Durch die medialen Berichte erleben wir derzeit den Islam jedoch weitgehend als erschreckendes Phänomen. Um sich aber über islamisch geprägte Gesellschaften ein differenziertes Bild machen zu können, müsste man sich eigentlich mit Beispielen aus der ganzen Welt befassen. So gibt es im Inselstaat Indonesien nur eine generelle Religionspflicht, d.h. der Islam, obwohl stärkste Religion, ist nicht Staatsreligion (die Scharia gilt übrigens nur in der Provinz Aceh).
Hoffnung auf einen europäischen Islam dank vernunftgeleiteter Fortentwicklung der Koraninterpretation?
Heute ist zuweilen von einem “europäischen Islam” die Rede. Ob es je dazu kommen wird, darf man bezweifeln; aber wie sich eine dazu passende Verkündigung vielleicht anhören würde, läßt sich den kleinen Sendungen, die der Deutschlandfunk jeden Freitag Morgen ausstrahlt, entnehmen. 2015 waren es ca. 30, wobei bislang nur Autoritäten aus Europa sowie USA und Kanada zu Wort kamen.
In Deutschland wurde 2007 mit dem Jahrhundertprojekt einer umfassenden wissenschaftlichen Erforschung des Korans und seiner historischen Voraussetzungen begonnen. In diesem von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften betriebenen sog. “Corpus Coranicum” werden auch “kursorische” Kommentare angeboten (bislang allerdings erst für gut 40 der sog. Frühmekkanischen Suren), die gänzlich frei von Glaubensvorgaben sind. Sie beeindrucken den Laien vor allem durch das gedrängte historisch-philologische Fachwissen. Ein geduldiger Leser bekommt hier jedenfalls eine gewisse Vorstellung von dem, was mit dem jeweiligen Text gemeint sein dürfte.
Ein europäischer Islam hätte sich ggf. wohl an den Ergebnissen des Corpus coranicum zu orientieren. Seine Aufgabe wäre es aber auch, diverse Aussagen des Korans als überholt oder letztlich inakzeptabel zu kennzeichnen. Auf den 100 Hochglanz-Seiten einer Sonderausgabe des “Philosophie-Magazins” (wie z.B. von christlicher Seite kritisiert wurde, erfährt man nur wenig dazu), während ein Publizist aus Ägypten, der so etwas bereits versucht, mit Ermordung bedroht wird.
Weltanschaulicher Diskurs zwischen Humanisten und Muslimen?
Auch Humanisten könnte es interessieren, welches Menschenbild und welche Gottesvorstellung im Islam (z.B. in seiner Frühzeit, als es noch wenig Aufsplitterung gab) enthalten ist. Sachbücher gehen eher in die Breite als in die Tiefe (Empfehlung: Lutz Berger, Islamische Theologie, UTB 2010), zumal es so viele Varianten und Gegensätze gibt. Es ist daher schwierig, sich sozusagen zur religiösen Idee des Islam zu positionieren (die oft erwähnten fünf Säulen des Islam sind lediglich Vorschriften). Sicherlich ist mit den sattsam bekannten Drohungen, Sünder und Ungläubige kämen beim jüngsten Gericht in die “Hölle”, noch nicht alles Wesentliche über den Islam gesagt – genau so wenig wie über das Christentum.
Folglich wird man sich in Gesprächen mit MuslimInnen bei Religionsfragen weitgehend zurückhalten. Man könnte sie aber gegebenenfalls fragen, wieso sie denn gerade der einen und nicht einer anderen Variante des Islam anhängen; und man darf auf Behauptungen, dieses oder jenes stehe doch im Koran (oder auch umgekehrt: das stehe so doch gar nicht im Koran), erwidern, dies sei für Nicht-Muslime egal. Als Humanist kann man m.E. sich guten Gewissens damit begnügen, Vorbehalte gegen Religionen einfach nur dadurch anzudeuten, dass man auf ihre Pluralität verweist (warum sollte nur eine von ihnen “die richtige” sein….). Hinweise auf die eingangs aufgelisteten “Prüfsteine” kann man sich in der Regel wohl sparen, weil sie vermutlich zu nichts führen.
