OBERWESEL. (hpd) Ludwig A. Minelli war zu Gast am Stiftungssitz der Giordano-Bruno-Stiftung in Oberwesel. Der Gründer und Vorsitzende der Schweizer Sterbehilfeorganisation DIGNITAS legte in einem Vortrag dar, warum es keine vernünftigen Argumente für ein Verbot der organisierten Freitod-Hilfe gibt. Der Humanistische Pressedienst dokumentiert den Vortrag in voller Länge.
Sehr geehrte Herr und Frau Steffen,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Für Ihre Einladung, am Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung zu Ihnen über das aktuelle Thema "Sterbehilfe" zu sprechen, danke ich. Es ist mir eine hohe Ehre, mich an diesem besonderen Ort vor einem derart erlauchten Publikum äussern zu dürfen. Ein Ort und eine Gemeinschaft des Nachdenkens, des Vorausdenkens, des Denkens weit über eine Wahlperiode hinaus. Herr Steffen und die von ihm im Laufe seiner Bemühungen um Aufklärung in Deutschland dazu gestossenen Damen und Herren leisten der Gesellschaft einen wichtigen Dienst. Sie verfolgen damit vor allem das wichtige Ziel der Sicherung der persönlichen Freiheit, der Unabhängigkeit von vorgekautem Nicht-Denken. Ganz im Bemühen darum, auch in Deutschland gelegentlich die selbstverschuldete Unmündigkeit hinter sich lassen zu können.
Derartiger zielgerichteter Einsatz für die Gemeinschaft ist leider in unserer Zeit eher selten geworden und deshalb umso höher zu schätzen. Ganz im Sinne des altrömischen Sprichworts "Nam tua res agitur, paries cum proximus ardet".
Unsere heutige Veranstaltung trägt den Untertitel: "Freiheit gegen finanzielle Interessen – Der Kampf um Würde, Autonomie und Selbstbestimmung in der letzten Lebensphase in Deutschland".
Umfragen zeigen seit langem, dass auch in Deutschland drei Viertel bis vier Fünftel der Bevölkerung sich ganz eindeutig für die Möglichkeit aussprechen, bei schwerer Krankheit, Behinderung, Schmerzzuständen oder in hohem Alter das eigene Leben und Leiden selbstbestimmt beenden zu können. Grosse Teile der Politik, der Medien, sowie gewisse Interessengruppen wollen dies jedoch verhindern. Darum dreht sich die Diskussion.
Mein Referat gliedere ich in sieben Abschnitte:
- Die gegenwärtige politische Debatte
- Wir schaffen Klarheit über die verwendeten Begriffe
- Was bedeutet Freitod-Hilfe in der Schweiz, insbesondere bei DIGNITAS?
- Welche Freitod-Hilfe ist in Deutschland möglich?
- Wer sind die Gegner der Freitod-Hilfe und welches sind deren Motive?
- Was will die grosse Mehrheit der deutschen Bevölkerung?
- Vom Untertan zum Souverän
...
Der gesamte Vortrag ist als PDF-Dokument zum Download verfügbar.
6 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich hatte zusammen mit Juliana das Vergnügen, bei der Präsentation dieses ernsten Themas dabei sein zu dürfen.
Das aufmerksame Publikum lieferte sich in der Diskussionsrunde ein munteres Rededuell, dem sich der DIGNITAS-Gründer entspannt stellte. Schließlich konnte er viele gute Argumente vorweisen. Das Haus Weitblick und die Steffens boten den gewohnt gastfreundlichen Rahmen, der für uns den Nachmittag zu einem erhellenden Erlebnis werden ließ.
Das ist kein bezahlter Werbetext für Aktivitäten des Stiftungssitzes, sondern unsere ehrliche Meinung.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ein außergewöhnlich gut begründeter Vortrag, gefolgt von der Pause im gastfreundlichen Haus Weitblick, die bei Kaffe und Kuchen zur Kontaktaufnahme einlud.
Klarsicht am Permanenter Link
Ein paar (un)erlaubte Überlegungen ?
„Die Angehörigen wollen eine Erklärung für das Unerklärliche; der Rest der Welt auch. Was treibt jemanden dazu, nicht nur sich selbst umzubringen, sondern auch das Leben von 149 anderen Menschen auszulöschen ? Welche Gedanken und Gefühle leiten einen solchen Menschen, was passiert in seinem Gehirn, wie lautet die Diagnose ?
