Einheit.
Was wäre, wenn zum Beispiel Deutsche anfangen würden, Clips auf youtube zu stellen, in denen sie erklären "die Verfolgung und Ermordung von Juden und Gegnern der Nazis geschah nicht in meinem Namen. Daher habe ich damit nichts zu tun! Also lasst mich damit in Ruhe!" - es gäbe einen Aufschrei und wahrscheinlich würde noch am selben Tag die Polizei vor der Tür stehen.
Ob eine Gemeinschaft nun Juden oder Jesiden, Christen sowie Kritiker und Gegner verfolgt und ermordet ist egal. Es ist dieselbe Tat. Da kann man nicht zweierlei Maß anlegen. Was für den einen gilt, gilt auch für den anderen. Kein Deutscher kann sich vom Holocaust lossagen, indem er behauptet, er sei nicht in seinem Namen geschehen. Genausowenig kann sich ein Muslim von Taten lossagen, die im Namen des Islam geschehen.
Wie sagt man auch: mitgegangen, mitgefangen. Jeder Muslim ist ein Mittäter. Und das wird auch für alle Muslime gelten, die jetzt noch ungeboren sind und vielleicht erst mehrere Jahrzehnte in der Zukunft auf die Welt kommen. Auch diese sind Mittäter. Man kann die selbe Sache nicht mit zweierlei Maß messen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
@ Nataniel: Ich muss dich ein wenig korrigieren. Sippenhaft ist alttestamentlich und sollte aus unserer Gesellschaft verschwinden.
Rüdiger von Gizycki am Permanenter Link
Es ist doch immer dasselbe. Ganz gleich welche Religion oder welche Weltanschauung man hat, es ist das religiöse Dogma, welches die Grundlage für beliebige Interpretationen zulässt.
Ein Zitat von Erich Fromm:
"Insofern humanistische Religionen theistisch ist, ist Gott das Symbol für des menschen eigene Kräfte, und nicht ein Symbol für Gewalt und Herrschaft, also für mehr Macht über den Menschen".
In seiner Konsequenz wäre das Dogma dann obsolet. Doch dann wird jede dogmatische Religion eine leere Glaubenshülse, die man nicht mehr braucht und dann wäre auch die Berufungen auf Gottes oder von der Partei usw. offenbartes Wort der Boden entzogen. Das müsste aber sein, damit endlich die Freiheit eintritt, die letztlich den Menschen in Freiheit und Würde der Selbstverantwortung und der Vernunft überlässt.
Auch der Satz Albert Schweitzers kann dabei helfen:
"Ich bin Leben, dass leben will, inmitten von Leben, das leben will!"
Rüdiger von Gizycki
Hans Trutnau am Permanenter Link
Etwas korrekter, Rüdiger, es ist m.E. weniger das religiöse Dogma (sonst wäre es keins), das interpretiert werden kann, sondern die schwammigen (eben interpretierbaren) Texte der sog.