Letztlich bedeutet dies wohl, auf einen weltanschaulichen Diskurs mit MuslimInnen zu verzichten. Damit entzieht man sich ggf. auch dem Dilemma, qua Humanist auf die Frage zu antworten, ob man denn selber an etwas glaube (siehe Anlage: “Unglaube genügt”), ob das einem Halt vermittele und zu einer Ordnung im eigenen Leben verhelfe. Eine humanistische Position dazu lässt sich kaum mit wenigen Sätzen vermitteln und mit Verweisen auf historische Errungenschaften wie die Menschenrechte oder die Evolutionstheorie ist es wohl nicht getan.
Religionskundlicher Unterricht – eine alte Forderung mit neuer Aktualität
Wir müssen uns anstrengen, die jetzt zu uns strömenden, überwiegend muslimischen Flüchtlinge gut aufzunehmen. Soweit wir können, sollten wir zuerst einmal dazu beitragen, dass sie über die erlebte existenzielle Bedrohtheit einigermassen hinwegkommen. Sie sollen Geborgenheit in unserer pluralistischen Gesellschaft finden, doch hierzu ist die Bereitschaft nötig, unsere Gesetze als oberste Instanz zu akzeptieren. Daher muss man MigrantInnen auch rechtzeitig auf einige Bestimmungen des Strafgesetzbuches hinweisen, die ihnen manches untersagen, was in ihrem Herkunftsland erlaubt ist.
“Gut aufnehmen” heißt insbesondere, zu verhindern, dass wir in Deutschland immer mehr islamische Parallelgesellschaften wie in Grossbritannien oder Frankreich bekommen (was sehr schwierig sein wird). Der politische Wille, wenigstens bei den Jugendlichen anzusetzen, ist nicht konsequent vorhanden, denn sonst würde sich die Politik längst mit der Forderung beschäftigen, Religionskunde (eigentlich: Weltanschauungskunde) als Pflichtfach an allen Schulen vorzuschreiben. Gerade hierdurch könnte man den Heranwachsenden vermitteln, dass man in unserem Staate es aushalten kann - und auch muss- , mit Menschen unterschiedlichster Weltanschauung tolerant zusammenzuleben. Anlass dazu gäbe eigentlich schon eine erstaunlich wenig verbreitete, vielen unwillkommene Einsicht: Für die meisten Menschen hängt ihre Religionszugehörigkeit nur davon ab, wo sie geboren sind.
Die Einführung von Religionskunde als Pflichtfach wird leider durch Abs. 3 von Artikel 7 des Grundgesetzes faktisch unmöglich gemacht (erschwerend kommt hinzu, dass Bildungsfragen ja weitgehend Ländersache sind). Diesen abzuschaffen bzw. zu ändern, dürfte in naher Zukunft nicht gelingen, weil die kirchlichen Interessengruppen - die dadurch ja Macht abgeben müssten – derzeit noch zuviel Einfluss besitzen. Dennoch könnte für einen kämpferischen Humanismus die Einführung dieses Schulfaches ein wichtiges, einigendes Ziel sein. Doch um hierfür in der breiten Öffentlichkeit und bei politischen Parteien Anhänger rekrutieren zu können, müssten wohl die Leitgedanken eines organisierten Humanismus noch klarer und öffentlich stärker präsent werden.
Kirchliche Kreise wünschen hingegen bekenntnisorientierten Islamunterricht und genieren sich nicht, zu behaupten, der bekenntnisorientierte Religionsunterricht sei “… notwendig, um die Schule zum interreligiösen (!) Lernort zu machen, an dem SchülerInnen sowohl die eigene als auch die Religionen ihrer MitschülerInnen kennen lernen. Nur so kann Schule die Aufgabe erfüllen, SchülerInnen auf ein friedliches Zusammenleben in einer multireligiösen Gesellschaft vorzubereiten.” Diese Position ist natürlich für Humanisten gänzlich inakzeptabel.