Es ist nur zu verständlich, dass die schockierten Hinterbliebenen und all jene, die noch immer fassungslos angesichts der Tragödie sind, verstehen wollen. Welches Leiden, welcher Antrieb steckt hinter dem gezielt herbeigeführtenFlugzeugabsturz ?“
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/konsequenzen-aus-dem-flugzeugunglueck-die-schweigepflicht-muss-streng-bleiben-1.2416343
„Partner für Gespräche über Suizidabsichten sind äußerst selten. Wer würde es denn wagen, jemanden aus seiner Familie, den Pfarrer, einen Lehrer, gar einen Arzt ins Vertrauen zu ziehen, wenn er an Suizid denkt ? Er würde nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine persönliche Freiheit riskieren: Nach einem Gespräch mit einer solchen Person erscheint das Risiko viel zu groß, in die Psychiatrie zwangseingewiesen zu werden. Somit ist jemand, der an Suizid denkt, meist ganz mit sich und seinen trüben Gedanken allein. Sein Denken und sein Empfinden verengen sich immer mehr .“
Quelle: http://hpd.de/sites/hpd.de/files/field/file/wie_wollen_wir_sterben_-_l._minelli.pdf
Als ich das las, kam mir der Gedanke, dass Andreas L. sich evtl. in der Situation sah, wie sie in dem obigen Text von Herrn Minelli beschrieben wird. Er wollte evtl. – aus welchen Gründen auch immer – sein Leben möglichst schmerzfrei beenden, wozu ihm unsere Gesellschaft aus seiner (kranken ?) Sicht aber keine legale und für ihn akzeptable Möglichkeit bot (siehe „Sterbehilfedebatte“). Aufgrund dessen fühlte er sich möglicherweise derart hilflos und von unserer Gesellschaft allein gelassen, dass sich in ihm wegen seiner Situation nach und nach eine Wut oder gar ein Hass auf unsere Gesellschaft entwickelte, die/der (aus dem Unterbewusstsein heraus ?) immer mehr in seinem Bewusstsein wirksam wurde. Dieser schleichende „psychologische Prozess“ kulminierte evtl. in der Absicht, sich nunmehr in naher Zukunft wegen seines Leidens- und Realitätsdruckes wirklich umzubringen und dabei gleichzeitig die für seine Situation „schuldige Gesellschaft“ mit einem „Paukenschlag“, der ihm wohl schon konkret vorschwebte „zu bestrafen“.
Wut und Hass, die in Andreas L. evtl. wirksam waren, könnte ich durchaus nachvollziehen, seine Tat natürlich nicht. Aber ich bin, wie ich glaube, ja auch nicht psychisch krank, wie er es gewesen sein soll.
Auch Udo Reiter, seit vielen Jahren am Rollstuhl gebunden gewesen, hat kurz nach einer Sterbehilfediskussion im TV, an der er teilgenommen hatte, mit einem „Paukenschlag für die Gesellschaft“ sein Leben selbst beendet. Er hat sich erschossen (1).
Verweis:
(1) http://www.focus.de/kultur/kino_tv/udo-reiter-eine-woche-vor-seinem-tod-ich-moechte-nicht-als-pflegefall-enden-der-von-anderen-gewaschen-frisiert-und-abgeputzt-wird_id_4194673.html
Es grüßt
Klarsicht
Hans Trutnau am Permanenter Link
@Klarsicht: Es ging Minelli nicht um den komplexen Fall Andreas L, sondern um Menschen, die sich z.B. aus Schmerzmotiven ihrem (und NUR ihrem) Leben ein selbstbestimmtes Ende setzen wollen.
Klarsicht am Permanenter Link
Der Inhalt meines Kommentars fordert objektiv an keiner Stelle dazu heraus, klar stellen zu müssen, um was es Herrn Minelli in seinem Text ging. Hinsichtlich dessen, um was es ihm ging, spekulieren Sie doch auch nur.
Im übrigen habe ich im Kontext der ersten beiden Abs. oben nur versucht, eine mögliche Erklärung für die Tat von A. L. zu liefern. Wenn Sie sich implizit durch sie dazu aufgefordert sahen, öffentlich deutlich machen zu müssen, dass Sie sich an Spekulationen nicht beteiligen, so kann ich dazu nur sagen, dass Ihre Distanzierung nicht nötig gewesen wäre, weil auch sie objektiv nicht verlangt wurde.
Es grüßt
Klarsicht
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Hinsichtlich dessen, um was es ihm ging, spekulieren Sie doch auch nur."
Nein, ich spekuliere nicht. Ich war bei dem Vortrag anwesend.