Mit Kanonen auf Memes schießen:

Bundesregierung stellt Details der Urheberrechtsreform vor

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"Digitale Freiheit", eine Initiative für Datenschutz, bei der Konferenz "Das ist Netzpolitik!" (2019)

Die deutsche Bundesregierung hat letzte Woche den Entwurf der seit Jahren heiß umstrittenen Urheberrechtsreform ins Parlament eingebracht. Die europarechtliche Frist zur Umsetzung endet bereits im Juni. Von den vollmundigen Versprechungen der Union, Uploadfilter zu verhindern, ist nichts geblieben.

Erinnern wir uns an das Frühjahr 2019. Es sei an der Zeit für ein neues Urheberrecht, das den veränderten Rahmenbedingungen der Digitalwirtschaft gerecht wird, ohne die Netzfreiheit einzuschränken, tönte damals das EU-Parlament. Doch die Bevölkerung Europas war skeptisch ob Artikel 13, der in der jetzigen Fassung Artikel 17 heißt. Raider heißt jetzt ... naja, Sie wissen schon.

Zehntausende Menschen fanden sich unter dem Motto "savetheinternet" in deutschen Großstädten ein, um gegen die in diesem Passus befindlichen Uploadfilter zu demonstrieren (der hpd berichtete). Diese sind Teil des "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetzes", das sich als wichtigster Aspekt der Reform herauskristallisiert hat.

Künftig sollen Plattformen für die Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer:innen haften. Um Strafen zu entgehen, soll hochgeladenes Material vor Veröffentlichung automatisiert auf lizenzierte Inhalte gescanned werden.

Konkret bedeutet das: Jeder Tweet, den wir absetzen, jeder Facebook-Post und jedes YouTube-Video, wird von undurchsichtigen, hochkomplexen Algorithmen durchleuchtet. Selbiges gilt für pikantes Bildmaterial, das auf Datingplattformen hochgeladen wird – diese Info nur am Rande.

Um das einmal in die analoge Welt zu übersetzen: Stellen Sie sich einfach vor, die Deutsche Post würde jeden Brief röntgen, um sicherzugehen, dass sich nicht die Partitur von Rihannas "Umbrella" darin befindet.

Content: gefiltert, nicht gerührt

Was an der Vorlage der Bundesregierung so irritierend ist, erläutert Susanne Dehmel vom Digitalverband Bitkom:

"Das Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz ist an Komplexität nicht mehr zu überbieten. In seiner praktischen Umsetzung wird es genau dazu führen, was man immer vermeiden wollte: Online-Plattformen werden verpflichtet, Nutzerinhalte beim Upload automatisiert zu scannen. Die dafür angelegten Kriterien lassen hohe Fehlerquoten erwarten."

Der Bundesverband Digitale Wirtschaft sieht in den Uploadfiltern sogar eine Einschränkung der Meinungsfreiheit: "Die Upload-Filter-Regelung bedroht die Vielfalt von Inhalten im Internet. Zudem werden Kreativität und die freie Entfaltung der Nutzer eingeschränkt", konstatiert BVDW-Präsident Matthias Wahl.

Die Filter sind Teil eines extrem komplexen Beschwerdeverfahrens, mit dem Nutzer:innen – theoretisch – Einspruch gegen die Sperrung eines Inhalts einlegen können. Den Inhaber:innen der Urheberrechte allerdings steht ein sogenannter "Red Button" zur Verfügung, eine Art nutzungsrechtlicher Atomknopf, der die sofortige Sperrung eines Inhalts ermöglicht.

Die neuste Fassung der Urheberrechtsreform enthält überdies auch noch stark reduzierte "Bagatellgrenzen": 20 Sekunden Video oder Audio, 1.000 Zeichen Text oder ein Bild mit maximal 250 Kilobyte sollten ursprünglich erlaubt sein. Davon übrig geblieben sind 15 Sekunden Video oder Audio, 160 Zeichen Text sowie 125 Kilobyte Bildmaterial, die nicht-kommerziell genutzt werden dürfen.

Julia Reda, Urheberrechtsspezialistin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte und ehemalige Europaabgeordnete, bezeichnet die 160 Zeichen Text als "völlig weltfremd". Womit sie vollkommen Recht hat, wenn man sich vergegenwärtigt, dass sogar der Name des Gesetzesentwurfs sportliche 60 Zeichen länger ist.

Es bleiben gebrochene Versprechen und verfehlte Ziele

Wer sich das Versprechen der Union, es werde definitiv keine Uploadfilter geben, noch einmal in Erinnerung rufen möchte, dem sei die Website der CDU ans Herz gelegt. Hier heißt es brüsk: "Es wird keine Uploadfilter geben". Im aktuellen Gesetzesentwurf kommt der Begriff "Uploadfilter" übrigens kein einziges Mal vor.

Das Eingeständnis, man habe die Filter nicht verhindern können, ist ein Feigenblatt. Hinter diesem versteckt sich die Tatsache, dass die Bundesregierung den von Partikularinteressen gesättigten Ratschlägen deutscher Großverlage folgt und sich dabei keinen Deut um die technische Machbarkeit oder gar die Funktionalität schert.

Dabei ist allen Beteiligten klar, dass das analoge Urheberrecht der modernen Meme- und Remix-Kultur sowie der Rolle globaler Plattformen wie YouTube oder Facebook nicht mehr gerecht werden kann. Diese Einschätzung ist so unbestreitbar wie die Kugelgestalt der Erde.

So ist beispielsweise der Aufruf von über 500 Kunstschaffenden, darunter Kollektive wie AnnenMayKantereit, Die Ärzte, Die Toten Hosen und die Berliner Philharmoniker, absolut nachvollziehbar. Das Bündnis moniert, dass Urheber:innen "jedes Videofitzelchen selbst herausfischen müssen, in dem sich zum Beispiel Neurechte oder Verschwörungstheoretiker*innen ungefragt die Bekanntheit unserer Werke zu Nutze machen".

Doch sind Uploadfilter wirklich das Mittel der Wahl, um dies zu unterbinden? Sind sie nicht viel eher die Inversion dessen, was die Urheberrechtsreform eigentlich erreichen soll? In dem Moment nämlich, in dem auch die Anbieter:innen kleinerer Foren, Market Places und nischiger Netzwerke dazu gezwungen werden, von Nutzer:innen hochgeladene Inhalte präventiv auf Urheberrechtsverstöße zu überprüfen, haben diese genau zwei Optionen: Zusperren, oder den Algorithmus eines Tech-Giganten wie Google oder Facebook benutzen. Die Echtzeitüberprüfung selbst vorzunehmen ist entweder unrentabel oder technisch unmöglich. Und damit würde das Oligopol weiter konsolidiert, dessen Macht zu beschränken irgendwann mal das eigentliche Ziel war.

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