Der Ruf, islamische Religion an öffentlichen Schulen als Unterrichtsfach (in NRW heißt das offiziell “Islamkunde”) zu etablieren, wird gemeinhin damit begründet, es sei allemal besser, die muslimischen Jugendlichen lernten unter kontrollierbaren Bedingungen etwas über ihre Religion (Videos zu pro und contra sind reichlich im Internet zu finden), als sie „irgendwelchen Predigern in Hinterhöfen“ zu überlassen. Das Argument ist jedoch nicht ganz überzeugend, denn islamische Religion ist ja keine Pflichtfach. Somit könnten gerade fundamentalistisch orientierte Eltern es vorziehen, ihre Kinder durch Prediger ihrer Wahl (nicht wenige davon vom Ausland bestellt), zum „richtigen“ Islam erziehen zu lassen. Dieses Argument gälte auch, wenn jemand die Einführung des Unterrichtsfaches Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde (kurz: LER) nach dem Muster der in Brandenburg seit 2001 geltenden Regelung vorschlagen würde, denn konfessioneller Religionsunterricht und LER sind hier Wahlpflichtfächer (man muss zwischen beidem wählen).
Noch ein Wort zur Religionskunde. Sie vermittelt wichtige Einsichten in die Kulturgeschichte der Menschheit. Es wäre fair, dabei heute den sog. ethnischen Religionen etwas mehr und den sog. Weltreligionen etwas weniger Stellenwert zuzuerkennen. Es gibt noch immer einige außereuropäische Gebiete mit weitgehend ursprünglichen ethnischen Religionen (bekanntestes Beispiel ist vielleicht das Australien der Aborigines). Wo die betreffenden Stämme um ihre Existenz kämpfen müssen, geht es immer auch um das Bewahren ihrer kulturellen, mit Religion eng verbundenen Identität. Irgendwann kommen auf solche ursprüngliche Religionen allerdings Anpassungsprozesse zu, die durch die Berührung dieser Völker mit der westlich-modernen Zivilisation unausweichlich geworden sind. Man wird ihnen dabei kaum helfen können – jedenfalls nicht, indem man ihnen Christentum oder Islam als "bessere" Religion andient.
13 Kommentare
Kommentare
angelika richter am Permanenter Link
"Der Koran macht´s möglich"
Das lässt sich leider auch in Bezug auf die aktuellen Übergriffe und Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung in Köln sagen...
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dieser Beitrag ist im Großen und Ganzen völlig richtig, auch in seinen Schlussfolgerungen.
Jedoch habe ich ein paar Zusatzanmerkungen:
1. Was ist überhaupt Religion?
Wenn die fünf auf Seite 1 aufgelisteten Punkte im Religionsalltag wegfielen, bzw. rechtsstaatlich reformiert würden, was bliebe dann noch von Religion? Ein Blick in die Geschichte verrät, dass Religion immer dualistisch war, also intolerant. Sie verteidigte immer ihre "Erkenntnisse" als absolut, sonst hätten ja "die anderen" Recht oder es herrschte Unsicherheit unter den Gläubigen. Das Ziel war stets die Vergrößerung der eigenen Gemeinde(n) und die Vernichtung der anderen (auch durch Überredung zur Konversion zu eigenen Gemeinde). Es ging dabei immer um wirtschaftliche Macht und realpolitischen Einfluss.
Der "außerweltliche" Kern von Religion - also das "Spirituelle" - basiert auf der falschen Annahme, es gäbe so etwas wie einen "Gott", von dem keine zwei Menschen eine völlig übereinstimmende Ansicht haben. Gerade das Spirituelle ist also völlig nebulös und schwammig, nicht greifbar und "unerforschlich". Dies allein macht es - unabhängig der Frage nach der Existenz dieser transzendenten Welt - völlig unmöglich, weltweit zu gemeinsamen Normen und Regeln zu gelangen, wie mit diesem spirituellen Teil umzugehen sei.
