Überall schaute man in den vergangenen Wochen und Tage auf die Ereignisse in Washington. Oder man stierte auf die aktuellen Coronazahlen. Überall? Nein – in einem kleinen Dorf in Belgien namens Brüssel vernichtet man still und heimlich Bürgerrechte.
Abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit und frei von unangenehmen Medienanfragen beschlossen die EU-Politiker vor gut einem Monat, dass im Kampf gegen Kindesmissbrauch die Einrichtung des Gläsernen Bürgers die richtige Maßnahme sei.
Da ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Telefon, Fax und Briefe verboten werden. Oder doch zumindest ohne richterliche Anordnung abgehört und gelesen werden dürfen.
"Am 8. Dezember stimmte der Innenausschuss des Europaparlaments über eine Einschränkung der ePrivacy-Richtlinie zum Schutz privater Kommunikation ab. Mit der Zustimmung akzeptiert das Parlament mit der Begründung 'Schutz von Kindern' erstmals die pauschale Durchsuchung der gesamten elektronischen Kommunikation nach etwaigen verbotenen Inhalten – mit katastrophalen Folgen für den Schutz der Privatsphäre und der Datensicherheit in der EU." (Quelle)
Das betrifft nicht nur die private und/oder geschäftliche anlasslose Durchsuchung von Mails. Es betrifft auch Messenger wie WhatsApp, den Facebook-Messenger und zum Beispiel auch Telegram. Diese App soll sogar aus dem Apple-Store entfernt werden. Geklagt hat eine NGO mit dem Namen "Coalition for a Safer Web" mit der Begründung, der Messenger "diene als zentraler Kanal, über den zu rassistischer und religiös motivierter Gewalt aufgerufen werde".
Diese immer wiederkehrende "Begründung" bleibt auch nach der zehntausendsten Wiederholung ebenso falsch wie dumm. Denn auch Telefone und Briefe werden für rassistische und religiös motivierte Gewaltaufrufe genutzt. Und etliche Gespräche an Stammtischen dürften auch nicht unbedingt dem Jugendschutz förderlich sein. Will die EU nun auch das Briefgeheimnis kippen oder Stasi-like an jeden Stammtisch einen Zuhörer platzieren?
Wer die vollständige Überwachung der Kommunikation im Internet fordert, hat nicht begriffen: Die paar Prozent, die digitale Medien für kriminelle Zwecke oder zur Hetze nutzen, finden immer wieder Mittel und Wege, um sich auszutauschen (Stichwort: Darknet). Man muss davon ausgehen, dass auch die gerade in die Schlagzeilen geratene App Parler einen Nachfolger bekommen wird. Die 99 Prozent der Nutzer, Mailschreiber und Messenger-User, die sich nichts zu Schulden kommen lassen, werden dafür bestraft, dass Politikern keine echten Lösungen einfallen.
Aber es ist so einfach, sich auf populistische Maßnahmen zu beschränken. Ob es – wie jetzt – um den vermeintlichen Schutz von Kindern geht oder wie vor einigen Jahren gegen den islamischen Terrorismus. All das ist einfacher, als mit bestehenden rechtlichen, polizeilichen und staatlichen Mitteln Verbrechen aufzuklären. Da macht es nix, wenn fast 448 Millionen Europäer zu Verdächtigen werden. Oder eben auch 83 Millionen deutsche Bürger.
8 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
Ich sage nur: Wehren den Anfängen!
U. Janssen am Permanenter Link
Der Kampf gegen Kindesmissbrauch kann mir nicht weit genug gehen. Es ist für mich die allerschlimmste Form der Kriminalität. Selbst die Kriminellen im Gefängnis sehen es so!
Sternchenskepti... am Permanenter Link
Und das kann nur der Anfang sein. Die meisten Verbrechen dieser Art passieren im häuslichen Umfeld, im Zuhause der Kinder. Ich weiß!, wovon ich spreche!
Sascha Larch am Permanenter Link
Wer in der Demokratie schläft wacht in der Diktatur auf.
Aber egal, wir haben ja alle nichts zu verbergen, oder?
Henning Kaiser am Permanenter Link
Ihre mMn Antihumanistische Einstellung bzgl. Privatsphäre finde ich ebenfalls befremdlich. Von einem Humanisten erwarte ich was anderes.
Benedikt Müller am Permanenter Link
Das Problem ist doch, dass es nichts bringt. Werden Facebook, WhatsApp und Telegram überwacht, wechseln die Kriminellen eben auf Matrix oder Jabber.
Alle solchen Maßnahmen treffen immer nur den normalen Bürger.
Harald Freunbichler am Permanenter Link
In jedem Rechtsstaat gibt es und gilt das sg. Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Es gilt auch für sie - deshalb wäre es unzulässig, sie nach dem Formulieren dieses unverhältnismäßigen Standpunktes zu sperren.
Wolfgang Graff am Permanenter Link
Dass der EU-Beschluss tatsächlich "katastrophale Folgen für die Datensicherheit und die Privatsphäre" hat, halte ich für reine Spekulation.