Jugend und Religion

Ergebnisse der 17. Shell Jugendstudie

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Wenn der Platz vor dem Dom nur zum "Abhängen" dient...
Wenn der Platz vor dem Dom nur zum "Abhängen" dient

BERLIN. (hpd) Wie schon in den vorigen Jugendstudien sind auch in der aktuellen aus dem Jahr 2015 die Fragen nach Religion und Werten aufgenommen. Die Studie ist bundesweit erhoben worden. Eine Differenzierung für einzelne Bundesländer wurde allerdings nicht vorgenommen. Es muss davon ausgegangen werden, dass in den deutschen Großstädten die Religionsdistanz erheblich höher ist, als in Deutschland insgesamt.

Die Mehrheit der Jugendlichen gehört weiterhin einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft an. Das bedeutet allerdings noch lange nicht, dass sie glauben was diese Religion ausmacht. Religion ist weiterhin eine konstante Größe, aber sie steht nicht im Zentrum des Wertesystems. Die Unterschiede zwischen West und Ost sind erheblich, ebenso die der Muslime zu den anderen Jugendlichen.

Mitgliedschaft und Glauben decken sich nicht

Obwohl noch ca. zwei Drittel der Jugendlichen Mitglied in einer Glaubensgemeinschaft sind, ist der Glaube an Gott nur für 33% wichtig. Für 46% ist dieser Glaube unwichtig. Selbst für 33% der katholischen Jugendlichen wie für 41% der evangelischen Jugendlichen ist der Glaube an Gott für die Lebensführung unwichtig, (S. 251). Wir sehen also die gleichen Differenzen zwischen Mitgliedschaft und Glauben wie wir es aus den Befragungen von Erwachsenen kennen.

In Ostdeutschland ist nur noch für 19% der Glauben an Gott wichtig. Aber für muslimische Jugendliche ist der Glauben an Allah für 76% bedeutsam.

Der persönliche Gott wird unglaubwürdig

Nicht nur der Unterschied von Mitgliedschaft und Glauben ist wichtig, auch zentrale religiöse Glaubensinhalte werden immer weniger verstanden.

Die zentrale Aussage der christlichen Religionen ist die des „persönlichen Gottes“. Zu ihm haben nur noch 35% der katholischen Jugendlichen ein Verhältnis und nur noch 27% der evangelischen, (S. 254).

Für einige Jugendliche gibt es noch den Begriff einer "höheren Macht" (katholisch 23%, evangelisch 22%). Damit liegen sie aber schon nicht mehr im Selbstverständnis ihrer Religionsgemeinschaften, die dies wesentlich eindeutiger formulieren.

Wer betet noch?

Auch die Forderung nach regelmäßigem Gebet gehört zum Selbstverständnis der großen Religionen in Deutschland. Das Gebet ist aber nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch ein Symptom für den gelebten Glauben und das persönliche Verhältnis zu Gott.

50% der katholischen Jugendlichen beten selten oder nie, bei den evangelischen sind es sogar 62%, (S. 258).

Einen Unterschied gibt es zu den muslimischen Religionen und zu den orthodoxen Christen (Freikirchen, Evangelikale): Sie beten zu ca. 46% mindestens einmal in der Woche.

Meinungen zur Kirche

Auch hier finden wir sehr widersprüchliche Aussagen. 67% der Jugendlichen "finden es gut, dass es die Kirche gibt", (S. 259). Dabei steht im Mittelpunkt der Eindruck, diese würden sich für die Schwächsten in der Gesellschaft einsetzen und so eine hohe moralische Autorität besitzen. Dass sie sich um geflüchtete Menschen kümmern, Sterbenden zur Seite stehen oder behinderte Menschen pflegen wird ihnen hoch angerechnet.