Deshalb hat sich der Monotheismus aus einem kräftigen Wurzelwerk des Animismus/Schamanismus über Polytheismus und Monolatrie zum Stamm der jüdischen Form gebündelt. Doch dieses Konstrukt konnte gesellschaftlich nicht stabil bleiben, weil es zu keinem Zeitpunkt verifizierbare Aussagen über diesen angeblich einzigen "Gott" gab. Die zwangsläufige Folge war ca. 100 bis 200 Jahre nach endgültiger Konsolidierung des Judentums die erste große Häresie: das Christentum. Eine kleinere Abspaltung bereits in der Zeit der Entstehung des Judentums - der Zoroastrismus - spielt heute praktisch keine Rolle mehr und ist demografisch fast erloschen. D.h. der Stamm hat sich in Äste aufgeteilt, die sich in immer mehr Zweige und Stängel aufteilten, von denen es heute viele zehntausend gibt.
Das ist der Beweis für die strukturelle Instabilität der Idee "Monotheismus". Gäbe es diesen proklamierten "Gott" wahrhaftig, hätte es nicht nur nie eine Häresie gegeben, nicht mal ein Schisma, sondern auch nicht das weitgefächerte Wurzelwerk der vormonotheistischen Zeit. Schließlich soll dieser "Gott" ja das gesamte Universum geschaffen haben, d.h. er kontrollierte der Legende nach von Anfang an das Geschehen. Die Mythen der Bibel, die das verdecken sollen, sind sehr krude konstruiert und nur mühsam logisch nachzuvollziehen.
An diesem Konstruktionsfehler kranken alle monotheistischen Religionen und dieser ist auch durch Reformation der 5 Punkte auf Seite 1 nicht zu heilen.
2. Was ist also zu tun?
Natürlich wäre es ein zivilisatorischer Fortschritt, wenn Religionen ihre Allmachtsfantasien aufgäben und wahre Toleranz bei sich einkehren ließen. Dies würde jedoch meiner Meinung nach die orthodoxen Gläubigen aus diesen "toleranten" Gemeinden vertreiben und in die Arme fundamentalistischer Gruppierungen oder Sekten treiben.
Daher - so meine Meinung - müsste langfristig jeglicher Religionsunterricht mit bekennendem Anspruch abgeschafft und durch - zeitlich sehr knappen oder in den Geschichtsunterricht integrierten - Religionskundeunterricht ersetzt werden. Hier müsste dann wissenschaftlich korrekt über die wahren historischen Hintergründe und die Motive der Religionserfindung informiert werden. Dieser Unterricht müsste verbindlich für alle Schüler im normalen Klassenverband stattfinden.
Allerdings sollten auch unsere Politiker und viele Journalisten auf diese Schulbank zurückkehren, bis sie verstanden haben, dass ein gesellschaftlicher Popanz am Leben erhalten wird, wenn weiterhin erwachsene Menschen respektiert und mit Steuergeldern alimentiert werden, die an Zauberei und allerlei magischen Unsinn glauben.
Das bedeutet nicht, dass Glauben verboten werden soll - jeder soll in seinem Oberstübchen selbst für Ordnung sorgen - aber Kinder sollten weder körperlich noch geistig auf "Religion" getrimmt werden. Die öffentliche Darstellung muss ganz klar naturalistisch sein und darüber muss bei jeder sinnvollen Gelegenheit aufgeklärt werden.
3. Ausblick auf die Zukunft
Ich hoffe, dass wir uns eines Tages nicht mehr damit auseinandersetzen müssen, ob die frühen oder späten Suren des Koran verbindlicher sind oder ob Jesus doch der Sohn Gottes sei etc. Wir haben deutlich wichtigere Aufgaben zu lösen, die unmittelbar die Zukunft der Erde und allen Lebens auf ihr betrifft. Wir müssen die Globalisierung nutzen, um gemeinsam Lösungen für eine gerechte Weltordnung, für gerechte Verteilung der Ressourcen und nachhaltige Energieproduktion zu finden.
Religion - egal wie sehr man sie spiritualisiert - kann hier nicht den mindesten Beitrag dazu leisten, weil sie auf Prinzipien beruht, die den möglichen Lösungsansätzen für obige Probleme zuwiderlaufen. Wer dies nicht einsieht, macht sich mitschuldig an wachsenden (und eines Tages unlösbaren) Problemen.
Religion an sich war einst ein verzeihlicher Irrtum und ist heute - nachdem der Irrtum aufgeklärt werden konnte - eine Lüge. Und Lügen können bei gar nichts helfen. Auch nicht in einer (sowieso von orthodox Gläubigen abgelehnten) humanistischen Lesart...
Mustafa am Permanenter Link
Vielen Dank, auch für den Anhang "Unglaube genügt!".
Ich finde den Vorschlag darin hervorragend, verschiedene religiöse Glaubensinhalte in Kinderbücher einzustreuen. Einerseits im übertragenen Sinn ("Religion gehört in's Märchenbuch"), andererseits sehr praktisch-konstruktiv und neuartig, sodass er leider noch nicht einmal aufgegriffen wurde.
Eine Anmerkung noch zur Behauptung christlicher Eltern "es hat auch uns nicht geschadet". Ich habe ein praktisches Gegenbeispiel, das auch kein Einzelfall ist: Im Gegensatz zu mir hat meine Freundin eine katholische Erziehung erhalten. Obwohl sie vor ein paar Jahren dort ausgetreten ist, kommt sie emotional von dieser Indoktination kaum endgültig weg: Wenn ich mich allgemein und (aus meiner Sicht) nicht einmal beleidigend, aber klar und energisch, religionskritisch äußere, kann sie die Tränen nicht verbergen und bittet um mehr Respekt vor ihrer Kindheit. Das ganze, obwohl sie rational gar nicht meinen Argumenten widerspricht. Aber es tut ihr nach wie vor weh, das kindlich und nachhaltig aufgebaute Gerüst aus Wunschträumen zerfallen zu sehen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das kann ich bestätigen! Nicht ganz so krass, aber vom Prinzip her.
Würden Menschen erst mit 14 Jahren mit religiösen Inhalten konfrontiert - und das schon immer -, wäre das Christentum vor ca. 1.900 Jahren ausgestorben. Bzw. es wäre gar nicht erst entstanden, weil ca. im 5. Jh. v.u.Z. bereits das Judentum unter den gleichen Vorzeichen ausgestorben wäre.
"Wohin würden wir nur kommen ohne Religion?"
"Bis zum Mars!"
Rainer Bolz am Permanenter Link
Hallo Mustafa,
Vielleicht ist hierzu das persönliche und einfühlsame Buch von Jürgen Neffe: Darwin - Das Abenteuer des Lebens - eine unterhaltsame Lektüre für die nächste gemeinsame Urlaubsreise.
Mit freundlichen Grüßen Rainer
Oliver Tausend am Permanenter Link
Sie schreiben:
"Man muss nicht bei all diesen Punkten ins Detail gehen, um sofort festzustellen, dass der Islam in seiner weitgehend konservativen Ausprägung sich mit wichtigen rechtlichen und geistigen Gegebenheiten unserer Gesellschaft nur schwer anfreunden kann."
Man kann, nein, man muss dies viel deutlicher ausdrücken: Der Islam ist in seiner Gesamtheit die komplette Antithese einer modernen Gesellschaft. Das muss man jedem politisch-korrekten Pseudo-Liberalen der regressiven Linken ins Stammbuch schreiben. Das trifft auch auf alle westlichen politischen Führungskräfte zu, die einem Voldemort-Effekt zum Opfer fallen, wenn sie es vermeiden, das Kind öffentlich beim Namen zu nennen.