Dem gegenüber steht die Aussage von 64%: "Die Kirche muss sich ändern, wenn sie eine Zukunft haben will". Die sozialen und caritativen Aktivitäten werden immer weniger mit der Institution Kirche gleichgesetzt, die als anachronistisch und in der medialen Wahrnehmung als problematisch erlebt wird (Missbrauchsvorwürfe, klerikale Abschottung, Positionen zu sexueller Selbstbestimmung oder zu Fragen wie Schwangerschaftsabbruch und Homosexualität).

Am schärfsten wird die Distanz zu den Kirchen bei der Aussage von 57% deutlich, die sagen: "Auf die Fragen, die mich wirklich bewegen, hat die Kirche keine Antwort."

Es sind heute - gar nicht so überraschend - gerade die katholischen Jugendlichen, die eine Veränderung ihrer Kirche als besonders notwendig ansehen.

Geschlechterunterschiede

Kein neuer Befund ist das Ergebnis, dass männliche Jugendliche den Glauben an Gott zu 50% unwichtig finden, die weiblichen aber nur zu 42%, (S. 263).

Zwar sind für junge Frauen Beruf und Karriere bedeutsamer geworden, aber die Orientierung liegt weiterhin in sozialen Berufen oder im Dienstleistungsbereich. Die technischen Berufe und die industrielle Produktion werden weiterhin von den Jungen favorisiert. Entsprechen haben die Frauen geringere Erwartungen an die zukünftige Bezahlung ihrer Arbeit.

Shell Deutschland (Hrsg.): Jugend 2015 – Eine pragmatische Generation im Aufbruch; S. Fischer Verlag; Frankfurt am Main, 2015; 447 Seiten

Auffällig ist, dass seit 2010 die jungen Frauen "Fleiß und Ehrgeiz" wichtiger finden als die jungen Männer. Sie sind deutlich gesundheitsbewusster, betonen mehr die Gefühle und sind umweltbewusster, (S. 264).

Allgemein kann gesagt werden, dass die jungen Frauen ein ausgeprägt positiveres Werteverhalten verkörpern als die jungen Männer.

Die Konfessionslosen

Eine eindeutige atheistische Aussage "Ich glaube nicht, dass es einen persönlichen Gott oder eine überirdische Macht gibt" treffen 27% der Jugendlichen. Noch einmal 24% sagen "Ich weiß nicht richtig, was ich glauben soll". Eine Mehrheit der Jugendlichen ist also eher nicht-religiös.

Die Gruppe der Konfessionslosen ist sehr eindeutig in ihrem Verhältnis zu Religion. Für 82% ist der Glauben an Gott für die eigene Lebensführung unwichtig. Nur für 8% dieser Gruppe ist er wichtig, der Rest ist unentschlossen, (S. 251).

Zur Frage nach einem "persönlichen Gott oder einer höhere Macht" sagen 63% der Konfessionslosen, dass dies für sie keine Bedeutung hat und noch einmal 18% sagen, sie wissen darüber nichts. (S. 254)

Ergebnis

Es gibt einen neuen Trend bei den deutschen Jugendlichen: Sie wollen das eigene Leben mit Werten bereichern. Dazu gehören gesellschaftliche Regeln, Engagement für die Umwelt, für sozial Schwache und das Gemeinwesen. Sie sind tolerant eingestellt, aber auch bereit, sich gegen Intoleranz zu wehren.

Sie nähern sich den Traditionen wieder an. "Diese Entwicklung geht jedoch nicht von der Religion, sondern eher vom Stolz auf die Leistung der Nation aus." (S. 272)

Die Bedeutung des Gottesglaubens ist von 36% in 2010 auf 33% heute zurückgegangen. Die Elternhäuser leisten immer weniger die Vermittlung von religiösen Vorstellungen. (S. 257)

Die Shell Studie kommt zu dem Ergebnis, dass "die Bedeutung des klassischen Glaubens zurückgegangen ist" (S. 252) und eine "leicht abnehmende religiöse Praxis unter Jugendlichen" (S. 256) festzustellen ist.