Diejenigen, die nicht müde werden zu behaupten, der Terror im Namen Allahs habe nichts mit dem Islam zu tun, wären unter den Ersten, die in einem Land wie Saudi-Arabien einen Kopf kürzer gemacht würden.
Leider ist auch das Adjektiv "konservativ" in dem obigen Zitat irreführend, weil nicht klar wird, was Sie damit meinen. Außerdem, was wäre denn das Gegenzeil davon? Progressiv etwa? Oder moderat? Da die Übergänge von moderater zu fundamentalistischet Religionsübung fließend sind, existiert keinerlei Demarkationslinie, um das eine vom anderen zu scheiden. Des weiteren sind Adjektive wie konservativ, progressiv oder moderat fürchterlich relativ. Gegenüber dem IS erscheint selbst Al Qaida moderat.
Frank Linnhoff am Permanenter Link
In meiner Wahlheimat Frankreich gibt es seit 1905 keinen Religionsunterricht mehr in öffentlichen Schulen.
Zu dem vom Autor benannten Problem von "immer mehr islamischen Parallelgesellschaften in Frankreich" möchte ich anmerken, dass gerade in Frankreich die Mehrheit derjenigen Menschen, welche man allgemein für Muslime hält, eben keine gläubigen Muslime sind. So wie dem Christentum die Gläubigen abhanden gekommen sind, sind diese dem Islam zumindest in Frankreich ebenso abhanden gekommen. Das wahre Problem in diesem Land -jedoch nicht nur diesem- ist die Gewaltbereitschaft viel zu vieler "Kinder der Republik", welche nicht vom Leben, sondern vom Tod fasziniert sind. Insofern sehe ich den Djihadismus in gleicher Linie wie den Nationalsozialismus und Faschismus.
Es gilt, dass die staatlichen Autoritäten die Gesetze der Republik durchsetzen und nicht die Augen verschließen. Dazu sind wir in unseren Gesellschaften leider weit entfernt.
Sinmara am Permanenter Link
Ein sehr spannender Artikel, dessen schlussfolgerung, wir benötigen "Religionskunde" statt "Bekenntnisunterricht" ich absolut teile.
Auch der Hinweis, weitere Religionen einzubeziehen ist vollkommen richtig. Es kann bei einer Neuordnung des Verhältnisses Religion-Bildung nicht nur um den Islam gehen oder ein ja/nein gegenüber dem status quo, der längst überarbeitet gehört. Ein zukunftsfähiges Modell muss offen sein für alle religionen, Weltanschaaungen und Wissenserwerb ist Ziel der schulischen Bildung.
Aber: Bitte diesen unglücklichen Begriff "ethnische Religionen" überdenken! Die Selbstbezeichnung ist zumeist "indigen" und bezeichnet, die in der Regel vor der Christianisierung dort herrschenden Religionen. Allenfalls könnte man "tribal" (Stammes, Gruppen-Religion) nennen.
Indigene Religiosität gibt es auch in Europa: Hellenisten, Mois Maiorum, Romuva, slawische und keltische Religionsgruppen, Druiden und Asatru usw. Auch das gehört zu unserer Kultur!
http://www.deutschlandfunk.de/glaube-an-germanengoetter-asatru-liegt-in-island-im-trend.886.de.html?dram:article_id=335912
Chr. Walther am Permanenter Link
Danke für die Hinweise. Ob "indigene" oder "ethnische" Religionen - Hauptsache, man verewigt nicht diese arrogante Einengung auf "Weltreligionen", wenn man von Religion spricht.
http://www.survivalinternational.de
Chr. Walther
Sinmara am Permanenter Link
Vielen Dank für den Link und die Quelle!
Mit ihrem Anliegen haben Sie vollkommen recht. Der Begriff "Weltreligionen" ist religionswissenschaftlich höchst umstritten. Er wird aber gern von den "großen" Religionen genutzt, speziell dem Christentum, um ihre "weltweite Bedeutung" hervorzuheben und sich doch als "primus inter pares" zu präsentieren. Im Zuge der "Offenheit" werden dann Judentum, Islam und heute auch Buddhismus und Hinduismus hinzugenommen, alles andere fällt unter "unbedeutend". Dabei wird die Tatsache, eine religiöse Richtung durch Missionierung verbreitet zu haben und damit andere, rsprüngliche Religionen, teilweise gewaltsam verdrängt zu haben, noch belohnt.
Daher ist mir der Begriff "Weltreligion" ebenso suspekt wie ihnen.
Im übrigen sind - auf dem Wege der Globalisierung - auch die von Ihnen als ethnisch bezeichneten Religionen weltweit verbreitet. Natürlich nicht in dem zahlenmäßigen Umfang wie in ihren Ursprungsländer. Aber Sie finden z.B. Shintoismus und Aborigenes, Candomble und diverse Stammeskulte auch in jeder Großstadt Europas und der USA.
Eine wichtige Unterscheidung - und das mein Grund für die Ablehnung des Begriffes "ethnisch" - ist abei aber der sogenannte "folkish" -Ansatz gegenüber dem "universalist". "folkish" bedeutet, dass nur ein Angehöriger der ethnischen Volksgruppe diese Religion ausüben kann. Das wird von einigen so gesehen, von den meisten aber als rassistisch abgelehnt. "universalist" bedeutet, dass z.B. auch ein Nicht-Japaner Shinotoist sein kann, ein Nichtweißer Asatru und Nicht-Brite "inselkeltisch" usw.
Daher ist der Begriff "universalistische indigene Religion" günstiger.
Zum Nachlesen ein Beispiel aus einem Blog:
https://heathennaturalist.wordpress.com/2015/01/09/i-dont-understand-folkish-heathenry-at-all/
Michael Murauer am Permanenter Link
Ich finde die Forderungen, die Christian Walther in seinem unterstützenswerten Ruf nach einem religionskundlichen Unterricht an die Religionen stellt, sympathisch, halte sie jedoch für weitgehend illusionär, da sie de
Ich denke, daß die Ansprüche, die wir aus der Sicht einer pluralistischen Gesellschaft an die Religionen stellen müssen, formuliert werden sollten, ohne überhaupt auf den Wahrheitsanspruch religiöser Vorstellungen einzugehen.
Also etwa so:
1) Es werden ausschließlich Religionen toleriert, die zur Verbreitung ihrer Weltdeutung auf Gewalt verzichten.
2) Jede Religion hat das gleiche Recht, auf friedliche Weise für ihre Anliegen zu werben und ihr religiöses Leben in der Gesellschaft zu entfalten.
3) Jede Religion hat die geltende Rechtsordnung zu akzeptieren und insbesondere zu akzeptieren, daß die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft jederzeit aus dieser austreten können, ohne sich irgendwelchen Pressionen ausgesetzt zu sehen.
4) Die Gesellschaft hat das Recht, die Lehrinhalte von Religion zu überwachen und gegebenenfalls geeignete Sanktionen gegen religiöse Einrichtungen zu verhängen, wenn ernsthafte Zweifel daran bestehen, daß eine Religion die Grundsätze 1 - 3 akzeptiert.
Die spezifischen Aufklärungsrückstände des Islams hinsichtlich Meinungsfreiheit, Frauen, Homosexualität etc. sind ein anderes, ja bereits vielfach beackertes Thema, das zwar viele praktische Probleme aufwirft, aber keine grundsätzlichen Veränderungen im Umgang moderner Gesellschaften mit den Religionen erforderlich macht (ein religionskundlicher Unterricht wäre auch zur Relativierung der illusionären und oftmals schädlichen Weltdeutung anderer Religionen längst dringend wünschenswert). Und natürlich kann man auch den Islam nach aufklärerischen Maßstäben uminterpretieren. In den westlichen Ländern gibt’s eine ganze Reihe Muslime, die das versuchen. Nur werden leider die Radikalen mit viel Geld vor allem aus Saudiarabien und anderen konservativen isalmischen Ländern gesponsert (und diesbezüglich ist unsere Toleranz aus falscher politischer Rücksichtnahme lange Zeit viel zu groß gewesen und ist wahrscheinlich immer noch zu groß).
walter otte am Permanenter Link
Auch wenn ich den Ausführungen von Christian Walther weitestgehend zustimmen kann, das gilt vor allem, aber nicht nur, für die Grundsatzpositionierung: „Es ist für mich unabweisbar, dass zur Lösung der unterschiedlich
Gemäß Art. 7 Abs. 3 GG ist an öffentlichen Schulen Religionsunterricht (und Weltanschauungsunterricht) bekenntnisgebunden zu erteilen. Diese (eindeutige) Grundrechtsregelung mag man bedauern, kommt um sie aber nicht herum; eine Änderung des Grundgesetzes ist in diesem Punkt auf lange Zeit nicht in Sicht (2/3 Mehrheit erforderlich! – vielleicht in der Zeit nach der ersten bemannten Marsmission …?). Andere Regelungen können allenfalls in den Bundesländern vorgenommen werden, die der sogenannten Bremer Klausel unterliegen.
Nicht so recht deutlich wird mir, aus welchen Gründen an die Stelle eines bekenntnisgebundenen Religionsunterrichts ein Religionskundeunterricht als Pflichtfach treten sollte. Denn dies würde bedeuten: einen gemeinsamen Unterricht nur für Kinder religiöser Eltern. Auch wenn dies „pluralistischer“ sein würde als die jetzigen „Bekenntnisangebote“ und sicherlich seinen eigenen Charme im Sinne einer Relativierung religiöser Wahrheiten besitzt, warum eine Beschränkung auf ein religiöses Klientel? Oder soll Religionskundeunterricht auch verpflichtend sein für Kinder nichtreligiöser Eltern? Wohl kaum – oder?
M.E kann die zutreffende Forderung aus der Analyse von Christian Walther nur sein, einen für alle SchülerIinnen verbindlichen Ethikunterricht (in dem auch religionskundliche Aspekte erörtert werden können/müssen) zum Pflichtfach zu machen. Dies würde tatsächlich alle SchülerInnen erfassen, niemanden ausgrenzen, auf gemeinsame Werte in einer freiheitlich-pluralistischen Gesellschaft orientieren ……
Auf diesem Wege gibt es bereits gewichtige Schritte, auch wenn in einigen Bundesländern (noch) Ethikunterricht nur als eine Art Ersatz für Religionsunterricht angesehen wird. Das ist selbstverständlich nicht akzeptabel.
Eine Einführung von Ethikunterricht als für alle SchülerInnen verbindlichem Schulpflichtfach ist zudem auch ab sofort machbar, ohne dass es einer Grundgesetzänderung bedarf.
Nachtrag: Wo ist denn der Aufsatz „Unglaube genügt“ erschienen? Ich würde ihn gerne weiterverbreiten.
Chr. Walther am Permanenter Link
Danke Herr Otte - zunächst (und Entschuldigung auch an den Alibri-Verlag): Der Aufsatz "Unglaube genügt" erschien in "Humanismusperspektiven" Hrsg. H.
Auch ich bin für den "Spatz in der Hand" - also mittelfristig machbare Schritte bezügl. Ethikunterricht. Aber ich will, dass man das noch lange nicht erreichbare Ziel des Religionskundeunterrichts dennoch immer wieder benennt, u.zw.als Pflichtfach für alle - nicht etwa nur für Schüler aus religiösen Elternhäusern. Religion gehört - ob uns das gefällt oder nicht - nun mal zum Thema "Mensch". Chr. Walther